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Falscher Dialog gegen wahren Glauben

Bild: Photo des BuchumschlagsFr. John Hunwicke hat am 18. August auf seinem Blog einen Beitrag veröffentlicht , der auch nach unserer Sommerpause – und noch lange darüber hinaus – von großem Interesse ist. Unter dem Titel Typologie ist die Antwort befaßt er sich mit dem populären Trend, den (im übrigen weitgehend politisch/strategisch motivierten) „Dialog mit den Juden“ auf Kosten der Wahrheit voranzubringen. Auf Kosten der unumstößlichen Wahrheit, daß nur in Christus Erlösung ist und es buchstäblich keinen Weg zum Heil gibt, der um Christus herum (oder gar gegen ihn) geht.

Das Thema ist auch liturgisch von allergrößter Bedeutung. Die Reformen von Missale und Brevier im 20. Jahrhundert haben zwar vorgegeben, Gewicht und Anteil der Schriften des Alten Testaments zu vergrößern. Dabei haben sie jedoch in Texten und bei deren Übersetzungen immer stärker auf hebräische, d.h. nachchristlich oder sogar antichristliche jüdische – Lesarten und Traditionen zurückgriffen, während sie die authentische Tradition der Kirche zurückdrängten. Damit verliert das Neue Testament quasi seine Fundierung im Glauben des auserwählten Volkes der Zeit, bevor es sich in seiner Mehrheit von einem seinen Erwartungen nicht entsprechenden Messias abwandte. Viele Texte des Alten Testaments werden damit schwerverständlich oder verlieren jeden Bezug zu unserem Glauben – besonders betrifft das die Psalmen, die zumindest in der Theorie immer noch das Kernstück des Stundengebets, des offiziellen Amtsgebetes der Kirche, bilden.

Nur im Vorgriff auf ein demnächst hier anzusprechendes Thema sei vermerkt, daß die „Neue Einheitsübersetzung“ des Jahres 2016 diesen üblen Trend in ihrer Übersetzung der Psalmen noch einmal erheblich verstärkt hat. Die Psalmen, die nach den für die deutsche Kirche verbindlichen Büchern in Brevier oder in der Messe auftauchen, sind an vielen Stellen definitiv nicht die Psalmen, die Jesus und seine Jünger gebetet haben und die den Glauben der Kirche über die Jahrtausende mitgeformt haben. Doch nun zum Artikel von Fr. Hunwicke.

Typologie ist die Antwort

Der „Geist des Konzils“ ist auch daran beteiligt, daß heute viele Leute irrtümlich glauben, ‚das Konzil‘ hätte den Juden gesagt, sie müßten sich nicht (zu Christus) ‚bekehren‘.

Das ist ganz ähnlich wie bei der Liturgie: die Konzilsväter glaubten, daß sie mit Sacrosanctum Concilium den Auftrag zu einer gemäßigten Reform geben würden, die dem Latein im wesentlichen seinen Platz erhalten würde... und so weiter. Aber nach weniger als einem Jahrzehnt waren die Veränderungen weit über den tatsächlichen Text der Konzilsväter hinausgegangen. Und allmählich brachte man die Leute zu der Annahme, das Konzil habe befohlen, die Liturgie gänzlich in der Umgangssprache zu feiern und die Altäre nachgerade universell umzudrehen … und all das andere.

Nostra Ætate hatte ein ganz ähnliches Schicksal. Die Konzilsväter glaubten, sie würden eine umfassende Verurteilung antijüdischer Vorurteile und Verfolgungen aussprechen. Sie glaubten, damit das wenige in ihren Kräften stehende zu tun, um zur Versöhnung nach der Shoah beizutragen. Der Abscheu gegenüber dem, was weniger als zwei Jahrzehnte zuvor geschehen war, bewog sie zu starken Worten gegen den unsäglichen Schrecken, der das Gesicht Europas entstellt hatte, und auch gegen die Defekte einer christlichen Kultur, die dazu beigetragen haben mochten. Aber sie hatten nicht die Absicht, eine Irrlehre von „Zwei Bünden“ zu entwickeln, sie dachten noch nicht einmal in dieser Richtung. Und doch erzählte man nach wenigen Jahrzehnten den Gläubigen, das Konzil habe die Lehre, daß die Kirche als neues Bundesvolk an die Stelle Israels getreten ist, verworfen.

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So, wie es Millionen gibt, die nie eine Seite von Sacrosanctum Concilium gelesen haben, aber sicher sind, dort seien die liturgischen Brüche und Mißbräuche angeordnet worden, die schließlich daraus hervorgegangen sind, gerade so gibt es viel, die nie in Nostra Ætate geschaut haben und denen man die Unwahrheit über dessen Inhalt erzählt hat.

Aber wo ist die Sache schief gegangen?

Zunächst einmal zwei Dinge, die ich nicht vertrete. Ich bin zum einen nicht der Meinung, daß wir unsere missionarischen Bemühungen in bevorzugter Weise auf die Juden richten sollten. Ich habe mich nie vor eine Synagoge gestellt um dort Broschüren zu verteilen. Ebensowenig vor eine Moschee, eine Methodistenkirche oder einen Mormonentempel. Wie die meisten Geistlichen bin ich immer davon ausgegangen, daß es schon noch genügend Leute gibt, die zwar auf dem Papier zu meiner Kirche gehören, oder ihr aber völlig fernstehen oder doch nur am Rande an ihrem Leben teilnehmen. Und dann gibt es noch die Unmenge derer, die noch nicht einmal auf dem Papier zu irgend etwas gehören. Der Tag hat schließlich nur 24 Stunden – und tatsächlich hätte ich ein gewisses Unbehagen hinsichtlich der innersten Motive von Leuten, die sich zwar nachgerade besessen für die Bekehrung von Juden einsetzten, aber ansonsten wenig zur Bekehrung aller anderen täten.

Es gibt so etwas häßliches wie Antisemitismus (ich vermeide meistens den Ausdruck, weil die Araber schließlich auch Semiten sind). Aber letzten Endes gilt der Ruf des Evangeliums zum Glauben an Christus für alle Männer und Frauen und das schließt die Juden mit ein. Das gilt immer und überall und trotz allem. Es gibt keinen „Alternativen Bund“ - für niemanden, es gibt nur den einen Bund, der im Blut Christi geschlossen worden ist.

Zum anderen glaube ich überhaupt nicht, daß wir – außer, bestimmte Erfordernisse machen es unumgänglich – gegen andere Religionen predigen sollten. Ich denke, wir haben es versäumt, die eigene Religion angemessen zu verkünden.

Ein ganz wichtiges Beispiel : Die Typologie.

Der Exodus (mit dem Zug durch das Wasser des Roten Meeres) ist der Typos – die Taufe der Antitypos – und so weiter, es gibt viele Beispiele. Die Lehre von der Typologie macht deutlich, daß die Bestimmungen des Alten Bundes durch das Erlösungswerk Christi (im doppelten Sinne) „aufgehoben“ (gleichzeitig bewahrt und überwunden) worden sind. Die Typologie durchdringt die Heilige Schrift und die Werke der Kirchenväter. Sie ist die Christliche Hermeneutik für die Lektüre des Alten Testaments. Nach der Typologie deutet praktisch alles auf Christus hin oder ist eine Vorausschau auf Elemente des christlichen Lebens.

Weil die meisten Laien (und die Kleriker?) das gar nicht oder nur theoretisch wissen, kommt es zu der gewöhnlich unausgesprochen bleibenden Frage: Warum soll man denn überhaupt das Alte Testament lesen? Wozu brauchen wir all diese trostlosen und unverständlichen Psalmen? Oder bei der Oster-Liturgie: Ohne ein rechtes Verständnis der Typologie bleibt das unverständliches Gerede. Da liegen nun also die Ägypter tot am Strand. Die armen Ägypter. Was für ein schrecklicher Gott. Und alles so lange her. Warum um Himmels willen sitze ich hier und höre mir sowas an?

Ich glaube, ich habe niemals gehört, daß jemand anderes als ich selbst versucht hätte, dieses Thema in eine Predigt einzubeziehen. Ich versuche, den Gläubigen diese Dinge vorzutragen, wenn ich Exerzitien oder Fastenkurse halte – doch halt... da war doch etwas: Ich saß bei unseren Schulungskursen (für Ex-Anglikaner) im Priesterseminar von Allen Hall und wartete auf eine Vorlesung „Die katholische Herangehensweise an die hl. Schrift“ oder so ähnlich. Ich erwartete wenig anderes als eine Lektion in 60er-Jahre-Langeweile. Doch dann betrat Fr. John Hemer (hier kann man einige Predigten  von ihm herunterladen) den Raum und erklärte in einem klaren und brillanten Vortrag, daß die Typologie die katholische Herangehensweise an die hl. Schrift überhaupt ist. Das war für mich wie eine große Befreiung, und ich dachte, ich bin also doch nicht der einzige...

Um fair zu sein: Auch Kardinal Danielou hat sich 1956 in „The Bible and the Liturgy“ der Typologie gewidmet.

Und die Byzantiner sind in der Typologie richtig gut. (Unser Literaturhinweis: Patrick Henry Reardon, Christ in the Psalms) Wenn Sie es nicht ohnehin schon tun: Warum beten Sie nicht den Hymnos Akathistos? Und vielleicht könnten auch wir Anglikaner in Einheit mit Rom hier eine besondere Rolle übernehmen. Bei uns gab es John Mason Neale, der die Fenster seiner großen Konventskirche mit Typologie anfüllte. Oder Lionel Thornton, einen Angehörigen der Community of the Ressurection in Mirfield, der ein bekannte Typologiewissenschaftler war. Und Austin Farrer, und irgendwo in den Archiven des Instituts von Pusey House liegen die Skripten der Vorlesungen unseres großen Dr. Pusey, quo maior vix ullus.

Pusey! Wenn die Ordinariate überhaupt mehr Sinn haben sollen als nur das Überleben zu ermöglichen, dann besteht er darin, Pusey als einen großen Teil unseres Gepäcks und als einen besonderen Schatz des anglikanischen Erbes mit zu bringen, ein Geschenk von unermeßlichem Wert für die ganze Kirche. Möge er vor dem Thron der Gnade für uns seine Söhne im Ordinariat eintreten. Ach ja, und außerdem war er zusätzlich zu all seiner Vielgelehrtheit auch noch Professor für Hebräisch an dieser Universität.“

Soweit also Fr. Hunwicke - hier noch einmal der Link zu seinem Originaltext.

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