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Liturgie „aus eigener Kraft“

Bild: Lisa Bourne / LifeSite NewsDie Corona-Krise, über deren tatsächliche Substanz und Umfang wir wohl erst in einem Jahr oder noch später Genaueres wissen werden, wird zunehmend von allen möglichen Interessenvertretern in Dienst genommen, um alte Forderungen mit (vermeintlich) neuer Dringlichkeit aufs Tapet zu bringen. Nicht zu vergessen bei alledem: die Interessenvertreterinnen. Die seit 2018 bestehende Gruppierung „Ordensfrauen für Menschenwürde“ von denen noch nichts gehört zu haben keine Schande ist, hat sich jetzt „auf Grundlage der in der Corona-Zeit gemachten Erfahrungen“ mit einem flammenden Appell zur Brechung der patriarchalen Vorherrschaft des männlich-zölibatären Weihepriestertums zu Wort gemeldet. Ihnen hat Corona Einsichten vermittelt, hinter die es „für uns kein Zurück mehr“ gibt. In ihren Reflexionen über Ostererfahrungen während der Corona-Krise beschäftigt sich die Gruppe, deren Zentrum im Konvent der Missionsbenediktinerinnen von Tutzing zu liegen scheint, mit den „Themenkreisen Sakramentenverständnis, Eucharistieverständnis und Amtsverständnis, bzw. Priesterbild“ und stellen die Frage „nach einer alltagstauglichen Begegnung mit Gott, anstelle einer rein ritualisierten Religionspraxis“.

An Ostern haben die frommen Frauen, da – angeblich oder tatsächlich, wer weiß das schon - kein Priester erreichbar war, die Liturgie in die eigenen Hände genommen und dabei die von Bischof Wilmer beklagte „Fixierung auf die Eucharistie“ offenbar erfolgreich überwunden. So haben sie „Mahlfeiern erlebt, die jede Engführung auf die Eucharistiefeier gesprengt haben. Wir haben Brot und Wein geteilt und vielfältige Erfahrungen zeigen, dass darin Jesus Christus als präsent erlebt wurde.“ Sie haben Christus „als präsent erlebt“ - was braucht es angesichts dieses subjektiven Empfindens noch die überdies männlich kontaminierte Form der realen sakramentalen Gegenwart.

Damit sind wir – von den nicht der Rede werten Äußerlichkeiten abgesehen – auch schon beim Kern der hier entwickelten Pseudo-Theologie einer neuen Messe, die nicht nur ohne Mann, sondern auch ohne Weihe auskommt. Es ist alles eine Frage der Resonanz – der „good vibrations“, wie die Blumenkinder von 1968 gesungen haben. Also haben die auf dem Weg „über Christus hinaus“ (Slogan amerikanischer Reformgemeinschaften) offenbar schon gut vorangekommenen Schwestern für sich und in ihre Gemeinschaften diese Resonanz durch geeignete Formen erzeugt. Hier geht es weiter

Aus dieser subjektiven Erfahrung – die anscheinend freilich noch nicht einmal innerhalb der Konvente von allen Mitgliedern geteilt wurde – ziehen die Verfasserinnen der Reflexionen umfangreiche Schlußfolgerungen. Im Zentrum: Das Mysterium, das sie zu erfahren haben glaubten, „kann nicht an einen Mann mit Weihe gebunden sein“ - also am besten weg mit beidem. Weg auch mit der täglichen heiligen Messe, denn ohne diesen Druck und Zwang haben sich die Schwestern viel besser gefühlt. Und was mit Vorschriften und Gebetstexten, die nicht zu dieser alles überwältigenden Erfahrung passten? Weg damit! „In diesem Punkt besteht ein dringender Handlungsbedarf bei der Verfassung und Genehmigung von Ordensregeln.“ All das ist den Erfahrungen der priesterlosen Liturgie während der Corona-Zeit anzupassen! Die in diesem Zusammenhang erhobene Forderung nach einer „Verheutigung“ der liturgischen Sprache bringt das, worum es da geht, auf den Punkt:

Schwestern, die mit der Vorbereitung von liturgischen Feiern betraut waren, machten sich an die Umformulierung von Texten, “so dass ich sie selbst ehrlich beten konnte. Bei der Durchführung der Liturgie war für mich sehr eindrücklich, dass ich selbst beten konnte und den Gebeten den Ausdruck verleihen konnte, den ich ihnen beimesse. Ich war auf einmal nicht mehr in der Rolle der Zuhörerin, die sich nur mit standardisierten Antworten einbringen kann. Das fühlte sich für mich sehr gut an und war eine sehr andere Erfahrung.”

In Kurzfassung: Ich ... selbst ... mich ... ich selbst ... ich ... beimesse ... fühlte sich für mich...

Damit ist nun also „wie fühlt sich das an“ endlich auch als locus theologicus anerkannt – herzlichen Glückwunsch. Der entgrenzte Subjektivismus dieses Ansatzes ist aber nur die eine und vielleicht noch nicht einmal die verhängnisvollste Seite dieses Ansatzes. Wer den Text aufmerksam liest wird feststellen, daß die Reformschwestern nirgendwo behaupten, daß sie bei ihren selbstgestrickten Liturgien mit selbstgeschriebenen Texten tatsächlich „Messe gefeiert“ und die Gaben von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi gewandelt hätten. Damit entgehen sie nicht nur dem denkbaren Vorwurf einer Meßsimulation. Sie demonstrieren auch eine bemerkenswerte Verschiebung der Gewichte: Anscheinend geht es hier gar nicht mehr um das vom Herrn eingesetzte Sakrament, also um das, was von Oben geschenkt wird, sondern um das, was die Gemeinschaft selbst macht und machen kann: ein gutes Gefühl. Die Gemeinschaft feiert sich also nicht nur selbst – sie erlöst sich auch selbst!

Die Abkehr von der sakramentalen Objektivität der Eucharistie zugunsten psychologisch-therapeutischer Gruppenerfahrungen ist im Prinzip nicht Neues – auch wenn sie selten so deutlich zum Ausdruck kommt wie hier. Aber in Verbindung mit tastsächlichen oder nur herbeigeredeten „Erfahrungen aus der Corona-Krise“ könnte dieser psychologisch-therapeutische Ansatz in einer von vielen Krisen destabilisierten Kirche durchaus einige Wirkung entfalten – verweist er doch auf die beliebte Illusion, durch einen radikalen Neubeginn aller Schwierigkeiten Herr werden zu können. Im Übrigen wirft der Text ein grelles Licht auf die Tatsache, daß es um die theologische und spirituelle Bildung in vielen Frauengemeinschaften – wenn das denn möglich ist – noch desolater steht als um die an Priesterseminaren und den Ordensgemeinschaften der Männer.

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