Gibt es ein „Geheimes Lehramt“?
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- 18. Januar 2020
Die heute endende Woche war geprägt vom Lärm um das Buch von Benedikt XVI. und Kardinal Sarah, das nicht von Benedikt sein darf - und der Aufruhr ist noch lange nicht zu Ende. Viele Fragen sind offen, und eine irritiert uns ganz besonders: Wieso glüht eigentlich die Luft von Anschuldigungen gegen die beiden Autoren, sie hätten einen Angriff auf Papst Franziskus unternommen, wo sie doch in ihren Texten keine andere Position vertreten als die, zu der sich auch Franziskus mehrfach öffentlich und in starken Worten bekannt hat?
Hier für alle, die die früheren Einlassungen des Papstes zum Thema nicht in Erinnerung haben oder es müde sind, sich auf seine vielfach widersprüchlichen Aussagen zu berufen: Noch als Kardinal hat Bergoglio in einem Gespräch mit Rabbi Abraham Sorka betont, daß er den Zölibat vorbehaltlos unterstütze - „mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen, denn in 10 Jahrhunderten hat es mehr positive als negative Erfahrungen gegeben. Tradition hat ihr Gewicht und ihren Wert“. Im vergangenen Januar erinnerte Franziskus gegenüber Journalisten an einen Satzvon Paul VI., der gesagt hatte: „Ich würde lieber mein Leben opfern als das Gesetz über den Zölibat zu ändern“. In eigenen Worten fügte er dann hinzu: „Ich persönlich denke, daß der Zölibat ein Geschenk für die Kirche ist. Ich stimme einem ‚optionalen‘ Zölibat nicht zu, nein.“ Er hielt die Möglichkeit eng begrenzter Ausnahmen für abgelegene Gebiete „wie etwa die pazifischen Inseln“ offen, um dann einzuschränken: Dazu kann ich mich nicht entschließen. Ich bin gegen eine Freigabe der Eheschließung vor dem Diakonat. Das ist nun mal meine Meinung. Ich möchte das nicht machen, das ist klar. Bin ich damit „engherzig“? Mag sein. Aber ich möchte nicht mit dieser Entscheidung vor Gott treten.“ (Zitiert bei Vatican News)
Das ist vielleicht nicht die denkbar stärkste Begründung des Zölbats – sie bleibt in der Sphäre von Praxis und Tradition und es fehlt vollständig die theologische Ebene – aber sie markiert doch eine unmißverständliche Position. Wie können dann Ausführungen wie die von Benedikt und Sarah, die diese Position unterstützen und theologisch untermauern, so lautstark als unerträglicher Angriff auf Franziskus skandalisiert (hier eine aussagekräftige Zusammenstellung) werden?
Die nächstliegende Antwort auf diese Frage ist, daß genau diese theologische Untermauerung des Zölibats als Kernelement des Verständnisses vom Priestertum den Zorn der Reformtruppe hervorgerufen hat: Für die Änderung einer bloßen „Tradition“ oder „Rechtsregelung“ glauben sie bei Franziskus leichtes Spiel zu haben . Mit der jetzt in die Diskussion gebrachten klassischen theologischen Begründung wird das wesentlich schwieriger.
Es gibt aber auch noch eine zweite denkbare Antwort, auf die dieser Tage Fr. Raymond de Souza im National Catholic Reporter hingewiesen hat. Sie steht nicht im Widerspruch zur ersten, sondern bringt zusätzliche Aspekte ins Spiel, die überdies noch weitere Merkwürdigkeiten dieses Pontifikats erklären können. Danach unterstellen die engsten Mitarbeiter und viele journalistische Unterstützer des Papstes, daß es bei Franziskus neben dem offiziellen Lehramt auch ein davon vielfach abweichendes „geheimes Lehramt“ gebe, mit dem er – zurückhaltend ausgedrückt - „unorthodoxe“ Lehren verkündet und Ziele anstrebt, die über den Rahmen des bisher in der Kirche Denkbaren hinausgehen. De Souza schließt:
Die linke Presse leistet dem Papst wahrhaftig einen schlechten Dienst, wenn sie andeutet, daß er Tricks anwendet oder in manipulativer und täuschender Absicht in der Öffentlichkeit das Eine lehrt und privat auf das Andere hinarbeitet. Es wäre respektvoller, anzunehmen, daß der Heilige Vater nicht das sagt, was er für wahr hält.
Doch es gibt kein „geheimes Lehramt“. Benedict und Kardinal Sarah stehen in voller Übereinstimmung mit der katholischen Lehre, und Papst Franziskus ebenso.