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Rom im Cancel-Rausch

Bild: Buchillustration des 19. Jh.Bevor die Tinte des gerade in zweiter Auflage verkündeten Verbots von Einzelmessen in St. Peter trocken geworden ist, schieben die offenbar in Torschlusspanik verfallenen Autoritäten ein weiteres eingreifendes Verbot nach: Künftig keine (NO) Zelebration in lateinischer Sprache mehr im Petersdom! Nur noch Italienisch im Wahrzeichen der lateinischen Kirche. Und wenn die Grundform des Missales auch im Novus Ordo die Lateinische ist – weg mit allem, was an die Vergangenheit erinnert. „Nur auf einem leeren Blatt kann man schöne Schriftzeichen schreiben! (Mao Tse-tung)

Dabei sind wir hier noch nicht einmal mit der eingehenden Analyse der vor einer Woche veröffentlichten „Nota“ von Kardinal Gambetti zur Gottesdienstordnung in der Peterskirche ganz zu Ende gekommen. Unsere Lektüre hat einige irritierende Merkwürdigkeiten zu Tage gefördert, die hier freilich nur angemerkt werden können – eine rechtliche Würdigung muß – ebenso wie beim Laterinverbot – den Spezialisten vorbehalten bleiben. Die irritierendste Merkwürdigkeit betrifft die Begründung für die Regelung, daß von 7 – 9 Uhr nur die Konzelebration zu vier dafür festgelegten Zeitfestern erlaubt ist – die vom Dokument verwandte Formulierung „Priester können (possono) konzelebrieren“ ist irreführend. Doch das ist nur ein Nebenaspekt. Irritierender ist der Umstand, daß die Nota so abgefasst ist, als ob es in der Liturgie nach dem Novus Ordo nur zwei Formen der Eucharistiefeier gäbe – die verpönte „Einzelmesse“ und die Konzelebration. Das ist eine offenbar bewußt vorgenommene Entstellung der tatsächlichen Situation.

Hier geht es weiterDie Ausgabe 2002 der Allgemeinen Einführung für den NO unterscheidet als Grundformen die „Messen mit dem Volk“ (im Deutschen auch oft als „Gemeindemesse“ bezeichnet) die „Messe in Konzelebration“ und als dritten Typ die „Messe, an der nur ein liturgischer Dienst teilnimmt“ - die „Einzelmesse“. Daß die Messe in Konzelebration hier als eigener Typ erscheint, hat keine systematischen Gründe – generell ist sie der Messe mit dem Volk zuzurechnen – sondern praktische: Hier gelten, von der Sache her einleuchtend, besondere liturgische Regelungen, die sich stellenweise deutlich von denen unterscheiden, die bei der Gemeinde- und der Einzelmesse zu befolgen sind.

Systematisch gesehen gibt es zwei Typen der Eucharistiefeier: Die Gemeindemesse in den Formen mit und ohne Diakon oder Lektor samt der Sonderform Konzelebration und die Einzelmesse, die (im NO) aus gerechten Gründen auch völlig ohne Altardienst zelebriert werden darf. Diese Unterscheidung ist nicht neu, sie wurde vom II. Vatikanum und der danach folgenden Liturgiereform jedoch stark theologisch oder besser gesagt ideologisch „aufgeladen“: Erst in der Gemeindemesse käme danach der prinzipiell jeder Messfeier eignende Charakter der Liturgie als gottesdienstliche Handlung der ganzen Kirche vollständig zum Ausdruck.

Das bezeichnet eine äußerst problematische Sicht, ist jedoch nicht der hier zur Debatte stehende Punkt. Unser Punkt liegt darin, daß die „Nota“ (z.B. Abschnitt A, 2. und 4. Absatz und ungeachtet einer scheinbaren Einschränkung in B, 1. Satz), die zahlreichen starken Formulierungen der Texte des Konzils und der Liturgiereform zur Vorzüglichkeit der Gemeindemesse umstandslos und ohne jede Begründung auf die konzelebrierte Messe umbiegt, so daß letztlich nur die konzelebrierte Messe als voller Ausdruck der von DEM KONZIL gewollten und in der Liturgiereform kodifizierten lex orandi erscheint. Das ist offensichtlich gewollt, denn die Neuregelung betrifft eben nicht nur die – aus einer NO-Perspektive möglicherweise fragwürdigen – Einzelmessen kurialer Monsignori, die ihr Tagewerk im Vatikan mit einer Messfeier in der Peterskirche zu beginnen pflegten, sondern sie betrifft ebenso Pilgergruppen aus aller Herren (und Sprachen!) Länder, die sich in der Vergangenheit mit ihrem Priester um den Altar ihres Lieblingsheiligen versammelten, um dort eine Gemeinschaftsmesse zu feiern, wie sie im Bilderbuch des NO steht – und genau das ist ab jetzt nicht mehr erlaubt.

Wir müssen uns also mit dem Verdacht auseinandersetzen, daß die Neuregelung Ausdruck einer theologischen Agenda ist, Charakter und Form der Messliturgie noch über die in Sacrosanctum Concilium und den Dokumenten des NO angelegte Richtung hinaus zu verändern, und zwar hin zu einem kollektivistischen Verständnis des Priestertums. Die starke Betonung des gesamtkirchlichen (nicht: gemeindlichen!) Charakters der Litugie im NO kann noch als Versuch der Überwindung von Mißständen und sinnvolle Fortentwicklung unter veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen interpretiert werden. Die Erhebung der Konzelebration von einer zu seltenen Anlässen empfohlenen Sonderform zum „neuen Normal“ wäre jedoch ein tiefgreifender Traditionsbruch. Wie tiefgreifend, mag man daran ersehen, daß nach einer Fußnote von Karl Rahner aus dem Jahr 1949 der Vatikan seinerzeit den inhaftierten Priestern im KZ-Dachau, wo jede Messfeier mit unendlichen Schwierigkeiten verbunden war, die erbetene Erlaubnis zur Konzelebration verweigerte. (Die vielen Messen und das eine Opfer, S. 80)

Vor den Implikationen der hier sich abzeichnenden Tendenz zur Konzelebration könnte die Bedeutung einer weiteren Ungereimtheit im Text Gambettis leicht übersehen werden: Der neue Hausherr der Peterskirche spricht in seiner „Nota“ nicht aus eigener Amtsvollmacht, sondern lediglich als Interpret der „Mitteilung“ des in dieser Angelegenheit sachlich wie rechtlich inkompetenten Staatssekretariats vom März  – d.h. er beginnt sein Amt gleich mit dem Eingeständnis eigener Unzuständigkeit. Verständlich wird das nur vor dem Hintergrund der Vermutung, daß das Staatsekretariat seinerseits auf Veranlassung der „höchsten Autorität“ tätig geworden ist, die sich bekanntlich in diesem Pontifikat über jede Tradition, jede Norm und jedes Gesetz erhaben dünkt.

Die gleiche Vermutung liegt in Bezug auf das „Lateinverbot“ nahe, das übrigens alsbald auch auf das Stundengebet der Dom-Kanoniker ausgeweitet werden soll - wenn die entsprechenden Texte und Melodien vorliegen. Jetzt fehlt nur noch, daß der Despot nach dem Vorbild eines früheren pontifex maximus seine Stadt an allen vier Enden anzünden läßt, um das grandiose Schauspiel mit erhabenen Gesängen und dem Lyraspiel seiner Sklaven zu begleiten.

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