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Monologischer Dialog zum Schisma

Bild: Von der Website des AutorsFr. Hunwicke hat am 29. und 30. September in einem „Monologischen Dialog“, wie das so seine Art ist, einige Gedanken zum Thema „Schisma“ vorgetragen. Keine Rezepte - aber verschiedene Aspekte, die allen, die beunruhigt in die Zukunft der Kirche schauen, ein paar Leitplanken zum Nachdenken über das so massiv in den Mittelpunkt rückende Thema geben können. Die Beiträge sind unter den Titeln A futuristic "Bloody Question" und Pope Philogynes the First auf Hunwickes Blog liturgicalnotes.blogspot.com erschienen. Wir bringen beide Texte im Zusammenhang.

Eine Frage auf Leben und Tod

Die Frage auf Tod und Leben der Schergen von Elisabeth Tudor war, wenn ich mich recht erinnere, „Wenn eine päpstliche Armee unser Land angreifen würde – würden Sie für die Königin oder für die Eindringline kämpfen?“ Frage auf Tod und Leben deshalb, weil man damit vor ein überaus schmerzliches Dilemma gestellt wurde. „Für die Königin“ würde heißen, gegen die Angehörigen der gleichen Religion zu kämpfen, „für die Eindringlinge“ wäre die Selbstbezichtigung als Verräter.

Damals in den 90ern stellte man (in der Church of England) Leuten, die Probleme mit der Priesterweihe für Frauen hatten, gerne die Frage: „Aber was werden sie tun, wenn Rom selbst dazu übergeht?“ Antwortete man dann: „Ich werde Rom folgen“, dann mußte man mit der Reaktion rechnen: „Ja, wenn Sie das von Rom akzeptieren wollen – warum machen Sie denn jetzt so einen Aufstand? Warten wir doch mal ab, ob Rom hier etwas ändert“. Eine Antwort wie „Dann werde ich Orthodox“ würde bedeuten, sich als Super-Protestanten zu bekennen, der nicht das Lehramt der Kirche akzeptiert, sondern sich die Kirche dem eigenen Lehramt unterwirft. Ob man sich für den Katholizismus oder die Orthodoxie entscheidet, sollte doch auf gründlicheren Überlegungen beruhen als einer aktuellen Kontroverse – und wenn man sich dann einmal entschieden hat, sollte man auch dabei bleiben und sämtliche damit verbundenen Konsequenzen akzeptieren.

Politiker sind schlau genug, sich nicht mit Journalisten über mögliche Konsequenzen von Entscheidungen einzulassen. Sie wissen: Es gibt unendlich viele mögliche Konsequenzen, einige davon mehr, andere weniger wahrscheinlich. Sich mit einem Interviewer darüber in eine Diskussion ziehen zu lassen heißt, daß es ihm früher oder später gelingen wird, einen als Deppen dastehen zu lassen.

Einen Ausweg sehe ich darin, das Spiel mit den denkbaren Konsequenzen selbst mitzugestalten und den gefährlichen Sumpf des Reichs der Möglichkeiten dem Feind nicht allein zu überlassen. Es folgt ein Beispiel dazu.

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Papst Philogynes (Frauenfreund) I.

Also gut – sprechen wir über die Frage, was wir tun sollen, wenn der übernächste Papst – nennen wir ihn Philogynes I. - Frauen zu den heiligen Weihen zuläßt.

„Lassen sie mich erst das Szenario noch ein wenig zu Ihrem Vorteil umgestalten und dabei ein oder zwei kleine Lücken in ihrem höchst interessanten Entwurf ausfüllen. Derzeit ist es mit der Autorität des Lehramtes der Kirche entschieden, daß Frauen die heilige Weihe nicht empfangen können. Das wurde unfehlbar festgestellt. Als Johannes Paul II. Ordinatio Sacerdotalis veröffentlichte, ließ er keinen Zweifel daran, daß dessen Aussagen, auch wenn sie nicht ex cathedra vorgetragen wurden, dennoch als Aussage des ordentlichen Lehramtes der Kirche unfehlbar waren, weil dieses eben unfehlbar ist.

Nun, ja, sie wenden ein, daß Philogynes um OS zu relativieren, einfach erklären könnte, daß es eben doch kein Bestandteil des Ordentlichen Lehramtes gewesen sei. (Das Dokument) sei ja gut und schön und seinerzeit sicher auch richtig gewesen, doch nun ergäben sich neue Gesichtspunkte, die weitere Perspektiven erschlössen, vor deren Hintergrund die bindende Wirkung neu zu bewerten sei.
Netter Versuch.

Aber erinnern sie sich daran, was nach dem II. Vatikanischen Konzil geschah, das seiner Selbstbeschreibung nach kein dogmatisches Konzil war. Nicht-dogmatische ökumenische Konzilien sind von ihrer Anlage her für die Geschichte der Kirche so wenig bedeutsam, daß die Akten einiger davon in Vergessenheit geraten sind, ohne die geringsten Spuren zu hinterlassen. Aber die liturgischen Konsequenzen selbst dieses (sub specie aeternitatis gesehen) sehr kleinen ökumenischen II. Vatikanischen Konzils haben ein Schisma ausgelöst. Und das entstand sogar ungeachtet dessen, daß diejenigen, die im Gottesdienst alles neu machten, dabei weit über den eigentlichen Auftrag des Konzils hinaus gingen. Und seine Lehre über die Religionsfreiheit hat dieses Schisma noch vertieft, obwohl die Lehre des Konzils, die schon dem ersten Anschein nach dem vorhergehenden Lehramt widersprach, in diesem Punkt gar nicht als bindend (de fide) festgeschrieben worden war – eben weil das II. Vaticanum es sich gar nicht zur Aufgabe gestellt hatte, bindende Glaubenssätze und Bannsprüche zu verkünden.

Selbst aus so vergleichsweise unbedeutenden Gründen konnte also ein dauerhaftes Schisma – auch wenn von eher geringem Umfang – entstehen. Und nun überlegen Sie sich mal, was für eine Katastrophe unvermeidlich eintreten müßte, wenn Philogynes versuchen wollte, eine Lehre zu ändern, die einst mit dem U-Wort, der schrecklichen Anrufung der Unfehlbarkeit, ausgesprochen worden war. Die Spaltungen, die selbst in der freundlichen „Jeder nach seiner Facon“-Kirche der Anglikaner aufbrechen, wären nur wie ein kleiner Sommerschauer im Vergleich zu dem, was dann in der katholischen Kirche los wäre.

Bedenken Sie auch die theologischen Auseinandersetzungen über den Status eines Papstes, der in eine formale Häresie verfällt. Diese Frage würde ganz unvermeidlich aufgeworfen, wenn Philogynes eine Erklärung aufheben wollte, die einige seiner Vorgänger – wie gut begründet auch immer – als unfehlbar erklärt hatten. Wir können uns sicher sein, daß dissidierende Kardinäle sich versammeln und einen Nachfolger wählen würden – Johannes Paul III. vielleicht. Bedenken Sie einmal, wie das war, als Kardinäle Urbans VI., die sauer waren, weil man sie zunächst zu dessen Wahl genötigt hatte und dse dann auch noch mit anhören mußten, wie er gelegentlich einige ihrer Mitbrüder zu Tode foltern ließ (was übrigens in dogmatischer und lehramtlicher Hinsicht eher eine Bagatellen war) , wie sie also ein neues Konklave und eine neue Wahl veranstalten. Das ganz führte schließlich dazu, daß wir zwei, nein, sogar drei Päpste hatten, die sich um den Stuhl Petri stritten, und so kam es zum großen abendländischen Schisma. (Anmerkung unten)

Für die einzelnen Katholiken vor Ort hatte dieses Schisma übrigens vergleichsweise geringe Auswirkungen, weil die Frage, zu welchem Papst sie gehörten, nach staatspolitischen Überlegungen über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde. Unter den Bedingungen der Moderne müßte jeder Katholik für sich entscheiden, wer der richtige Papst wäre.

Was sagen Sie? Ein Konzil, Vatikan III.?

Ja sicher – aber bedenken Sie, daß es auch ‚ökumenische Konzilien‘ gegeben hat, die später zu „Räubersynoden“ erklärt wurden. Jeder Papst könnte sein eigenes Konzil veranstalten, und man würde sich reihum mit Bannsprüchen belegen, daß es eine Pracht ist.

In diesem Fall wäre ich in der gleichen unerfreulichen Lage wie jeder andere Katholik auch. Das wäre eine sehr üble Lage, aber ich denke, ich müßte einige Entscheidungen treffen. Ich habe den Verdacht, ich würde mich für Johannes Paul III. und damit für Kontinuität entscheiden.“
Um ehrlich zu sein glaube ich aber nicht, daß es zu einer derartigen Entwicklung kommt. Deshalb habe ich ja zunächst auch mit einer Antwort gezögert.Selbst die „liberalsten“ katholischen Bischöfe würden wohl in ihrer DNA einen Instinkt vorfinden, der darauf drängt, den Laden zusammen zu halten – und das würde sie vom Bruch abhalten. Aber es wäre sicher eine tolle Zeit für Journalisten, und ich sehe schon, warum Sie es gar nicht abwarten können.

*

(Anmerkung) E.L. Mascall hat einmal darauf hingewiesen, daß es nie eine lehramtliche Entscheidung gab, die abschließend befunden hätte, welche „Linie“ von Päpsten denn nun die richtige war. Allerdings gab es einen breiten de-facto-Konsens, daß Urban trotz seiner Mordlust Papst war. Ich möchte auch noch darauf hinweisen, daß Papa Borgia 1492 den Namen Alexander VI. annahm – das impliziert, daß nach seiner Rechnung der pisanische Gegenpapst Alexander V. tatsächlich Papst war. Mascall fügte noch hinzu, daß es auf beiden Seiten des Schismas heiligmäßige Menschen gab, die später von der ganzen Kirche als Heilige anerkannt wurden. In einem gewissen Sinne ist das große abendländische Schisma damit bis auf den heutigen Tag noch nicht ganz überwunden.

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