Bereichsnavigation Themen:

Magnus Striet sat on a wall...

Bild: Reproduktion einer Illustration aus einer frühen AuflageHeute wie versprochen ein paar Takte zu dem von Magnus Striet, Professor für Fundamentaltheologie in Freiburg, dieser Tage ausgerufenen und als unumkehrbar hingestellten deutschen Schisma. Doch zunächst eine Vorbemerkung: die Reaktionen auf den Artikel – sie beschränken sich fast ausschließlich auf die kirchliche Medien – waren einigermaßen gedämpft. Vielleicht hat man den manifestartigen Charakter des Textes nicht erkannt, vielleicht ist man auch bereits so mit Parolen und Schlagworten im „Geist des synodalen Weges“ übersättigt und hat sie so fraglos als Wesenskern der deutschkatholischen Kirche akzeptiert, daß man kaum noch aufmerkt, wenn jemand zum x-ten Male anscheinend das Gleiche sagt.

Uns scheint, der Rundumschlag von Striet – selbst wenn er in der Sache kaum Neues bringt – geht in der Zusammenstellung der Themen und im Ausdruck der Verachtung für das, was die Kirche 2000 Jahre lang ausmachte, deutlich über das hinaus, was man mit einem „immer die alte Leier“ in die Rundablage verschieben könnte. Deshalb also haben wir, auch wenn es weh tut, ein paar – bei weitem nicht alle – Punkte näher angeschaut.

Das Ärgernis fängt schon bei der Überschrift an: „Striet: Nehme Brief zum Synodalen Weg intellektuell nicht allzu ernst.“ So hat es dieser Tage schon Bätzing in seinen Anworten auf die diversen Mahnschreiben gehalten; das ist seit Kardinal Kaspers rassistisch eingefärbter Herabsetzung afrikanischer Katholiken von 2014 anscheinend Bestandteil des deutschkatholisch neu zu schreibenden Katechismus: Was nicht aus den Fakultäten der deutschen Staatstheologie kommt, ist „intellektuell nicht ernstzunehmen“.

Dieses grandiose Selbstverständnis steht allerdings in einem schreienden Gegensatz zur Wahrnehmung dieser Theologie auf internationaler Ebene: Was aus angeblich katholischen Fakultäten zwischen Bonn, Münster und München kommt – bei der protestantischen Bibelwissenschaft ist das aus nostalgischen Motiven noch etwas anders – wird seit längerem in den Ländern französischer oder englischer Sprache größteneils weder gelesen noch übersetzt; für derlei ideologiegetriebenes Glasperlenspiel ist ernsthaften Leuten ihre Zeit zu schade. Und der seit seinen Anfängen erkennbar aus dem Katholischen herausirrende Kurs des Synodalen Weges hat den Unwillen gegenüber den deutschen Sonderlichkeiten nur noch gesteigert. Da sollen sich die Lehrstuhlverweser mal nichts vormachen: Selbst in Mitteleuropa, erst recht aber auf anderen Kontinenten, sind es nur kleine Randgruppen, die den deutschen Weg als Vorbild sehen.

Doch nun zu Striets Ausrufung des Schismas. Im Wortlaut:

Hier geht es weiterUnverblümt spielen die Kritiker [die vom SynWeg einSchisma befürchten] auf die schließlich zum Schisma führende Reformbewegung an, die Luther mit seiner heftigen Kritik an den Zuständen und der Theologie in der Kirche seiner Zeit auslöste. Sich sorgen, dass ein Schisma kommen könnte, müssen die Kritiker sich aber nicht. Es gibt das Schisma längst. Ob es institutionell vollzogen wird, ist eine nachrangige Frage. Die innere Distanz zu dem, was angeblich als verbindlich zu glauben vom Lehramt der römisch-katholischen Kirche vorgegeben wird, ist in vielen katholischen Milieus so ausgeprägt, dass hier auch nichts mehr zu kitten ist.“

Soll wohl heißen: Den Synodalen Weg in seinem Lauf hält weder Papst noch Dogma auf.

Wir lernen: Die Institution – ich glaube, früher nannte man sie Kirche – ist nachrangig. Was zählt ist das „Innere“, das Gefühl, und das sagt nun mal den Leuten, daß sie das, was die Kirche von Rom ihnen zu bieten hat, nicht mehr ertragen und auch nicht mehr brauchen. Für einen „Fundamentaltheologen“ ist das ein reichlich steiler Ansatz – nicht zuletzt, weil er damit jedes Fundament seiner „Wissenschaft“ untergräbt. Aber was macht das schon – das Untergraben von Fundamenten (in Akademias Wunderland nennt man das „dekonstruieren“) ist in der Zunft en vogue, und das Gehalt eines deutschen Staatstheologen ist allemal sicherer als die Rente einer Krankenschwester.

Wo es keine Fundamente mehr gibt und Gefühle reagieren, wo früher Wissenschaft war, ist alles möglich. Und so redet der Theologe dann auch nicht von Gott (auch nicht von „Kirche“), sondern von der im 17. Jahrhundert entdeckten „Autonomie des Menschen – die erscheint auch „im Raum des Katholischen“ als der höchste Wert“, dem sich alles andere unterzuordnen hat.

Non serviam.

Auf diesem nicht besonders theologischen „Fundament“ lässt sich freilich Beliebiges aufbauen, oder besser gesagt, imaginieren. Z. B. die These, daß der Inhalt des Evangeliums, der mit dem Kreuzestod besiegelten Offenbarung des Gottessohns, beileibe nichts Bestimmtes sei, sondern in jeder Generation neu ausgehandelt werden müsse:

Allerdings steht auch nicht einfach fest, was das Evangelium ist. Die Unterzeichneten der "Antwort" scheinen dies zu wissen. Aber sie leisten damit nur den Offenbarungseid, dass sie die hochkomplexe, von Umbrüchen und Transformationen des überkommenen Glaubens gekennzeichnete Geschichte des Christentums, das es immer nur im Plural gegeben hat, nicht kennen beziehungsweise sich durch die von ihnen konstruierte Singularkonstruktion nur jeder Diskussion entziehen wollen.

Damit ist Striet freilich nicht besonders originell – er plappert nur nach, was Jesuitengeneral Sosa mit seinem Hinweis, zu Jesu Zeiten habe es noch keine Aufnahmegeräte gegeben, schon vor fünf Jahren salonfähig gemacht hat.

Von dieser relativistischen Position aus entwickelt der fundamentlose Fundamentaltheologe dann seine Hauptforderung für eine Kirche (wenn man diesen Ausdruck denn noch gebrauchen kann) der Zukunft. Im Zentrum steht dabei – klar, Sex ist alles – „eine Liberalisierung des Geschlechterverhältnisses“, und dann natürlich auch die „Zulassung zu den Ämtern jenseits von Personen mit dem biologischen Geschlecht eines Mannes“. Und überhaupt Diversität auf allen Ebenen, insbesondere auf dem Gebiet der Lehre – schließlich werde das ja überraus erfolgreich schon seit Martin Luther so praktiziert. Zumindest in Deutschland sei man da auf gutem und in der nationalen Tradition bestens begründeten Wege. Ob die Weltkirche dabei mitmacht oder nicht ist für Striet keine beunruhigende Frage:

Sollte sich an dieser Frage ein Schisma ereignen, dann ist dies halt so. Hatte nicht auch die klare Gottespraxis des Juden Jesus insofern schismatische Tendenzen, als er das damalige religiöse Establishment unnachgiebig reizte? Für seine Kritik an einem ausgrenzenden religiös begründeten Moralismus ist er in den Tod gegangen. Von Vorstellungen eines modernen Selbstbestimmungsrechts hat er nichts gewusst.

Das ist allerdings eine bemerkenswerte Zusammenstellung der Grundwahrheiten des Christusglaubens: Der Prediger aus Nazareth wurde ans Kreuz geschlagen für seine Kritik an einem ausgrenzenden religiös begründeten Moralismus.

Jede inhaltliche Auseinandersetzung mit Striets Gedanken muß nach dieser Abschiedserklärung aus dem Christentum als fruchtlos und überflüssig gelten. Wir streiten ja auch nicht mit Hindus über die wunderlichen Umstände der Zeugung und Geburt des elephantenköpfigen Ganesha, obwohl das sicher vergnügerlicher wäre als sich mit dem pseudo-wissenschaftlich aufgemotzten Subjektivismus von Striet und seinen synodalen Weggefährten zu beschäftigen.

— Aber wir sind unseren Lesern noch eine Erklärung dafür schuldig, warum wir bei der Lektüre von Striets Artikel ausgerechnet an Lewis Carolls Humpty Dumpty denken mussten und welche Verwandtschaft wohl zwischen beiden bestehen mag.

Bitte sehr: Nachdem der auf der hohen Mauer sitzende Eierbauch mit seinem ständig die Bezüge wechselnden Geschwätz die arme Alice ziemlich verwirrt hat, läßt er sich zu folgender Erklärung herab:

„Wenn ich ein Wort verwende,“ sagte Humpty Dumpty nun ziemlich gereizt, „dann bedeutet es genau das, was ich will – nicht mehr und nicht weniger.“

„Es ist nur die Frage,“ sagte Alice, „ob Sie Wörter einfach so sehr Unterschiedliches bedeuten lassen können.“

„Es ist nur die Frage,“ sagte Humpty Dumpty, „wer das Sagen hat – so ist das nun mal.“

Womit er das Geheimnis der Art von Wissenschaft, die Striet und Co zu ihrem Geschäft gemacht haben, ziemlich genau trifft. Und ob es nach all den Subjektivismen, die der fundamentlose Theologe in seinem jüngsten Artikel (die meisten älteren sind keinesfalls besser) verkündet hat, noch nötig wäre, reicht er in den letzten Absätzen noch ein formidables Geständnis nach: Die Begriffe bedeuten nicht das, was sie herkömmlich und im allgemeinen Verständnis bedeuten, sondern das, was Humpty Striet ihnen als Bedeutung zuweisen will.

Unter der Zwischenüberschrift „Apostolische Sukzession läßt sich auch anders denken“ gibt der Professor sein Gedachtes dieses seit über tausend Jahren eingeführten Begriffes zum Besten:

Eine hierarchische Autorität wird schon lange nicht mehr akzeptiert. Zudem befindet sich das Priesteramt längst in einer existenzbedrohenden Krise. ... Erwartet wird theologische Kompetenz, und: menschliche Überzeugungskraft. Dies mag von Theologen als theologisch falsch, jedenfalls als nicht katholisch bezeichnet werden. Aber das wird weder andersdenkende Theologen noch einen erheblichen Teil von Menschen interessieren, die sich als katholisch beschreiben. Wenn ich mich nicht täusche, so verändert sich die Vorstellung, was die Sakramentalität von Kirche ausmacht, ohnehin. Und dies mit guten Gründen. Die Sakramententalität der Kirche über eine ungebrochene apostolische Sukzession, durch Handauflegung von Mann zu Mann zu begründen, ist schließlich nicht nur intellektuell dürftig, sondern historisch nicht einzulösen. Apostolische Sukzession lässt sich durchaus auch anders denken. Gottes Entschiedenheit für den Menschen wird dann sichtbar, wenn Menschen im vertrauenden Glauben daran leben, dass sich Gott selbst als der Jude Jesus offenbar gemacht hat und seine Menschenfreundlichkeit Person geworden ist. (…) Wenn ein solcher geglaubter Glaube schismatisch wirkt, dann ist das so.“

Was dieser Wortsalat mit „apostolischer Sukzession“ zu tun haben könnte, erschließt sich übrigens weder auf den ersten noch auf den dritten Blick. Nur eines wird ganz deutlich: der Wille, Worte und Begriffe gerade so zu verwendenm, wie es einem gefällt. Und die Entschlossenheit, sich auch durch die Abspaltung von der Kirche zweier Jahrtausende nicht vom einmal eingeschlagenen Weg abbringen zu lassen, Glaube und Kirche nach eigenen Wünschen umzuformen. Non serviam!

In dem von Lewis Caroll bereits vorgefundenen Kinderreim von Humty Dumpty nimmt der arrogante Eierkopf übrigens kein gutes Ende:

Humpty Dumpty sat on a wall,
Humpty Dumpty had a great fall;
All the King's horses
And all the King's men,
Couldn't put Humpty together again.

Zusätzliche Informationen