Kirchenkrise als Bischofskrise
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- 06. April 2022
Vor einigen Tagen hat der amerikanische Bischof Joseph Strickland Kardinal Marx schwere Vorwürfe gemacht: „Kardinal Marx hat den katholischen Glauben verloren. Er sollte so ehrlich sein, und zurücktreten“. Das war am ersten April – vielleicht ein unglückliches Datum – und so weit wir sehen, hat es bisher von Seiten des Kardinals oder anderer deutschkatholischer Stellen keinerlei Reaktion gegeben. Auch die römische Bischofskongregation hüllt sich in Schweigen; die Webseiten der Bischofskonferenz, des Bistums München und andere offizielle Sprachrohre fanden die Nachricht noch nicht einmal der Meldung wert.
Nun sind wir keine Freunde der gegenwärtig inflationär zu jedem Anlaß von jedem Hinz gegenüber jedem Kunz vorgebrachten Rücktrittsforderungen – aber die Begründung des Bischofs, der Kardinal habe „den Glauben verloren“, ist so schwerwiegend, daß man das nicht einfach so „im Raum stehen lassen“ kann. Daß Marx selbst sich nicht äußerst, ist wenig überraschend. Hinter seiner „progressiven“ Fassade steckt ein Machthaber schlimmster klerikalistischer Art, dem das „mich kann keiner“ – oder unfeiner ausgedrückt „ihr könnt mich alle…“ - längst zur zweiten Natur geworden ist. Daß sie, vielbeschäftigte Manager als die sie sich sehen, Briefe aus dem Kirchenvolk nur beantworten (lassen), wenn ihnen das politisch profitlich erscheint – also wenn sie von Maria 2.0 oder #Outinchurch kommen – geschenkt. Aber den Vorwurf eines „Mitbruders im Bischofsamtes“, vom Glauben abgefallen zu sein, der doch das Fundament dieses Bischofsamtes darstellt , diesen Vorwurf einfach so verpuffen zu lassen – das verrät schon ein gerüttelt Maß an Chuzpe.
Was uns von Seiten der Marxe und Bätzinge nicht weiter überrascht. Nachdenklicher stimmt uns das Schweigen der Bischofskongregation, die diese Beschuldigung des Glaubensabfalls, die ein Bischof gegen einen anderen erhebt, nicht einfach überhören kann, ohne sich selbst und in der Konsequenz das Bischofsamt insgesamt der Lächerlichkeit preiszugeben. Was das römische Dikasterium und den Papst selbst aber nicht sonderlich zu beunruhigen scheint.
Womit wir beim Kern der Sache wären: Bei der Krise des Bischofsamtes, die ein ganz wesentliches Element der allgemeinen Kirchenkrise ist. Die Wanderer auf synodalen Irrwegen haben ja nicht gänzlich unrecht, wenn sie ihr Mißfallen an der Art der bischöflichen Amtsausübung bekunden und versuchen, der merkwürdigen Mischung von Selbstherrlichkeit und Autismus, mit der diese vielfach amtieren, entgegenzuwirken. Nur daß die von ihnen dazu empfohlenen und mit Mehrheit beschlossenen Maßnahmen genau die Falschen sind: Demokratisierung und „Gewaltenteilung“, hier noch ein Ausschuß und da noch ein Rat, Paritäten und Diversifizierung allerorten – das funktioniert schon in der Gesellschaft mehr schlecht als recht und ist für die Kirche, Verwalterin des Glaubens und der Sakramente und mystischer Leib Christi , der alle seine Glieder zum ewigen Leben einschließt, gänzlich ungeeignet.
Damit soll nicht episkopaler Autokratie das Wort geredet sein. Natürlich kann ein Bischof nicht alles selbst machen und entscheiden. Natürlich braucht er Mitarbeiter und einen lebendigen Kontakt zu allen, die seiner väterlichen Fürsorge anvertraut sind – und dieser Kontakt kann nicht nur als Einbahnstraße von „oben“ nach „unten“ funktionieren. Aber was er nicht braucht, ist eine fast ausschließlich nach weltlichen Vorgaben funktionierende Bürokratie. In Deutschland sind die Ordinariate innerhalb weniger Jahrzehnte von ein, zwei Dutzend Helfern im Bischofshaus zu viele Hunderte von Mitarbeitern zählenden Apparaten angeschwollen, die immer öfter nur noch eigenen Interessen dient. Eine „Reform“ dieses Apparates nach rätedemokratischen Wunschvorstellungen kann dessen Dysfunktionalitäten nur noch verstärken.
Der Weg zu einer tatsächlichen Reform liegt anderswo. Er wurde von Papst Benedikt vor 10 Jahren in seiner Rede im Freiburger Konzerthaus unter dem Stichwort der „Entweltlichung“ angesprochen – was prompt ein bis heute andauerndes Wutgeheul derer auslöste, die sich in den kirchlichen Apparaten so komfortabel eingerichtet haben. Diese „Entweltlichung“ hat zwei untrennbar miteinander verbundene Seiten: Die Loslösung der Kirche von weltlichen Aufgaben, die andere – gegebenenfalls in ihrem Namen und Auftrag – besser erfüllen können, und die Hinwendung zu der von ihrem Stifter gegebenen Auftrag zur Heiligung der Welt, allen Menschen den Weg zum ewigen Heil zu zeigen und sie bei allem zu unterstützen, was das Erreichen dieses Zieles fördert – und vor allem zu warnen, das dem entgegensteht.
Bischof Strickland versucht diesem Auftrag – nicht nur in der Causa Marx, sondern auch in den Debatten innerhalb der USA – nach Kräften gerecht zu werden, komme das gelegen oder ungelegen. Das hat ihm das Image eines unverträglichen Hardliners eingebracht. Bischof Marx hat diesen Auftrag seit vielen Jahren immer wieder schmählich verraten – das hat ihn zum Liebling der organisierten Weltlichkeit innerhalb und außerhalb der kirchlichen Strukturen gemacht.
Und hier kommt wieder die römische Bischofskongregation ins Spiel, ohne deren Plazet niemand ins Bischofsamt kommen kann – oder kommen können sollte, unter Franziskus ist alles möglich. Papst Benedikt und sein Vorgänger Johannes Paul, auf deren Ernennungen auch heute noch die Mehrzahl der Mitrenträger zurückgeht, waren offensichtlich nicht imstande, die Arbeit dieser Kongregation – die neuerdings nur noch „Dikasterium“ heißen soll, nach ihren nicht nur in Benedikts Freiburger Rede geäußerten Vorstellungen zu lenken. Schwer zu sagen, ob sie sich dabei von ungetreuen Zuarbeitern täuschen ließen oder sich resignierend damit abgefunden haben, daß sich dort ein eigenen Interessen verpflichteter Apparat entwickelt hatte. Jedenfalls war „Weltgängigkeit“ in den vergangenen Jahrzehnten dort ein, wenn nicht das Hauptkriterium für die Berufung ins Bischofsamt, während man auf Verwurzelung im Glauben und Treue zur apostolischen Tradition wenig Wert legte, von altmodischer „Frömmigkeit“ ganz zu schweigen. Die Folgen sind bei Wölfen, die sich wie Marx oder Bätzing als Hirten nur ausgeben, in ganzer Lebensgröße zu besichtigen.
Ohne eine grundlegende reformatio – Rückführung auf ihre geistliche Aufgabe und seelsorgliche Funktion – dieses Apparates zur Auswahl von Bischöfen sind alle anderen Umbauarbeiten in der römischen Zentrale oder den lokalen Teilkirchen von vornherein vergeblich. Wo der Herr nicht das Haus baut und als Architekt und Eigentümer anerkannt wird ...