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Wir glauben den Quatsch nicht mehr!

Bild: Nach Verlinkung im Artikel auf CrisisAls vor bald 20 Jahren die ultra-progressive „Bischöfin“ Katharine Jefferts Schori die Leitung der (inzwischen zur Bedeutungslosigkeit geschrumpften) amerikanischen Episkopalkirche übernahm, machten einige konservative Episcopalians ihrem Unmut mit dem hier abgebildeten Meme Luft: Es legt der im herrischen Business-Look daherkommenden Chefin die Worte in den Mund: „Sie glauben den ganzen Quatsch nicht? Wir auch nicht! Willkommen in der Episkopalkirche!“ Mit der Erinnerung an diese Internet-Karikatur beginnt der amerikanische Historiker und Publizist Derrick Tailor einen Artikel zu „Traditionis Custodes“ im Crisis-Magazine, den wir hier mit einem zum Verständnis von Nicht-Beobachtern der US-Szene leicht veränderten Einleitungsabsatz übersetzt haben. Er enthält trotz seines leichten Tones eine der umfassendsten und plausibelsten zusammenschauende Erklärungen dafür, was sich derzeit in der Kirche abspielt, die wir seit langem gelesen haben. Taylor schreibt:

Es beginnt ein langes ZitatSeit dem Ende des zweiten Vatikanums haben die Kirchenführer, die in seinem Gefolge hochgekommen sind, unaufhörlich dafür gekämpft, ihre Interpretation des Konzils als höchste Richtschnur für Leben und Lehre der Kirche durchzusetzen. Wie allgemein bekannt, verteilen sich diese Führer auf zwei Lager (natürlich gibt es auch Zwischenpositionen), die Benedikt XVI. mit den Begriffen der Hermeneutiken des Bruches bzw. der Reform beschrieben hat.

Als Benedikt die alte Römische Liturgie befreite – die nun unvermeidlich zu einem Symbol für all das geworden ist, was die Kirche seit dem zweiten Vatikanum in der Praxis hinter sich gelassen hat – sagte er damit, daß wir nicht alles aus der Zeit vor dem zweiten Vatikanum aufgeben und daß die Weiterexistenz genau das zum Ausdruck bringt. Mit Custodes Traditionis hat Franziskus dem ganz klar widersprochen: Nein, wir glauben „diesen Quatsch“ nicht mehr. Ich sorge dafür, daß das verschwindet, so wie schon die Lehre bezüglich der Geschiedenen und Wiederverheirateten verschwunden ist, und daß damit auch alle die verschwinden, die sich mit der neuen Ordnung nicht anfreunden wollen.

Das, so scheint es, ist zumindest seine Absicht – ob er diese brutale Operation tatsächlich mit seinem Befehl fertig bringt, steht auf einem anderen Blatt. Benedikt könnte ihm einiges davon erzählen, daß die bloße Veröffentlichung eines Motu Proprio noch lange nicht bedeutet, daß die Bischöfe es auch durchsetzen – so wie auch Summorum Pontificum nur von wenigen umgesetzt worden ist. Die Frage der überlieferten Liturgie hat wie kaum etwas anderes das Problem der päpstlichen Autorität und der Einheit der Kirche auf die Tagesordnung gebracht.

Können Päpste durch ihren bloßen Willen da einen einheitlichen Glauben durchsetzen, wo er nicht ohnehin schon vorhanden ist? Hier geht es weiter Seit dem zweiten Vatikanum (die Rolle, die das erste Vatikanum in diesem Prozess spielt, lasse ich beiseite) hat sich in der Kirche vom Papstamt bis herunter zu den Laien, ein Pluralismus in fundamentalen Fragen des Glaubens durchgesetzt, der zumindest in der Praxis, wenn nicht sogar im Grundsatz, jede derartige Einheit zerstört hat. Können die, die glauben, daß homosexuelle Paare ein Recht auf einen Segen für ihre Verbindung haben, wirklich in Gemeinschaft stehen mit denen, die Glauben, daß Sex außerhalb der Ehe stets eine Sünde ist? Können die, die an eine unveränderliche Wahrheit glauben, wirklich den gleichen Glauben haben wie die, die jede Wahrheit für historisch bedingt und beständigem Wechsel unterworfen halten. Und, noch wichtiger: Kann irgendein Akt päpstlicher Autorität diese Gemeinschaft herstellen, wo sie nicht besteht? So, wie die Dinge heute stehen, haben die Katholiken zwar eine einheitliche Institution, aber keinen einheitlichen Glauben.

Solche Fragen müssen gestellt werden. Einige hätten von den Angehörigen unserer Hierarchie schon vor langer Zeit gestellt werden müssen – sie weichen dem aus, weil jede tatsächliche Antwort für alle Beteiligten schmerzhaft wäre und weil unsere Bischöfe nichts so sehr abgeneigt sind wie der Unfreundlichkeit. Aber diese Fragen helfen uns auch zu verstehen, warum diese Gemeinden um die alte Messe, die Franziskus für spaltend hält, trotz dieser unterstellten „Spaltungsneigung“ ständig zunehmen.

Als Konvertit kann ich mich noch an das merkwürdige Gefühl erinnern, als ich nach dem Eintritt in die Kirche vor nunmehr fast zwanzig Jahren an einem Buibelkurs teilnahm, der von einem Priester gehalten wurde. Während des Treffens wurde es allmählich klar, daß er der Ansicht war, die Kirche sollte Frauen zu Priestern weihen und würde das letzten Endes auch schaffen. (Ich bin dan nie wieder zu diesem Kurs hingegangen.) Im Lauf der Jahre hatte ich mit anderen Pfarrangehörigen ähnliche Erfahrungen, und ich war wirklich erleichtert, wenn ich (allzu selten) einmal feststellte, daß mein Gesprächspartner tatsächlich „an all den Quatsch“ glaubte. Worauf es mir ankommt: In der Praxis gibt es schlichtweg keine Einheit im Glauben, wenn man je nach Pfarrei nie sicher sein kann, ob die Leute, die mit einem zur Kommunionbank gehen, nun die gleichen Glaubensgrundlagen teilen oder nicht.

Genau darin liegt die Stärke der Gemeinden um die überlieferte Liturgie. Man kann mit gutem Grund davon ausgehen, daß die meisten Menschen, die eine überlieferte Messe besuchen, das deshalb tun, weil sie auch das Gleiche glauben – das heißt also all das, was die Kirche im Grundsatz zu glauben vorgibt. Das ist mit dem Glauben ebenso wie mit der Liturgie: Wenn man zu einer Gemeinde mit dem alten Ritus geht, weiß man im Gegensatz zu einer der üblichen Pfarreien ziemlich genau, was man bekommt. Das macht sicher einen großen Teil ihrer Attraktivität aus.

Verteidiger der überlieferten Liturgie verweisen gerne auf das Wachstum der Gemeinden, und ich glaube ihnen, selbst wenn es vielfach bestritten wird. Aber ich denke, dieses Wachstum kommt nicht von Konvertiten. Ich denke, es handelt sich eher um ein natürliches Wachstum, denn alle Mitglieder dieser Gemeinden glauben an das ganze Spektrum katholischer Glaubenswahrheiten – einschließlich von dessen Verurteilung künstlicher Empfängnisverhütung. Und das deutet auf eine weitere selten wahrgenommene Stärke der Gemeinden mit alter Liturgie, auf ihre Fähigkeit, ihre Mitglieder bei der Stange zu halten. Und ich wette darauf, daß der Hauptgrund dafür in ihrer Stabilität in Liturgie und Lehre liegt. Aber eine Gemeinde kann nicht wachsen und kann erst recht nicht anderen das Evangelium verkünden, wenn sie noch nicht einmal den Zusammenhalt der bestehenden Mitglieder wahren kann.

In anderen Worten: Die Gemeinden mit überlieferter Liturgie besitzen etwas, das der moslemische Autor Ibn Khaldun des 14. Jahrhunderts als „asabiyah“ bezeichnete, etwas wie Zusammenhalt oder Gemeinsinn. Nach Kalduns Geschichtsphilosophie bewegte sich die Geschichte in Zyklen, und ein Reich oder eine Nation im Aufstieg hatten eine starke „asabiyah“, aber wenn sie verstädterten und dekadent wurden, ging dieser Zusammenhalt verloren. Wenn das eintrat, übernahmen aggressivere Stammesvölker von den Rändern, die noch über einen starken Gruppenzusammenhalt verfügten, die Herrschaft und errichteten eine neue Dynastie. Sein Name ging kürzlich im Zusammenhang mit dem niederschmetternden Abzug der US-Truppen aus Afghanistan nach ihrer Niederlage gegen die Taliban durch die Presse, nachdem diese doch scheinbar vor zwanzig Jahren hinweggefegt worden waren. In diesem Fall wurde eine moderne, mit großen Beständen hochentwickelter Waffen ausgerüstete Armee von einer Sandalentruppe besiegt, die zwar keine Hightechnologie aufbieten konnte, aber weitreichende Gemeinsamkeiten im Glauben und ein starkes Bewußtsein von ihrer Identität.

Vor den 60er Jahren besaß auch die Kirche noch diese Eigenschaften. Aber die Theologen, deren Ideen das zweite Vatikanum inspirierten, hielten diese Solidarität für engstirnig, rigide und unbeweglich, da sie ihrer Meinung nach nur auf einem reaktionären Widerspruch zur Modernen Gedankenwelt beruhten statt auf einem wahrhaft „lebendigen“ Glauben. Sie wollten „die Bastionen schleifen“ (Hans Urs v. Balthasar), damit die Kirche ihre Kräfte nicht länger im fruchtlosen Kampf gegen die Moderne verschwenden sollte. Für sie war das zweite Vatikanum ihr großer Friedensvertrag mit der modernen Welt. Das war ja noch nicht einmal ganz falsch, aber das, was dann nach dem zweiten Vatikanum folgte, war kein Heilmittel. Die Führer, die nach dem Konzil in der Kirche an die Macht kamen, betätigten sich als die Hausprediger der technokratisch-liberalen westlichen Ordnung, der sie – in der Hoffnung, darin einen bevorzugten Platz einzunehmen - ihren Segen erteilten.

Franziskus gehört offensichtlich ebenfalls dieser Denkrichtung an. Er sieht in der Beibehaltung der überlieferten römischen Liturgie einen unerträglichen Rückschritt zu einer überholten Ordnung. Von daher beabsichtigt er grade so wie die amerikanische Regierung bei den Afghanen eine „unterentwickelte“ Bevölkerung zu „modernisieren“ und durch sein Diktat die kämpfenden Stämme zur Einheit zu bringen. Die Zukunft ist immer ungewiß, und auf kurze Sicht mag er mit seinem Motu Propri großen Schaden anrichten. Aber für mich ist es sehr wahrscheinlich, daß dieses Abenteuer in kirchlichem „nation-building“ ziemlich genau so enden wird wie das der US-Regierung. Franziskus mag es gelingen, traditionelle Katholiken aus der Kirche zu vertreiben – aber die Chancen, daß er damit Einheit schaffen könnte, sind gerade so trügerisch wie die, Afghanistan in einen sicheren Hafen für Feminist(*in)en zu verwandeln.

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