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Ist das deutsche Schisma komplett?

Bild: Aus einer mittelalterlichen flämischen Handschrift, PICRYL, gemeinfreiGut möglich, daß die heute zu Ende gehende 13. Woche des Jahres 2022 von späteren Historikern als die Woche identifiziert wird, in der aus dem verschleierten Schisma der Deutschkatholiken ein offenes Schisma geworden ist. Besiegelt durch die von Noch-Kardinal Marx im Interview mit der Boulevardillustrierten „Stern“ mitgeteilte Absicht, die katholische Lehre in entscheidenden Punkten ihres Welt- und Menschenbildes aufzugeben und den Katechismus entsprechend zu ändern – oder für den Machtbereich des Synodalen Weges einen neuen zu erstellen.

Die Erklärung von Marx markiert den einstweiligen Höhepunkt eines sich in den vergangenen Jahren ständig zuspitzenden und beschleunigenden Prozesses des Ausscherens aus der Glaubensgemeinschaft des größten Teils der Weltkirche. Dabei werden nicht nur interne Kritiker immer brutaler marginalisiert, wie der Regensburger Bischof Voderholzer in der „Tagespost“ beklagte. Auch kritische Stimmen von außen, aus anderen glaubenstreueren Bereichen der Weltkirche, werden mit unglaublicher Arroganz abgebügelt – so gerade erst der besorgte Appell der polnischen Bischofskonferenz durch den großen Vorsitzenden Bätzing. Zu der durchaus ernst zu nehmenden Anfrage des australischen Kardinals Pell an den Papst, die Bischöfe Bätzing und Hollerich wegen ihres Abrückens von der Lehre zur Ordnung zu rufen, fiel der Funktionärsklique der Deutschkatholen nichts besseres ein als die Retourkutsche, den Papst aufzufordern, „dem unverantwortlichen Treiben von Kardinal Gerhard Ludwig Müller umgehend Einhalt zu gebieten“. Denn, so die Glaubenswächter von „Maria 2.0“ und „Wir sind Kirche“, der Kardinal verbreite mit seiner Kritik an der Corona-Politik der Regierung „Verschwörungsmythen“ und werde „tendentiell antisemitisch wahrgenommen“. Wenn einem sonst nichts mehr einfällt…

Nun ist das mit Appellen an Papst Franziskus, er möge doch bitteschön in der einen oder anderen Richtung Klarheit schaffen, so eine Sache: Hier geht es weiter Franziskus ist seit Beginn seines Pontifikates ein Mann der Grauzonen, der Zweideutigkeiten und der Unentschiedenheiten. Klarheit ist seine Sache nicht, und auch entschiedenes Durchgreifen nur dann, wenn er seine persönliche Machtstellung geschmälert oder einen seiner Spezis bedroht sieht. Trotzdem kann es sein, daß die deutsche Entwicklung ihn früher oder später zum Eingreifen nötigt. Nicht, weil er den synodale Irrweg grundsätzlich ablehnte – mit einigen der dort diskutierten und dann zweifellos auch endgültig verabschiedeten Punkten kann er sich durchaus einverstanden erklären. Aber nicht mit allen, und was ihm besonders gegen den Strich gehen dürfte: Konsequent zu Ende gegangen führt der deutsch-synodale Weg zu einer Kirchenorganisation, in der der Papst wenig mehr ist als der Grüßaugust im Kreise von Vorsitzenden regionaler Bischofskonferenzen, die ihrerseits wenig mehr sind als die Sprecher ihrer jeweiligen heimischen Räterepublik. Andererseits denken er und seine Betrater natürlich an die vielen schönen Euros aus der deutschen Kirchensteuer, ohne die der Vatikan noch deutlich schlechter dastünde, als ohnehin. Ein echtes Dilemma.

Alles deutet daraufhin, daß Franziskus es weiterhin mit Lavieren versuchen wird. Soll sich doch der Nachfolger an der Lösung des Dilemmas versuchen.

Dieser Kurs der Unentschiedenheit an der Spitze ist freilich das Schädlichste, was der Kirche widerfahren kann. Zum einen natürlich prinzipiell – der Auftrag des Petrusamtes geht nicht dahin, sich in Grauzonen wohnlich einzurichten. Dann aber auch ganz besonders in der gegenwärtigen historischen Phase, in der die Kirche sich unentwegten Angriffen von innen und von außen ausgesetzt sieht. Der amerikanische Publizist David Carlin hat dieser Tage auf TheCatholicThing einen Beitrag veröffentlicht, der den Zusammenhang zwischen Unentschiedenheit der Führung und beschleunigten Abrutschen der zu Führenden auf der schiefen Ebene überzeugend darlegt.

Zunächst beschreibt Carlin in diesem Artikel verschiedene Typen von Katholiken, die Schwierigkeiten mit der Lehre haben – sei es in einzelnen Punkten oder in der Gesamtheit: Da gibt es die, sich zwar im Widerspruch zu einzelnen Punkten sehen, aber dennoch „still leidend“ in der Kirche bleiben, weil sie sich ihres Urteils nicht sicher sind, oder weil sie keine Alternative sehen, oder auch weil sie hoffen die Kirche werde sich in der ihnen genehmen Richtung bewegen. Andere halten es in der fremd gewordenen früheren Glaubensheimat nicht mehr aus und orientieren sich ofen und öffentlich anderweitig : Sie treten zu einer anderen Konfession über, geben das Christentum ganz auf und werden eta Buddhisten oder ergeben sich vollständig dem Agnostizismus und Atheismus der Gesellschaft.

Wieder andere sehen sich mit ihrem Widerspruch vollständig im Recht und setzen alle Kräfte daran, die Gesamtkirche zu ihrer Überzeugung zu bekehren. Diese Reformatoren denken gar nicht daran, die Kirche zu verlassen – zumindest solange nicht, wie sie die Hoffnung haben, daß die Gesamtkirche sich in der von ihnen gewünschten Richtung bewegt.

Nicht erst seit diesem Pontifikat, aber in den letzten 10 Jahren mit zunehmender Häufigkeit und Intensität, setzen Bischöfe, Kardinäle und auch der Papst selbst Zeichen, die solche Hoffnungen bekräftigen können. Und so verstärken die Reformatoren ihre Anstrengungen und finden dann auch mehr Anhang – und desto schweigsamer und unsichtbarer werden die Glaubenstreuen. So entsteht eine verhängnisvolle Dynamik, die auch die Führung, die keinen Mut zur Führung hat, mit sich reißt. Am Ende sind die Reformatoren da, wo sie hinwollten – fürs erste zumindest, denn zufrieden sind sie nie. Und die anderen, die nichts anderes wollten und wollen, als den Glauben zu bewahren, wie er immer, überall und von allen geglaubt wurde, sehen sich heimatlos gemacht.

Wie es scheiont, steuert diese Entwicklung derzeit zumindest in Mitteleuropa auf einen Punkt zu, an dem Entscheidungen unvermeidlich werden, so oder so, an der Spitze oder im Fußvolk.

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