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Liturgisches Überleben in Grauzonen

Bild: Aus dem zitierten Artikel auf MILZwischen den Blogs Caminante Wanderer (Argentinien) und MessaInLatino (Italien) findet derzeit eine durchaus freundschaftliche Diskussion über den Anteil von Papst Franziskus an den Aktivitäten gegen die überlieferte Liturgie statt. Der Wanderer vertritt dabei die Ansicht, das Franziskus an Liturgie prinzipiell desinteressiert sei, sich ausschließlich den Dingen widme, die sein neo-jesuitisches Denken für wichtig hält, und im übrigen den Stimmen folge, die am besten in sein aktuelles Machtkalkül passen. Dem wollen wir nicht widersprechen, zumal der Wanderer durchaus schwerwiegende Argumente zur Unterstützung seiner Ansicht anführen kann.

MessaInLatino hält dem entgegen, daß die bisherigen Aktionen des Pontifikats sehr wohl ein starkes Interesse des Papstes erkennen ließen, die überlieferte Liturgie aus dem Gottesdienst der Kirche zu vertreiben und daß die der Petrusbruderschaft gewährten Zugeständnisse allein den Zweck hätten, dort ein „Ghetto“ einzurichten und zu isolieren, das sich dann bei Gelegenheit umso leichter auslöschen lasse. Auch dem wollen und können wir nicht widersprechen, denn auch Messa in Latino kann schwerwiegende Argumente zur Unterstützung seiner Ansicht anführen.

Uns scheint, die beiden Versionen stehen nicht in direktem Widerspruch zueinander, sondern unterscheiden sich alleine im Grad der Einschätzung des persönlichen Engagements von Franziskus – und das ist unseres Erachtens doch eher ein Streit um des Papstes Bart, wenn man so sagen darf. Franziskus neigt dazu, gerade demjenigen Recht zu geben oder zumindest nicht zu widersprechen, der ihm gegenübersteht – und die Widersprüche, die daraus entstehen können, interessieren ihn nicht, solange sie seine Position nicht gefährden. Im Gegenteil: Wenn die Höflinge streiten, gewinnt der Herrscher umso mehr Spielraum, nach eigenen Plänen zu handeln – oder nach eigener Willkür, wie man bei Franziskus oft annehmen muß

Für die Parteien am päpstlichen Hof – und natürlich erscheinen auch die Verteidiger der überlieferten Lehre und Liturgie unter diesen Umständen als nicht mehr als eine Partei unter anderen – hat das zwiespältige Auswirkungen. Hier geht es weiterDas Handeln des Papstes, dessen Wort Gesetz ist, wird tatsächlich unkalkulierbar und widersprüchlich. Letzten Endes wird alles möglich, je nach Tagesform und Opportunität zum Zeitgeist – und genau das erscheint uns als der überaus gefährliche Generalnenner der Linie dieses Papstes. Unsicherheit breitet sich aus, Planungen werden unmöglich, und natürlich bedeutet das auch und gerade für die traditionsorientierten Gemeinschaften, die zu den wenigen „Wachstumszweigen“ der Kirche gehören, große Risiken. Nach ihrem Selbstverständnis meidet die Tradition Grauzonen.

So wie sich in den modernistisch geführten Kirchenprovinzen kaum noch Priesterberufungen zeigen, weil potentielle Interessenten nicht wissen, ob es dort in ein oder zwei Jahrzehnten überhaupt noch Priester geben soll und wie deren Amt dann aussieht, kann der gegenwärtige Schwebezustand auch zu einer tödlichen Gefahr für die Seminare der Tradition werden. Zonen der Unischerheit breiten sich aus, in denen niemand mehr weiß, wie es weitergehen soll. Die Feinde der Tradition können das durchaus mit Zufriedenheit zur Kentnis nehmen, es dient ihren Zielen, und das ganz unabhängig davon, ob es so von Franziskus gewollt ist oder nicht.

Man kann diesen Schwebezustand mit dem hl. John Henry Newman als einen Zustand der Suspension des Lehramtes verstehen- oder schlichtweg von Anarchie sprechen. Tatsache ist, daß in der gegenwärtig absichtsvoll erzeugten Grauzone weitaus mehr als in anderen Abschnitten der neuzeitlichen Kirchengeschichte eigenverantwortliches Handeln seitens derer geftragt ist, die sich in ihrem Verlangen nach verläßlicher und tatkräftiger Anleitung durch die berufenen Hirten enttäuscht sehen. Der eingangs verlinkte Artikel von MessaInLatino macht in dieser Hinsicht auf ein interessantes Detail aufmerksam: Während in der römischen Pfarrkirche S. Trinita der Petrusbruderschaft auch in diesem Jahr das österliche Triduum in der gewohnten Weise feiern konnte, blieb die nur wenige hundert Meter entfernt gelegene Kirche der hl. Celso und Giuliano, die vom Institut Christus König und Hoherpriester betreut wird, entsprechend der Anordnung des römischen Generalvikars geschlossen.

Natürlich kann es gute Gründe dafür gegen, daß sich das Institut nicht ebenso an den Papst gewandt hat, wie die Petrusbruderschaft das getan hat. Es gibt zweifellos auch Gründe dafür, sich nicht über das nach Ansicht vieler Rechtskenner unrechtmäßige und damit unverbindliche Handeln des Generalvikars hinwegzusetzen. Die Frage ist, ob es sich jeweils um gute Gründe handelt. Das ist zu untersuchen und darüber ist im Einzelfall auch brüderlich zu streiten. Würde der Generalvikar von Rom oder anderswo die Sbirri in Marsch setzen, um die Widerspenstigen nach Rocca di San Leo abzuführen? Würde der Pontifex selbst versuchen, einen Bannfluch zu schleudern - der doch durch jahrzehntelange Nichtanwendung gegenüber Häretikern aller Spielarten jede Legitimität verloren hätte?

Wenn aus der Entwicklung der letzten Jahrzehnte – und für das Pontifikat von Franziskus gilt das in besonderem Maße – irgendetwas zu lernen ist, dann doch dieses: Wer seine Pläne verfolgt, ohne lange nach Genehmigung zu fragen, setzt sich damit schon auf mittlere Sicht durch durch, selbst wenn sein Handeln gegen geltendes Recht und gegen die tausendjährige Tradition der Kirche verstößt. Das Lehr- und Hirtenamt erscheint wie in Lähmung verfallen. Der auf sein (vorläufiges) Ende zusteuernde Synodale Weg der Deutschkatholiken bietet das jüngste und drastischste Beispiel: Selbstverständlich wird „Rom“ davor zurückschrecken, das innerlich längst vollzogene Schisma auch der Form nach zu bestätigen; selbstverständlich wird man behilflich sein bei der Errichtung einer Grauzone von kontinentalem Ausmaß, in der die Irrlehren eines ganzen Jahrtausends zur geltenden Doktrin erhoben werden.

Doch auch wenn das Lehr- und Hirtenamt sich dispensiert: Die Lehre selbst kann nicht zur Disposition gestellt werden. Und sie ist deutlich genug überliefert, daß man ihr auch eine Zeit lang folgen kann, wenn die obersten Hirten ihren Dienst versäumen. Für die Verteidiger der Überlieferung kann es daher nur eine Frage des konkreten Kräfteverhältnisses „vor Ort“ und der Opportunität sein, ob sie die vom gegenwärtigen Kirchenregiment eröffneten Grauzone ebenfalls nutzen – oder sich dem Diktat des das Lehramt des Faktischen usurpierenden Modernismus unterwerfen. Was die Präferenzen eines erratisch regierenden Papstes sein mögen oder welche Absichten man hinter seinen Aktionen vermutet, hat dabei wenig zu bedeuten. Zunächst zählt das, was „vor Ort“ möglich ist.

Die Spielräume dafür sind auszuloten und zu erweitern. Die Bereitschaft von Bischof Meier, Diakone für die Petrusbruderschaft zu weihen, und die Tatsache, daß Kardinal Müller ausgerechnet für die besonders entschiedene Gemeinschaft vom guten Hirten Weihen vorgenommen hat, sind Anzeichen dafür, daß Spielräume tatsächlich vorhanden sind, ohne leichtfertig ein Schisma zu verursachen.

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