Theologischer Ponyhof
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- 25. Januar 2020
Eine Woche vor Beginn der ersten Zusammenkunft des Synodalen Weges müssen die bedauernswerten Leser von katholisch.de ein wahres Bombardement von Reformforderungen unterschiedlicher Kaliber über sich ergehen lassen. Daß Funktionäre wie der (nominell katholische) Zentralkomitee-Vorsitzende Sternberg oder der (nominell evangelische) Ministerpräsident Söder lautstark verlangen, der Papst müsse nun aber endlich in Sachen Frauenweihe und Priesterehe den Zeichen der Zeit folgen – geschenkt. Irritierender erscheinen die „theologischen“ Begründungen solcher Forderungen, die aus den Reihen theologischen Fakultäten vorgetragen werden – allen Ernstes und ganz ohne rot zu werden.
Was geht denn im Kopf einer Kirchenrechtlerin wie Sabine Demel (Regensburg, geb. 1962) vor, wenn sie die Forderung nach grundstürzenden „Reformen“ „ganz ohne Gesetzesänderungen“ damit begründet, die Kirche als „geschwisterliche Gemeinschaft“ verlange „strukturelle Gleichheit im Zugang zu den Diensten und Ämtern, ohne Einschränkungen wegen des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder des Lebensstandes“. Im Kirchenrecht steht jedenfalls anderes – da wäre ohne Änderung gar nichts zu machen. Und wäre z.B. wirklich rechtlich zu ändern, daß etwa der „Lebensstand“ (wir denken z.B. an eine gleichgeschlechte Verpartnerung) keine Rolle für den „Ämterzugang“ spielen sollte, ohne die gesamte apostolische Lehre von Sünde, Gnadenstand und den Sakramenten zu verwerfen? Natürlich gibt es Leute, die das wollen – aber wie kann eine Kirchenrechtlerin so tun, als ob man das „ganz einfach so“ machen könnte? Und ist die Formel von der „geschwisterlichen Gemeinschaft“ als Beschreibung des Wesens der Kirche ausreichend, am Ende sogar zwingend, um die verlangten Änderungen zu begründen? Steht das so wirklich im Evangelium? Oder gehört nicht auch anderes zum Wesen der Kirche, zumindest der katholischen, das solchen Forderungen entgegen stehen könnte? Ist gerade Wunschkonzert?
Und dann lesen wir da einen Aufsatz des Dortmunder Theologieprofessors Thomas Ruster (geb. 1955), der naßforsch dazu auffordert, das Priesteramt völlig neu zu denken. In Anlehnung an die Beschreibung des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen als „prophetisch, königlich und priesterlich“ will er es in drei Ämter aufteilen – die dann demokratisch vergeben und für alle zugänglich sein sollen. Weiß der Mann nicht, daß auch das von ihm zur Rechtfertigung seiner atemberaubenden Vorstellungen herangezogene 2. vatikanische Konzil auf einem wesensmäßigen Unterschied zwischen dem „allgemeinen Priestertum“ und dem sakramentalen Amtspriestertum besteht? Oder ist es ihm einfach egal? Wem schreibt Ruster denn die Vollmacht zu einer derartigen Dekonstruktion mit anschließender Neuentwicklung eines Sakramentes zu? Soll die Technischen Universität Dortmund, an der Ruster vor allem für Didaktik der Theologie in der Lehrerausbildung tätig ist, richten, wozu selbst der Papst nicht bevollmächtigt und im Stande wäre? Am Neujahrstag zuviel Wunschpunsch gehabt?
Auf ähnlich theologisch unterirdischem und dabei von Selbstüberhebung gekennzeichneten Niveau operiert der Freiburger Dogmatiker Karlheinz Ruhstorfer (geb. 1963), der jetzt fordert, die Kirche müsse „katholischer“ werden. Aber beileibe nicht etwa in dem Sinne, wie es im Katechismus steht. Dieses „katholisch“ steht für ihn für eine angeblich in konfessioneller Abgrenzung erstarrte Kirche „nach Trient“, die den „Anschluß an die neuzeitliche Dynamik“ nicht nur verpasst, sondern ausdrücklich verweigert habe. Noch schlimmer wurde es mit dem 1. Vatikanum: „Katholisch sein hieß fortan: gegen Demokratie, gegen Sozialismus, gegen Aufklärung, gegen Evolutionstheorie, gegen Pressefreiheit und Religionsfreiheit, kurz, gegen Neuzeit und Moderne zu sein. “ Das 2. Vatikanum habe zwar einige Reformen durchgesetzt, „ ein epochaler Paradigmenwechsel“ blieb jedoch aus. Die Bemühungen nach dem Konzil, Welt und Kirche radikal, das heißt von der Wurzel her zu versöhnen, schlugen nicht an beziehungsweise wurden in den Pontifikaten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. weitgehend abgewürgt. Die dringend gebotene Wurzelbehandlung blieb aus.“
Da geht Ruhstorfer jetzt beherzt ran „Mehr denn je braucht unsere Zeit universale Institutionen und globale Vermittlungsinstanzen. Die katholische Kirche könnte durchaus ein Global Player im Wahrheitsdiskurs unserer Tage werden, (…) Doch um dieser Bestimmung gerecht zu werden, bedarf es der Befreiung des ‚Katholischen‘.“ Heraus aus der konfessionellen Enge, hin zum letztlich alle Religionen und Denksysteme überspannenden Allgemein. „Den Mitgliedern jeder besonderen Religion und Konfession kommt es zu, sich um die Rolle der eigenen Gemeinschaft im Horizont globaler Identität und Katholizität zu sorgen. Gerade der katholischen Tradition sollte die Katholizität, also die Sorge um das Allgemeine, in ihr Wesen eingeschrieben sein.“
Damit ist die Umkehrung des bisherigen Verständnisses komplett: Der von Christus den Aposteln anvertraute Glaube war „allgemein“, weil er die göttliche Wahrheit allen Menschen zugänglich machte. Das neue „katholisch“ ist das zur jeweiligen Zeit vorgefundene Allgemeine, das als Destillat des kleinsten Gemeinsamen alle (ver)bindet – nicht unter dem Gebot Gottes, sondern „als Zeichen der Einheit von Gott und Mensch sowie der Einheit der Menschen untereinander“.
Man sieht: An den theologischen Fakultäten, zumindest an einigen, geht es zu wie auf dem Ponyhof für die 5-Jährigen: Wünsche sind Wirklichkeit, kaum daß sie gedacht sind. Recht, Gesetz, Traditionen? Göttliches Gebot und Auftrag gar? Die moderne Theologie denkt sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Und die Bischöfe geben ihren Segen dazu. In der geistigen Wüste, die sich an den Fakultäten in den letzten Jahrzehnten ausgebreitet hat, ist auf weitere Jahrzehnte kein neues Leben zu erwarten.