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Marxismus pur: „Warum nicht?“

Bild: Wikimedia CommonsBei all dem hanebüchenen Unsinn, den deutschkatholische Kirchenführer gewohnheitsmäßig von sich geben, ist es nicht verwunderlich, daß ein veritabler Heuler, den Seine Eminenz, der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Kardinal Marx, kürzlich losgelassen hat, bisher wenig Beachtung fand. In einer Predigt zum Korbinianstag wandte sich der Kardinal den „wegen Corona“ (jeder Anlaß ist den Säkularisierern Grund genug) mit zunehmender Dringlichkeit und Tiefe geforderten Veränderungen in der Kirche zu und meinte im Hinblick auf die Zukunft der Priester „Vielleicht werden wir auch Priester haben, die nicht ehelos leben - warum nicht?“

Das Problem hier ist nicht die Rede von verheirateten Priestern – auch wenn die merkwürdige Formulierungen vom „nicht ehelos leben“ durchaus Raum für kritische Anfragen bietet. Doch: Verheiratete Priester haben wir auch heute schon – der hier gerne und oft übersetzte Fr. Hunwicke gehört ebenso dazu wie der gelegentlich zitierte Fr. Longenecker aus den USA. Beide kommen aus (unterschiedlichen Zweigen) der anglikanischen Tradition und waren dort ordinierte und verheiratete Geistliche, bevor sie den Weg zur wahren Kirche fanden. Ein grundsätzliches Problem gibt es hier also nicht, auch die katholische Kirche kennt verheiratete Priester, wenn sie auch für deren Weg strenge Voraussetzungen gemacht hat und ihnen – in Übereinstimmung mit der Tradition aller Kirchen, die ein sakramentales Priestertum haben – den letzten Schritt zur Vollform des Priesteramtes in der Bischofsweihe verweigert. Msgr Keith Newton, verheirateter Priester und Oberhirte des Ordinariats unserer lieben Frau von Walsingham, dem auch Fr. Hunwicke angehört, ist zwar „Ordinarius“ dieser Kirchengliederung, aber er ist nicht Bischof.

Das Skandalon an der Aussage Marxens ist nicht die Rede von verheirateten Priestern per se, sondern der schnoddrige Nachsatz „warum nicht?“. Man weiß kaum, wo man anfangen soll, die anmaßende Frechheit dieser zwei Worte ins rechte Licht zu setzen. Das neutestamentliche Ideal der Ehelosigkeit – nicht als Norm, sondern als besondere Berufung - ist seit apostolischen Zeiten und gestützt auf Worte Christi selbst eng mit dem priesterlichen Dienst und dessen ebenfalls besonderer Berufung verbunden. Es hat Vorläufer im alten Testament im benachbarten Ideal der Keuschheit, die den Priestern und Leviten durch vielerlei Vorschriften zur „rituellen Reinheit“ in der Vorbereitung und Durchführung ihres Dienstes im Tempel von Jerusalem abverlangt wurde. Ist das nichts? Mit einem munteren „Warum nicht?“ einfach so abgetan?

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Die lateinische Kirche hat dieses Ideal ihren Priestern früh zur Vorgabe gemacht und in ihrer Ordnung festgeschrieben. Sie ist auch dann nicht davon abgegangen, als diese Ordnung in den wilderen Zeiten und Regionen des Mittelalters vielfach mißachtet und teilweise sogar offen gebrochen wurde. Zu Beginn der Neuzeit hat sie in der Reaktion auf die protestantische Abschaffung des Weihepriestertums den Stellenwert der priesterlichen Ehelosigkeit (die entgegen anderslautenden Mißdeutungen die Keuschheit und Enthaltsamkeit mit einschließt) nachdrücklich bekräftigt und im Rahmen ihrer gestärkten Möglichkeit zu disziplinärer Ahndung auch durchgesetzt. Ist das alles nicht der Rede wert?

Als die Mutter aller zwanghaften Modernisierung und Keimform des Stalinismus, die französische Revolution, dem verbliebenen Klerus nicht nur den Treueid auf die Republik abverlangte, sondern zumindest in einigen Regionen zur Zwangsverheiratung von Priestern, Mönchen und Nonnen schritt, haben viele von ihnen den Tod unter der Gouillotine oder die ebenso tödlichen Verbannung nach Guyna dem Bruch ihres Gelübdes vorgezogen. Was für Deppen! Wegen nichts - wenn wir die Worte der hochmögenden Eminenz recht verstehen.

Seit Jahrhunderten haben die Päpste und ihnen treue Bischöfe die Ehelosigkeit der Priester hoch- und sich selbst und ihren Klerus ernsthaft zur Befolgung dieses Gebots angehalten – sieht man mal von gewissen österreichischen Würdenträgern der jüngsten Zeit ab, die schon einmal einen ihrer Pfarrherren nach der Sitzung des Priesterrates mit einem galanten „und Gruß an die verehrte Frau Gemahlin“ verabschiedet haben sollen. Die Hochschätzung der zölibatären Ordnung ist auch durch das unselige Konzil des vorigen Jahrhunderts vielleicht untergraben, aber keinesfalls aufgehoben worden – alle seitherigen Päpste, Franziskus eingeschlossen, haben sich in Lehrschreiben und -reden unmißverständlich dazu geäußert. Aber der Mann auf dem Stuhl des hl. Korbinian zuckt nur verächtlich mit den Schultern: „Warum nicht?“

Dieses erzbischöfliche „Warum nicht?“ erfüllt alle Voraussetzungen, späteren Historikern einmal als ein Schlüsselsatz zur Erhellung der Geschichte des dunklen 21. Jahrhunderts nützlich zu sein: Als einer Zeit, die alle ihre Voraussetzungen und Vorbedingungen in der Vergangenheit verachtete und verwarf, befangen in dem Wahn, sich selbst, als Zeit ebenso wie als Individuen, zum einzigen Maßstab zu machen – warum nicht?

Umso wichtiger ist es, am Wert und der Gnade der Tradition unbeirrbar festzuhalten und sie zu verteidigen – damit der Sieg derer, die unter dem Banner des „non serviam!“ in die Schlacht ziehen, kein vollständiger wird.

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