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Die Dekonstruktion der Kirche

Bild: deavita.com - Bau von Frank Gehry in Las VegasWer es sich wie unsereins immer noch antut, täglich zumindest die Überschriften der neuen Beiträge auf katholisch.de zu überfliegen, zieht daraus einen zweifachen Eindruck: Generelle Linie der Redaktion ist eine merkwürdige Art von Dekonstruktivismus, die alles, was spezifisch katholisch ist, darüber hinaus aber auch alles, was überhaupt irgendwie „religiös“ ist, verächtlich machen und delegitimieren will. Ausgenommen davon ist allein das, was als „soziales Engagement“ durchgehen kann – vorausgesetzt, dieses edle Tun wird nicht dazu „mißbraucht“, den Blick der Menschen auf die Übernatur oder gar auf Christus zu lenken.

Der zweite Eindruck ist der einer zunehmenden Verschärfung im Ton und Brutalisierung in der Sache. Die „Mehrheiten stehen“, wie man im parlamentarischen Betrieb sagt, Rücksicht auf Minderheiten oder gar die „Menschen draußen im Lande“ sind nicht erforderlich und könnten den Siegeszug der neuen Zeit nur aufhalten. Wer das dennoch versucht, erfährt die einst von Papst Benedikt beklagte „sprungbereite Feindseligkeit“ der sich siegreich wähnenden Revolutionäre, die sich inzwischen getreu dem gesamtgesellschaftlichen Vorbild zum einem kaum noch bezähmaren Vernichtungswillen gesteigert hat: Wer nicht spurt, wird zunächst marginalisiert und dann wo irgend möglich vernichtet.

Bemerkenswert bei alledem ist der Umstand, daß die Propagisten der deutschkatholischen Parteilinie auch immer weniger Rücksicht auf „Rom“ nehmen, als ob sie die Hoffnung aufgegeben hätten, von dort einen Segen für ihre Vorhaben zu erhalten. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Dreistigkeit so irgendeine drittklassige Sternin deutschkatholischer Universitätstheologie da erklärt: „Vatikan-Dokumente zu Gender werden in der Theologie kaum beachtet“ und diesen praktischen Vollzug eines „Los von Rom“ offenbar als großen Schritt in die richtige Richtung anpreist. Hier geht es weiter Denn daran läßt die auf katholisch.de veröffentlichte Meinung, die zweifellos die Mehrheitsmeinung der deutschen Bischöfe wiedergibt, keinen Zweifel. Was die richtige Richtung ist, hat der „Synodale Weg“ inzwischen in der erforderlichen Klarheit angezeigt und die Maßstäbe gesetzt – nun gilt es Nägel mit Köpfen zu machen und Entscheidungen zu treffen. Und wenn das auch oder sogar überwiegend Gebiete betrifft, auf denen eine Nationalsynode, selbst wenn sie ordnungsgemäß zustande gekommen wäre, keine Entscheidungen treffen kann? Wen interessieren solche Formalien schon.

Zwei Fragen bleiben hier bis auf weiteres offen: Werden sich alle deutschen Bischöfe unterwerfen – oder werden die wenigen, die bisher Ablehnung des schismatischen Weges bekundet haben, praktische Konsequenzen ziehen; an vorderster Stelle wohl den überfälligen Austritt aus der Bischofskonferenz. Die zweite Frage, die in Wirklichkeit die erste ist: Wir wird sich Rom verhalten?. Die Mehrheit der Bischöfe und apostatischen Theologen in Deutschland vertraut offenbar darauf, daß „Rom“ (wer immer auch dort die entscheidenden Fäden zieht) sich so verhalten wird, wie meistens in den vergangenen 70 Jahren: Gute Mine zum bösen Spiel machen. Sie stützen dieses Vertrauen nicht zuletzt darauf, daß der Finanzbeitrag der Deutschen Bischofskonferenz für den notleidenden vatikanischen Haushalt größtes Gewicht hat, und wer zahlt, schafft an.

Ob diese Rechnung aufgeht, ist derzeit absolut unkalkulierbar. Vieles von dem, was da in Deutschland zusammensynodalisiert wird, dürfte im Umfeld/bei den Hintermännern des Papstes einiges Wohlwollen finden, anderes weniger. Insgesamt steht die deutsche Entwicklung jedoch in direktem Gegensatz zum persönlichen Machtanspruch eines Papstes, der jeden seiner Einfälle für eine direkte Eingebung des heiligen Geistes zu halten scheint und diesen Machtanspruch geradezu gewohnheitsmäßig in despotischer Weise exekutiert. Insoweit also: Ausgang offen.

Und auf der persönlichen Ebene? Bei den (nicht mehr allzu vielen) Gläubigen, die ihren Augen kaum zu trauen wagen, wenn sie mit ansehen müssen, wie die Kirche, die sie kennen und lieben, in Trümmer gelegt und durch eine billige Fälschung nach den Normen des Zeitgeistes ersetzt wird? Wie soll man sich in dieser Position der Hilflosigkeit verhalten?

Allein schon aus der Beobachtung dessen, was sich auf dem Webportal der deutschen Bischöfe und dessen diözesanen Chearleadern wie „Kirche+Leben“ oder „Domradio“ abspielt, drängen sich zwei Folgerungen auf, die wir hoffentlich auch bei der künftigen Themensetzung hier noch stärker berücksichtigen werden: Die erste: Es lohnt sich nicht mehr, sich über die Bätzinge und Märxe aufzuregen oder gar ihre täglichen Verlautbarungen zu kommentieren. Die Richtung ihres Kurses ist klar erkennbar, mit Überraschungen zum Besseren ist nicht zu rechnen. Darüber zu befinden, ob und wann sie auf diese Weise den Weg ins Schisma vollendet haben, liegt nicht in unserer Kompetenz und wäre nur eine weitere Meinungsäußerung ohne größere Bedeutung.

Die zweite Folgerung ist, die richtige Lehre aus der von den Modernisten gnadenlos vorangetriebenen „Dekonstruktion“ alles Bisherigen und jeder Ausrichtung auf das Jenseitige zu ziehen: Gerade das Gegenteil zu tun, und das mit verstärkter Anstrengung. Die traditionelle Lehre Christi und seiner Kirche muß in jeder Generation nicht nur weiter vererbt, sondern auch aufs neue angeeignet werden, das allein erfordert schon eine beträchtliche Kraftanstrengung. Zumal in Deutschland wegen des weitgehenden Versagens der Theologie kaum vernünftige Literatur zur Glaubensvermittlung und -aneignung erscheint. Diese Literatur muß, auch wenn es sich immer um den einen unveränderten Glauben handelt, quasi in jeder Generation erneut geschrieben werden – es ist nicht jedermanns Sache, sich die reiche Welt des Glaubens aus den in eine doch ganz andere Zeit hineingeschriebenen Büchern des 19. Jahrhunderts zu erschließen.

Noch wichtiger aber ist es, diesen erfolgreich angeeigneten Glauben auch zu leben, und zwar so, daß die jeweils folgende Generation es für selbstverständlich und eigener Anstrengung wert hält, ihm treu zu bleiben und ihn weiter zu tragen. Das völlige Versagen der Kirche und ihrer Mitglieder in dieser Hinsicht seit der Mitte des 20. Jh. ist letztlich die Ursache des Zusammenbruchs, der mit dem „synodalen Prozess“ zu einem zeitgemäßen Neuanfang umgelogen werden soll.

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Etwa gleichzeitig mit unserem Text erscheint in kath.net der heutige Montagskick von Peter Winnenmöller - zum nahezu gleichen Thema und aus einer ganz ähnlichen Perspektive.

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