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Konturen einer Nationalkirche

Warum sollte man sich den täglichen Blick auf "katholisch.de" antun, wo man doch sicher sein kann, das das, was dort abgehandelt wird, in vielen Fällen gar nicht "katholisch" ist? Nun – das Portal mit dem anspruchsvollen Namen, das voll von den deutschen Bischöfen finanziert wird (aus der Kirchensteuer, versteht sich), protokolliert in erfreulicher Offenheit und Ausführlichkeit die Pläne und die bereits erreichten Stationen des Weges von der katholischen Kirche in Deutschland zur neuen Deutschen Nationalkirche. Hier ein paar Wegmarken aus der ersten Hälfte dieser Woche.

Beginnen wir vom 16. 9. mit einem Ausreißer insoweit, als der Wiener Kardinal Schönborn natürlich nicht direkt zur deutschen Nationalkirche gehört, sondern nur zu jener unheiligen deutschsprachigen Allianz, die aus dem Verwesungsprozess der Theologie in dieser Sprachgemeinschaft hervorgegangen ist. Unter der Überschrift "Darum hat der Papst den Katechismus geändert" versucht es der Kardinal, der es doch gerade in Sachen Katechismus besser wissen sollte, am Zeitgeistthema 'Ablehnung der Todesstrafe' mit einem Kartentrick: Gestern glaubten wir so – heute glauben wir anders; Papa vult.

Als ob der Papst durch eine Änderung des Katechismus den Glauben der Kirche ändern könnte. Der Katechismus war nie und ist auch heute nicht ein Buch, das der Kirche ihren Glauben vorschreibt, sondern er ist ein Buch, das mit mehr oder weniger praktischer Zielsetzung das zusammenfasst, was die Kirche glaubt und nach der heiligen Schrift und dem Zeugnis ihrer Väter und Lehrer immer geglaubt hat. Den Reformern wäre sicher viel daran gelegen, den Katechismus in dem Sinne umzudeuten, daß man durch seine Manipulation den Glauben der Kirche einfach so ändern könnte – erst recht, wenn es in dem einen oder anderen Fall gelingt, einen theologisch irrlichternden Papst als Autor zu gewinnen – doch so funktioniert das nicht. Der Katechismus setzt nicht den Glauben, sondern er ist seine Referenz. 

Der in dem Artikel des Kardinals ausgedrückte Hyperpapalismus widerspricht im Übrigen nur scheinbar dem antirömischen Trend des Nationalkirchentums: Gerade die deutschsprachigen Bischöfe haben eine lange Tradition darin, päpstliche Äußerungen, die ihnen in den Kram passen, als Aussagen höchster Autorität für ihre Propaganda einzusetzen, während sie gleichzeitig die, die ihnn lästig sind, verschweigen oder umdeuten. Hier geht es weiter

Als ein Beispiel dafür mag man den am 17. 9 erschienenen Beitrag Reformprozess kein "deutscher Sonderweg" des Freiburger Oberhirten Burger nehmen. Gerade haben römische Dikasterien und sogar Franziskus selbst unter Hinweis auf entsprechende Anzeichen vor einem "Sonderweg" gewarnt, erklärt Burger ohne rot zu werden, davon könne keine Rede sein – nicht freilich ohne hinzuzufügen, Es gehe darum, "einen Weg zwischen Tradition und den Zeichen der Zeit zu gehen." Natürlich hat niemand die Absicht, von der Tradition abzugehen – man folgt nur der Notwendigkeit, denn so sind sie halt, die Zeichen der Zeit.

Der ziemlich plumpe Versuch gibt übrigens einen Vorgeschmack davon, was am Ende des "Synodalen Weges" stehen dürfte: Selbstverständlich werden die Deutschen Bischöfe Sonderwege vorschlagen, selbstverständlich wird Rom sie ganz oder teilweise zurückweisen, natürlich wird man sie in Deutschland dennoch gehen – aber bestreiten, daß es so ist, wie jeder sehen kann - und natürlich wird Rom beflissen darüber hinwegsehen.

Am gleichen Tag (17.9) zeichnet Paul Hartmann sein Priesterbild der Zukunft dessen Beschreibung der Vorspann der Redaktion mit dem Hinweis einleitet: "Von Priestern wird heute etwas ganz anderes erwartet als noch vor einigen Jahrzehnten oder gar in früheren Jahrhunderten." Und dazu stellt die Redaktion, damit auch die Dümmsten sehen, worum es geht, ein Bild, von einem Priester bei der Feier der Messe nach dem überlieferten Ritus – "mit dem Rücken zum Volk" wie man in diesen Kreisen zu sagen beliebt.: So geht es doch wirklich nicht mehr!

Gleich im ersten Satz schlägt Hartmann den passenden Ton an, wenn er von der "Jobbeschreibung" des Priesters spricht. Die sieht nach der Bibel, so wie er sie liest, so aus: "Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein." (Mk 9,35) Ein Diener soll der Priester sein, das hält auch das Zweite Vatikanische Konzil fest." Dem folgt eine von keiner theologischen oder historischen Kenntnis getrübte Abhandlung, die die allmähliche Umwandlung des von Jesus gewollten Dieners der Gemeinde in eine vom Klerikalismus geprägte Respektsperson, als deren Abschreckendstes Beispiel der hl. Pfarrer von Ars namentlich genannt wird. Also den Mann, den Papst Benedikt zum Patron des Priesterjahres machen wollte - womit man ihn freilich nicht hat durchkommen lassen.

Die Wende weg von Mittelalter und Ars kommt für Hartmann "erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). In der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" sieht sich die Kirche als in der Welt agierende Institution, die auch die Entwicklung der gesamten Gesellschaft beeinflussen und bereichern will. (Nr. 44) In der Folge entsteht eine Generation Priester, die das Hineinwirken in die Gesellschaft als Kernpunkt ihrer Aufgabe versteht und für die die Nähe zu den Gläubigen zentral ist."

Leider, so der weitere Fortgang des Artikels, bleibe auch die seitdem einsetzende Weiterentwicklung des Priesterberufes noch weit hinter den Anforderungen der Zeit zurück. Davon, wie diese aussehen, vermag freilich auch Autor Hartmann kein detaillierteres Bild zu zeichnen. Als Stichworte bietet er Fortbildung zur geistlichen Begleitung und Gesprächsführung, zu Techniken partizipativer Führung und zu missionarischem Handeln an und schließt: Wichtig am Priester ist, dass er auf Christus verweist und überzeugend lebt – nicht, dass er gut funktioniert!" Worin man ihm noch nicht einmal widersprechen möchte, wüsste man nur, was er damit meint.

Der 18. 9. erweitert die deutschsynodale Perspektive um einen amazonischen Seitenaspekt, wenn ein Gastautor den Standpunkt vorträgt: Der interreligiöse Dialog ist genauso wichtig wie der "synodale Weg". Ökumene alten Typs gilt mit Kanzeltausch, und faktischer Interkommunion sowie Hinwendung zur protestantischen Lima-Liturgie als abgehakt – nun wirft man das Netz weiter aus, wobei man die sog. Abrahamitischen Religionen bevorzugt, aber auch keine anderen ausschließen will. Die profunde Verlogenheit der Veranstaltung erweist sich im genannten Artikel an einer Aufzählung der eines Dialogs unwürdigen "intoleranten" Kräfte. Namentlich genannt werden nationalistische Hindus, "gegen Muslime hetzende" Buddhisten in MyanMar sowie – unter hervorgehobener Anführung des Unterteufels Bolsonaro - "evangelikal-biblizistische Neo-Freikirchen in Lateinamerika". Fehlt da nicht was? Stehen nicht die großen Christenverfolgungen der Epoche unter dem roten Banner Maos und der grünen Fahne des Propheten? Nicht nur hier wird kenntlich, daß Unterwerfung unter aktuelle politische Interessen – und das ist mehr als nur ein Körnchen Weihrauch für die Staatsgätter – ein Hauptelement der ganzen Veranstaltung "Nationalkirche" darstellt.

Ebenfalls der 18. 9 bringt ein langes Interview mit der stellvertretenden Bundesvorsitzenden des "katholischen" Frauenbundes Agnes Wuckelt, die so tut, als ob sie vor Kraft kaum gehen könnte. Sie fragt sich ganz ernsthaft: "Was ist die Botschaft des Evangeliums? Lassen sich die Dogmatisierungen und Festlegungen der vergangenen Jahrhunderte mit ihr vereinbaren?" und lässt keinen Zweifel daran, daß sie berufen ist, das alles ins Lot zu bringen. Frauen als Generalvikarin reichen ihr nicht aus – sie will die Weiheämter, denn offenbar werde "nicht in den Blick genommen, dass es eine geistliche Berufung von Frauen zum Priesteramt gibt. Gerade diese wird Frauen aber unter anderem in der Enzyklika "Ordinatio sacerdotalis", die das Priestertum für Frauen explizit ablehnt, abgesprochen."

Derlei, so hoffe sie, werde denn doch geändert, und möglichst gleich im globalen Rahmen: "Natürlich ist Deutschland ein kleiner Fleck auf der Erdkugel, aber wir sind eine der reichsten Kirchen der Welt. Dadurch erhalten wir schon eine gewisse Aufmerksamkeit. Von daher könnte das, was bei uns geschieht, eine Ermutigung für andere Bischofskonferenzen sein, genau diesen Weg zu gehen."

Das Interview vermittelt einen erschütternden Einblick in die bei Frager und Befragter zu konstatierende völlige Unkenntnis dessen, was die Lehre der Kirche ist und worin sie sich begründet. Aber darin, daß letzten Endes das Geld den Ausschlag gibt, scheinen sie sich einig zu sein.

Der Vormittag des 19. 9 – und das bedeutet für diesen Überblick Redaktionsschluss – bringt eine äußerst wohlwollende Besprechung von Pfarrer Stefan Jürgens' soeben veröffentlichter Kampfschrift "Ausgeheuchelt". Zitatschnipsel aus der Besprechung:

Der Priester, zu dessen aktueller Gemeinde die Initiatorinnen der Protestbewegung Maria 2.0 gehören, fordert unter anderem den Zugang von Frauen zu den Weiheämtern, die Aufgabe des Pflichtzölibats und einen wertschätzenderen Umgang mit Homosexuellen. (...)

In der Ablehnung des Weiheamtes für Frauen sieht der Autor "nichts weiter als eine uralte religiöse Ideologie". Papst Johannes Paul II., der 1994 die Frauenweihe endgültig ausschloss, wirft er eine "alte Basta-Politik" vor - "als wenn Lehrmeinungen für alle Zeiten unabänderlich wären. Von wegen!" (...)

Erhebliche Zweifel äußert der Geistliche am Zölibat. Das Priesterideal werde "nur noch zum Schein aufrecht erhalten" und in vielen Teilen der Welt von vornherein nicht gelebt. Durch den Zölibat solle ein Priester "den "Anschein des Übermenschlichen" tragen - für Jürgens "frommer Zauber für religiös Unaufgeklärte".

Aus der Sicht des Insiders (der freilich längst nach "außen" übergelaufen zu sein scheint) konkretisiert das Buch geradezu vorbildlich die von Theoretikern wie Hartmann propagierte "Dekonstruktion" des Priesterbildes.

So werden die Konturen der deutschkatholischen Kirche in vielen Beiträgen auf dem Publikumsportal der deutschen Bischöfe bereits bis in die Details vorgezeichnet und ausgefüllt. Da soll wohl tatsächlich kein Stein auf dem anderen bleiben. Wer nicht vom Ausgang der ganzen Sache eines Tages unliebsam überrascht werden möchte, tut gut daran, das deutschkatholische Webportal mit dem irreführenden Titel im Auge zu behalten.

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