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„Sakramente in Zeiten von Corona“ - II

Wikimedia - gemeinfreiWir setzen hier das Referat des Artikels von Marianne Schlösser bei CNA-Deutsch fort, mit dem wir am 19. Juni begonnen haben:

Zum Punkt: Kann der Kommunionempfang „krank machen?“ wendet sich Marianne Schlosser entschieden gegen die Eilfertigkeit, mit der sich viele dem Gelächter der Progressiven über den ,mittelalterlichen Aberglauben' angeschlossen haben, daß dabei doch wohl nichts Übles geschehen werde. Sie verweist darauf, daß Körperlichkeit ja gerade zum Wesen der Sakramente gehört und daß die Sakramente auch auf dieser Ebene ihre Wirkung entfalten – besonders deutlich ausgedrückt im Sakrament der Krankensalbung, das eben nicht nur eine „letzte Ölung“ ist, sondern, so Gott will, auch eine Kräftigung des Körpers bewirkt. In diesem Zusamenhang eine Aussage, die besonders verdient, festgehalten zu werden:

Wir empfangen die Sakramente als Menschen, die leibhaft leben. Reine Geister brauchen keine Sakramente. Das Heil Gottes kommt in den Sakramenten vermittelt durch etwas Sichtbares, Hörbares, Fühlbares, teilweise durch Handlungen, die mit einer Materie verbunden sind (Salben, Essen, Waschen). … Das Heil, das Gott schenkt, (ist) nicht einfach "leib-los", als hätte es mit dem leiblichen Leben nichts zu tun.“

Daß das kein Freibrief für Leichtsinn ist und keine Aufforderung, Gott zu versuchen, versteht sich für Schlosser von selbst. Sakramente wirken in einem komplexen Zusammenspiel zwischen dem Herrn, der sie letztlich spendet, und dem, der sie empfängt; wer sie unwürdig empfängt (vergl. 1. Kor. 11,27), dem können sie auch zum Schaden gereichen. Daß Schlosser Leben und Zeugnis der Heiligen für die leiblich/materielle Wirkung von Sakramenten anführt, hatten wir bereits im ersten Teil erwähnt.

Im Abschnitt „Sakramentale und geistliche Kommunion“ wundert sich die Autorin zunächst darüber, wie umstandslos hier eine Praxis empfohlen wird, die zwar in der Tradition ihren festen Platz hat, in der Moderne aber vielfach „mit Empörung und Verständnislosigkeit“ zurückgewiesen worden ist. Hier geht es weiter Im folgenden arbeitet sie heraus, wo die leibhaftige und die geistliche Kommunion miteinander übereinstimmen und wo nicht, dabei erinnert sie an die starke Stellungnahme des Konzils von Trient, das die Behauptung der vollen Gleichwertigkeit als Irrtum verworfen hat und die Gläubigen streng ermahnt, so zu leben, daß nichts dem tatsächlichen Kommunionempfang entgegen steht. Auch hier findet sie wieder eine geradezu katechismuswürdige Formulierung:

Hält jemand, gestützt auf den Glauben der Kirche, an der Realität der Gegenwart fest, so stärkt das Sakrament seinen Glauben an die Liebe Christi, der sich nicht scheut, in der demütigen Gestalt des Brotes das Leben derer zu werden, die ihn zu sich bitten – unabhängig von deren fühlbarer Ergriffenheit, Glaubenskraft oder geistiger Konzentration. Der hier geschenkte "Trost" (das Wort bezeichnet kein Gefühl, sondern eine Wirklichkeit, auf die man sich stützt, der man "traut") ist objektiv, die Vereinigung wirklich, auch wenn sie im seelischen Empfinden nicht eingeholt würde. Anders gesagt: Das Sakrament ist die höchstmögliche "Garantie", dass unser Vertrauen, unsere Sehnsucht, unsere Bitten nicht ins Leere gehen.

Im Abschnitt „Messfeier und Sakrament“ wendet sich die Autorin einer anderen in diesem Zusammenhang oft gestellten Frage auf: Wieso überhaupt an der Messe teilnehmen, wenn man nicht die heilige Kommunion empfangen kann? Sie unterstreicht, daß diese Teilnahme nie nur ein passives Zuschauen ist, auch kein passiver Empfang ausgeschütteter Gnaden, sondern „ein Eingehen in und Mitgehen mit Christi Gebet“. Sie ist die höchste Form der Gottesverehrung und von daher auch ein Quell von Gnaden, auch wenn man nicht kommuniziert. Darüberhinaus ist jede Messfeier nie nur Privatangelegenheit der Teilnehmer, sondern immer Handeln Christi und der Kirche, unabhängig von der Zahl der Anwesenden.

Für den konkreten Fall der Pandemie empfiehlt die Autorin daher abgewogenes Vorgehen auf der Grundlage dessen, was Glaube und Kirche über das Wesen der Messfeier aussagen: Das Absperren von Kirchen während des Gottesdienstes, um Teilnehmerzahlen zu beschränken, erscheint ihr wegen seiner negativen Zeichenhaftigkeit eher unzulässig – angesichts des ohnehin geringen Messbesuchs hält sie würdigere Formen für angebracht und möglich. Die Verweigerung der Kommunionspendung steht ihrer Ansicht nach im Widerspruch zu c 912 des Kirchenrechtes; stattdessen empfiehlt sich die Nutzung der nach c. 918 gebotenen Möglichkeit, die Kommunion außerhalb der Messfeier zu spenden. Im übrigen bringt Schlosser auch hier wieder ihre Verwunderung zum Ausdruck, daß der teilweise bereitwillig erfolgte Verzicht auf die Kommunionausteilung im Widerspruch zu dem in anderen Zusammenhängen (s. dazu Amazonassynode!) mit Nachdruck eingeklagten „Recht der Gemeinden auf Eucharistie“ stehe.

Die beiden Abschnitte „Stellvertretende Kommunion“ „...oder Verzicht aus Solidarität“ können hier sehr kurz zusammengefasst werden: Sakramente sind, nicht zuletzt in ihrer Materialität und Körperlichkeit, nicht vertret- oder übertragbar. Zwar sind die Glieder der Kirche (im Idealfall) ein Leib und was dem einen geschieht, hat auch Auswirkungen auf andere, das Gebet für andere ist wesentlicher Bestandteil der Glaubenspraxis – aber das findet nicht auf der Ebene der Sakramente statt. Auf dieser haben die doch sehr irdischen Kategorien der Stellvertretung oder der Solidarität keine Geltung. Zwar will Schlosser das „liturgische Fasten“ als individuelle Buß- und Frömmigkeitsübung nicht prinzipiell ausschließen, doch mit Nachdruck wendet sie sich gegen die offenbar in einigen Gemeinschaften den Mitgliedern auferlegte „Solidaritätspflicht“ zum Kommunionempfang:

Kommunion vollzieht sich in der Intimität zwischen Christus und dem Gläubigen. Die Richtschnur für Gewissensentscheidungen ist die objektive Lehre der Kirche, nicht der spirituelle Geschmack von Oberen.

Im Kapitel „Häufige Kommunion – zu häufig?“ gibt Marianne Schlosser einen kurzen Überblick über die historisch in der Tat sehr unterschiedlichen Praxen des Kommunionempfangs und ihre spirituellen Hintergründe. Rückgriffe auf Leben und Praxis von Heiligen deuten an, wo hier wervolle Verständnishilfen gefunden werden können.

Der Abschnitt „Würdiger Empfang“ gehört zu den wenigen, die zumindest vermittelt auch liturgische Fragen berühren: Handkommunion oder Mundkommunion? Nachdem sie festgestellt hat, daß ihr selbst „ein Streit um die Form gänzlich fernliegt“, kritisiert die Autorin zunächst dir unduldsame und wenig seelsorgliche Haltung von Verantwortlichen, die das Verlangen nach der Mundkommunion als „hyperfromm“ beiseite wischen. Dieses Verlangen sieht sie in der dem heiligsten Sakrament zu Recht geschuldeten Ehrfurcht durchaus als begründet – historisch ebenso wie aktuell und individuell. Doch dem schließt sich eine durchaus ernstzunehmende Mahnung an die Vertreter der Tradition an, die an dieser Stelle den „Streit um die Form“ übergeordneten Stellenwert zuweisen:

Das Festhalten an einer Form, die einem angemessen und würdig(er) erscheint, darf nicht dazu führen, dass man eine andere Form, die immerhin 900 Jahre praktiziert worden ist, und die durchaus ehrfürchtig praktiziert werden kann (!), als schlecht verwirft. Stimmen die Maßstäbe, wenn jemand lieber nicht kommuniziert, als die Form zu ändern, wenn es einen guten Grund dafür gibt? Was sollte man dazu sagen, wenn jemand das kniende Gebet für die würdigste Weise der Anbetung hielte, aber monatelang keine Kirche mehr betreten würde, weil er gesundheitlich bedingt keine Kniebeuge machen kann? Thomas von Aquin erläutert in der Summa theologiae (II II q.93 a.2), dass es in der Gottesliebe an sich keine "Übertreibung" geben kann, aber in religiösen Vollzügen ist leider solche eine Maß-Losigkeit möglich, welche sogar Wahrheit des Glaubens selbst verletzt ("superstitio").

Wir wollen das an dieser Stelle noch durch den Hinweis ergänzen, daß diese „andere Form“ schließlich von der Kirche – wenn auch als Indult – zugelassen und von daher nicht in sich und unheilbar verfehlt sein sollte. „Richtig“ oder „falsch“ ist hier in hohem Maße von der inneren Einstellung dessen abhängig, der die jeweilige Form praktiziert. Die Ausführungen Schlossers dazu sollen daher hier in einigem Umfang zitiert werden.

Zum Wesen eines Sakraments als wirksames Zeichen gehört die sinnenhafte Wahrnehmung. Was in der Wandlung konsekriert werden kann, ist Brot aus Weizenmehl und Wein aus Trauben. Deren Akzidentien bleiben erhalten, wenn sie in Leib und Blut Christi gewandelt werden, also unter den Gestalten von Brot und Wein Christus mit seinem gesamten Leben, Sterben und Auferstehen, "mit Gottheit und Menschheit" personal gegenwärtig wird. Die Person ist die des Herrn, der sein Leben hingegeben hat für uns; aber die sakramentale Existenzweise unterscheidet sich von der des irdischen wie auch von der verklärten Existenzweise, in der er nicht aufhört beim Vater zu sein, wenn er auf den Altären der Erde gegenwärtig wird. In einem einfachen Bild: In der Hostie gibt es kein "Oben und Unten", so dass man wissen könnte, wo der Kopf oder die Füße sind. Wir berühren nicht die Akzidentien des Leibes Christi, sondern die des Brotes. Sollte der Kommunikant die Hostie kauen, so fügt das dem Herrn, der dieses Sakrament eingesetzt hat, um unsere Speise zu sein, keinen Schmerz zu, genauso wenig wie das Brechen der Hostie oder die Berührung mit einer Hostien-Zange oder einem Löffel. Was ihm Schmerz zufügt, ist im Fall des Falles der Mangel an Liebe, Sehnsucht, Glauben, Ehrfurcht.

Mit dieser höchst bedenkenswerten und plausiblen Feststellung endet der zweite Teil unseres gar nicht so kurzen „Kurzreferats“ dieses außerordentlich lesenswerten Artikels von Marianne Schlosser. Ein weiterer und unwiderruflich letzter wird folgen.

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Die Autorin macht in ihrem Artikel mehr am Rande darauf aufmerksam, daß in dem hier im Ausschnitt zitierten Altargemälde Rogiers van der Weydens der Priester bzw. Bischof bei der Spendung der Sakramente überall, wo diese mit einer Salbung verbunden ist, ein Instrument wie Pinsel oder Pinzette verwendet. Bei der Beichte, die heute berührungslos erfolgt, ist die Lossprechung dagegen mit einer direkten Handauflegung verbunden.

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