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Zorn und Strafe Gottes

Bild:  Museum Boijmans Van BeuningenZur Quatember im Herbst

Mittwoch, Freitag und Samstag dieser Woche sind die Tage der Herbstquatember, über die wir in den vergangenen Jahren schon mehrfach geschrieben hatten. Zu den historischen Ursprüngen im Erntedank und zur Besonderheit der Liturgie dieser Tage zuletzt 2018; zu ihrem Charakter als Tage des Gebets und der Buße im vergangenen Jahr. Der Verlauf des gegenwärtigen Jahres, das wie nie in der Geschichte zuvor von einer weltweit verbreiteten Seuche geprägt ist, gibt Anlaß dazu, dem Gedanken des Gebets, der Besinnung und der Buße etwas tiefer nachzugehen.

Als im März und April erste Meldungen über das aus China gekommene Virus und seine Schrecken verbreitenden Wirkungen durch Europa gingen, wurden Stimmen, die darin eine „Strafe Gottes“ sehen wollten, durch einen Chor der Empörten schnell zum Schweigen gebracht: Mit so einem Gottesbild solle man uns in den Zeiten moderner Naturwissenschaft bitte nicht kommen. Selbst im kirchlichen Bereich war man eher bereit, die Epidemie als Vergeltung von Mutter Erde für die grobe Behandlung durch den Menschen und sein Wirtschaften anzusehen, als über eine Strafe Gottes auch nur nachzudenken. Strafe, gar Zorn Gottes – so vorkonziliar. Drohbotschaft statt Frohbotschaft – das haben wir doch wirklich hinter uns gelassen.

Nun ist es mit dem strafenden Gott keine einfache Sache. Hier geht es weiter Das Alte Testament, das in dieser Hinsicht vor allem für den Volksglauben bis ins 20. Jahrhundert hinein prägend war, zeichnet in vielen seiner Erzählungen einen heute sehr kurzschlüssig anmutenden „Tun-Ergehens-Zusammenhang“. Die Strafe folgt dem Vergehen oft auf dem Fuß, wird spätestens an den Kindern der Frevler in der nächsten Generation vollzogen. Wenn das Volk sich vom rechten Weg des Gesetzes entfernt hat, besetzen fremde Heere das Land und führen das treulose Volk fort in die Gefangenschaft. Die Erwartung, daß Gott die Guten noch in diesem Leben durch Wohlergehen belohnt, die Bösen jedoch in Not und frühem Tod untergehen läßt, verkörpert geradezu die Vorstellung des rechten Gottvertrauens im alten Bund.

Dieses Bild war schon zur Zeit seiner Entstehung idealistisch überzeichnet und scheint seitdem durch die Erfahrung des Lebens und der Geschichte immer wieder dementiert worden zu sein: Nicht jeder „Frevler“, der im Zug der Verwirklichung seines gottlosen Begriffes von Fortschritt zum Großverbrecher wurde, endete im Keller seiner Reichskanzlei oder auf einer einsamen Insel im Südatlantik, ganz und gar nicht.

Doch wenn der genannte Zusammenhang im Leben der Menschen auch nicht so aussieht, nicht so „funktioniert“, wie es in vielen Passagen des alten Testaments zu sein scheint, so heißt das doch nicht, daß ein solcher Zusammenhang nicht besteht und daß nicht genau das der „Plan Gottes“ ist. Das alte Testament enthält bereits Hinweise, wie der „Tun-Ergehens-Zusammenhang“ sich in der Geschichte auch anders als durch direkte Vergeltung manifestiert. Diese Hinweise können vielleicht erst in der Gegenwart, in der menschliches Tun globale Dimensionen annimmt und fast keine Grenzen mehr zu kennen scheint, in ihrer ganzen Tragweite richtig verstanden werden. In Psalm 81 (80) erhebt der Herr bittere Klage gegen sein Volk:

Ich bin der Herr, dein Gott, / der dich heraufgeführt hat aus Ägypten. / Tu deinen Mund auf! Ich will ihn füllen.
Doch mein Volk hat nicht auf meine Stimme gehört; / Israel hat mich nicht gewollt.
Da überließ ich sie ihrem verstockten Herzen / und sie handelten nach ihren eigenen Plänen.

Wenn diese Pläne ins Verderben führen – und das ist der Regelfall – dann sind das Geschrei und der Jammer groß.

Die sog. „westliche Gesellschaften“, hervorgegangen aus dem vergangenen „Christlichen Abendland“ und seinen Tochterkulturen, haben sich in einem historisch einmaligen Ausmaß von Gott, ja von jedem Gedanken an einen Gott, abgewandt, um nur noch nach ihren eigenen Plänen zu handeln. Gott gewährt jeder historischen Epoche die Freiheit, nach den von ihr hervorgebrachten Vorstellungen zu leben. Immer mehr Anzeichen deuten darauf hin: In einer Welt, in der Mehrheiten sich dem Wahn ergeben, alles, auch sich selbst, nach eigenen Plänen schaffen zu können, ist das Strafe genug.

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