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„Ich, Bergoglio“ – Abdankung oder Selbsterhöhung

screenshotEin Kommentar zur päpstlichen Titulatur von Franz N. Otterbeck, Kevelaer/Köln

Vor wenigen Tagen haben die Stadt Rom und der Erdkreis - mitten in der Krise - einen besonderen Segen empfangen. Im Namen der ganzen Kirche Gottes trat der Stellvertreter Christi auf Erden auf: segnend, Nachlass, Vergebung und Verzeihung gewährend. Papst Franziskus ist der 265. Nachfolger des in Rom gekreuzigten Apostelfürsten Petrus, dessen Wirken bis ins Martyrium nach göttlichem Ratschluss das Felsenfundament der einzigen Kirche Christi ist. Deshalb erhebt sich über dem Grabe Petri die weltberühmte Basilika, die den Namen des Felsen, des Kephas trägt. Deshalb umarmen die Kolonnaden des Petersplatzes die ganze Welt, besonders wenn diesmal der Platz bewusst leer bleibt, offen für alle Leidenden der Gegenwart. Mit dieser Segensgeste trat J.M. Bergoglio SJ so eindeutig als Erster Priester Christi global in Erscheinung, als Summus Pontifex, wie selten zuvor in seinem siebenjährigen Pontifikat. Die Wucht der Fernsehbilder durfte aber weder auf ARD noch ZDF die deutschen Antikatholiken verstören. Sogar auf "Bayern 3", früher papstnah, musste kurz eine absurde "Rundschau" eingefügt werden, damit der eucharistische Segen nicht etwa ganz subtil die Gottlosen oder Protestanten übermanne ... Willkommen sind Bilder und Worte des Heiligen Vaters im "deutschsprachigen Raum" anscheinend medial nur dann, wenn sie mit dem uralten "Reichs-Ressentiment" zu harmonieren scheinen, das da sagt, dass der anständige Deutsche (Niederländer, Schweizer, Österreicher ...) nicht wirklich römisch-devot katholisch sein kann.

Als lange schon verschmähter Ultramontaner, bestgehasst von DBK und ZdK, konnte man jetzt einige Tage aufatmen und dankbar nach Rom blicken, vielleicht wie zuletzt bei der Beisetzung für Johannes Paul II. vor fünfzehn Jahren; oder auch am 30. Juni 1963 noch hoffnungsvoll, als Paul VI. gekrönt wurde (im "alten Ritus"). In diesen Tagen sah ich Bilder dieser jüngsten Papstkrönung erstmals mit Wehmut. Tragstuhl, Pfauenwedel, Dreifachkrone --- das war mir als Montinianer, einem Fan des "echten" Santo Paolo Sesto also, alles unwichtig gewesen. Aber ganz plötzlich leuchtet uns ein, dass die päpstliche Selbstdarstellung ein bestimmtes Niveau nicht unterschreiten darf: Denn es wurde jetzt eine redaktionelle Fehlleistung des Päpstlichen Jahrbuchs publik, die Kardinal Müller sofort als "theologische Barbarei" zensierte. Man sollte es nicht als banal abtun, wenn das Druckbild im "Annuario" 2020 abermals geändert wird. Es sind zwar keine "historischen Titel" des Papstes durch rechtlich verbindlichen Akt "abgeschafft": Stellvertreter Christi, Nachfolger Petri, Diener der Diener Gottes ... Alle diese Titel bleiben real, da sie eine Realität beschreiben, die redaktionell nicht beseitigt werden kann. Zweifelhaft war in der päpstlichen Titulatur nur der recht späte Zusatztitel "Patriarch des Abendlandes", den Benedikt XVI. in Fortfall brachte. Dies geschah übrigens einerseits mit Rücksicht auf die Orthodoxie, aber andererseits zur Klarstellung: Das Papsttum der Zukunft kann nicht auf ein "Patriarchat" unter mehreren reduziert werden. Der Petrusdienst ist einzigartig und bleibt es, unter allen Anfechtungen.

Hier geht es weiterZu diesen Anfechtungen gehört aber - horribile dictu - auch das noch: 'Jorge Mario Bergoglio' steht auf der bewussten Seite im Jahrbuch groß in der ersten Zeile, während die "titoli storici" auf die untere Hälfte der Seite verbannt sind. Diese Optik wirft noch andere Fragen auf als nur die nach der "theologischen Barbarei", die da zweifellos passiert ist. Ist denn nicht auch, gleichzeitig, dem regierenden Papst, entgegen aller gezeigten Demut hier oder dort, mit diesem 'Knick in der Optik' eine peinliche Selbstüberhöhung unterlaufen? "Ich, Bergoglio ..."? Vielleicht hat er schlicht altersbedingt nicht mehr gesehen, was für ein fatales Bild es abgibt, wenn nicht mehr "servus servorum Dei", Diener der Diener Gottes, VOR dem zivilen Namen des petrinischen Amtsträgers erscheint, sondern nur noch verloren am Textrand unten.

Immer schon standen Pomp und Ansprüche der Päpste in der Kritik, von links bis rechts, aber diese Ansprüche und ihr Pomp hatten immer dabei: jene Unterschiedlichkeit des Reiches Christi, das nicht von dieser Welt ist. So auch die Titulatur, die durch die Betonung des Dienstes gekrönt wird, mit der sie abschloss. Der Stolz der Dreifachkrone, der Tiara, mit der an Seinem Feiertag der hl. Petrus in Seiner Basilika immer noch symbolisch geschmückt wird, bestand immer zugleich im Protest gegen die relativ vergänglichen Kronen dieser Welt. Zur Krönungsliturgie war die Applikation der "metallischen Bombe" immer nur Zutat. Im Mittelpunkt stand das hl. Messopfer, das jeder Priester, auch der zu krönende Pontifex, in persona Christi zelebriert. Nach der Liturgie bekam der Papst, nicht zuletzt, um alle Kronen dieser Welt zu relativieren, mithin auch die "pseudo-monarchischen" Titel der Despoten (Duce, Führer, Generalsekretär des ZK der SED usw.), seine einzigartige Krone "eben schnell" verabreicht: vom Kardinaldiakon, also einem seiner "Diener", nicht von einem höheren Herrn, schon gar nicht von irgendeinem Cäsarennachfolger. Das Papsttum hat sich zu distanzieren von nur-mondäner Spiritualität. Das kann es aber nicht etwa durch Ausverkauf und Abriss seiner überlieferten Institutionen: Das wäre ein brachialer Irrweg!

Jetzt aber diese unbescheidene Selbstkrönung? "Ich Bergoglio", nur noch "historisch" ein Diener Gottes? Am Abend des 27. März hatte die Welt einen anderen Eindruck: Auch dieser Papst dient in Stellvertretung des Einen Herrn aller Welt. Wäre es aber anders, so wäre der Verzicht aufs stellvertretende Dienstamt eine verheerende Abdankung-ohne-Abdankung. Ein Papst, der nicht als der angesprochen werden will, der er nach Gottes Willen und Vorsehung ist? Undenkbar. "Das darf doch nicht wahr sein ..." Ein solcher hätte innerlich abgedankt und müsste auch abdanken. Der Kundige weiß allerdings, dass auch "vescovo di Roma", Bischof von Rom, bereits alles aussagt: nämlich Episcopus Catholicae Ecclesiae zu sein. Der Papst ist der Hirte der ganzen Kirche, Episcopus, Aufseher, der allgemeinen Kirche. Mit diesem Titel allein unterzeichnete Paul VI. die Beschlüsse des Konzils, die im Wortlaut kein lebender deutscher Bischof unter 80 noch präsent hat, wie es scheint. Es könnte also in nicht allzu ferner Zukunft notwendig werden, dass in der römischen Bischofskirche, St. Johannes im Lateran, doch noch mal ein (VI.) Laterankonzil zusammentritt. Anders als das lateinische Vatikanum II. wird es Übersetzerkabinen nötig haben, also auch einen kleinen "deutschsprachigen Raum", aber seine pastorale Botschaft muss mehr denn je Una Voce erklingen, wie aus einem Munde:

"Wir sind die wahre Religion. In der katholischen Kirche ist das Wesen der Kirche Christi präsent. Papst und Bischöfe üben das allgemeine Lehramt der Kirche aus. Die Kirche fällt so ihr berechtigtes Urteil über die Geschichte, im Namen des Herrn. Und nicht etwa hat "historisierende" Ideologie über die heilige Kirche zu richten. Jeder Mensch ist mit einer unsterblichen Seele begabt, der ein ewiges Geschick blüht (oder droht; vgl. Lateranum 5)." So weit im groben Umriss das wohl Notwendigste, das die Kirche hier und heute zu sagen hat. Wetten dass? Dilettantische Reförmchen, ob im Annuario pontificio oder auf synodalen Irrwegen, dienen der Verkündigung des Evangeliums nimmer, sondern zerstreuen, was andere gesammelt haben. Dagegen wird es einen Aufschrei, Aufstand oder Widerstand geben müssen. Wetten dass? Unser nächstes Pastoralkonzil wird ein Retro-Konzil, das von Neuem einschärft, was immer schon geglaubt wird und immer geglaubt werden wird, solange wir in der Wahrheit Christi stehen: Es wird wieder sammeln und zusammenfassen, was im Originalton des Vatikanum II und der nachkonziliaren Päpste bis 2013 im heilsam = konservativen Dienst für Christus geschah. Der nächste Papst wird mithin wieder ein vorkonziliarer Papst sein und uns das mitteilen, was immer schon wahr war seit Betlehem und Gologota: Gepriesen sei Gott, benedictus Deus.


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