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Kardinäle warnen vor falschen Propheten

Bild: Montage aus Aufnahmen von tagespost und cna/IbanezEin seltener Lichtblick, und dann auch noch im Zusammenhang mit dem Synodalen Weg, ist dieser Tage in der katholischen Kirche Deutschlands – oder dem, was noch von ihr übrig ist – sichtbar geworden: Die in vielem doch oft (und nicht ohne Grund) so verschieden wahrgenommenen Kardinäle Müller und Kasper haben sich in unerwarteter Übereinstimmumg mit ernsten Ermahnungen an die Synodalisten gewandt, zu den Grundlagen des Glaubens der Kirche zurückzukehren.

Kardinal Kasper hat anläßlich des Online-Studientages der Vereinigung „Neuer Anfang“ einen Vortrag gehalten, in dem er sich ausführlich zu den Themen Reform der Kirche, Synodale Elemente sowie Rolle und Pflicht der Bischöfe geäußert hat. Ein Kurzreferat besonders wichtiger Aussagen gibt es auf CNA Deutsch, den gesamten Text kann man auf der Website des Neuen Anfangs nachlesen.

Man wird und muß nicht mit allen dort getroffenen Aussagen des doch auch zu den Ideengebern einer überschießenden Reformbewegung gehörenden Theologen Kasper übereinstimmen – aber es ist unverkennbar, daß er hier eindeutig katholische Positionen vertritt und dabei vieles sagt, was auch Gläubige unterschreiben könnten, die sich betont durch ihr Verhältnis zur Tradition definieren.

Hier geht es weiterKasper beginnt mit einem Rückblick auf die Geschichte der kirchlichen Reformbewegungen das 20. Jahrhunderts, die wesentliche Impulse aus den Katastrophen von Weltkrieg I, Faschismus und Weltkrieg II empfangen hat: So sollte es nicht weitergehen. Im Folgenden wendet sich Kasper der Unterscheidung von wahrer und falscher Reform zu und befindet in unerwarteter Deutlichkeit:

Erneuerung ist nicht Neuerung. Erneuerung meint nicht eben einmal etwas Neues ausprobieren und eine neue Kirche zu erfinden. … Reform bedeutet, die Kirche wieder in Form zu bringen – in die Form, die Jesus Christus gewollt und die er der Kirche gegeben hat. … Kirchenreform macht die Kirche nich zu einer Verfügungsmasse, die man situationskonform jeweils neu kneten und gestalten kann. Wahrer Reform geht es nicht darum, möglichst zeitgemäß zu sein, sondern darum, möglichst Christus-gemäß zu sein.“

Von daher entwickelt er ganz konkrete Mahnungen an die Vertreter der synodalen Bestrebungen in Deutschland und anderswo: Synodales Handeln heißt nicht „Demokratisierung“; Synoden sind Ausnahmeereignisse und kein parlamentarischer Dauerzustand, Sie finden Antworten auf Zeitfragen im Gebet und nicht nach vorgefertigten ideologischen Rezepten.

Der dritter Teil beginnt mit der Frage: „Wie können wir wissen, was das Evangelium uns heute sagt.“ Zur Angtwort referiert Kasper die Grundlinien der klassischen Lehre (Melchior Cano) der Kirche von Tradition und Heiliger Schrift als den Quellen des Glaubenswissens und wendet sich eindeutig gegen die von den Synodaltheologen vorgenommene Einebnung des Unterschiedes zwischen den eigentlichen, auf Stiftung und Leben der Kirche zurückgehenden und den äußeren, auf menschlicher Vernunf beruhenden „loci theologici“. Diese einander gleichgestellt zu haben bezeichnet Kasper als „Die Ursünde des Synodalen Weges“ und führt aus:

Wenn wir das Evangelium einmütig auslegen wollen, dann genügt nicht eine Einmütigkeit, die wir heute untereinander finden, es bedarf auch einer Einmütigkeit mit dem Glauben früherer Zeiten der Kirche. Wir dürfen nicht geschichtsvergessen sein und meinen, an einem Nullpunkt neu anfangen zu können. Solche Geschichtsvergessenheit ist eine der schlimmsten Krankheiten, mit denen ein Mensch geschlagen sein kann; wie nennen sie Demenz. Auch als Kirche dürfen wir nicht dement werden und unsere Identität verlieren.

Ein vierter Teil äußert Grundgedanken zum synodalen Prinzip als solchem – das wird in unseren Augen insbesondere da wieder interessant, wo Kasper daraus Folgerungen für die Bedeutung des Bischofsamtes zieht. Das Bischofsamt bildete stets einen Grundpfeiler der von Christus gestifteten Kirche. „Wer an diesem Pfeiler sägt, der bricht der Kirche das Genick.“ Die den Bischof abverlangten (oder von diesen bereitwillig gewährte) „Selbstverpflichtung“ zur Umsetzung von Synodalbeschlüssen ist für den Kardinal daher ein „fauler Trick“, ja mehr noch: Letztlich käme eine solche Selbstverpflichtung einem kollektiven Rücktritt der Bischöfe gleich. Verfassungsrechtlich könnte man das Ganze nur als einen Coup, d.h. als einen versuchten Staatsstreich bezeichnen.“

Der abschließende 5. Teil bringt lesenswerte Gedanken zum Verhältnis von Hierarchie und Beteiligung der Gläubigen, von sakramentalem Charakter der Stiftung der Kirche und der Rolle charismatischer und prophetischer Einzelpersonen in jweils konkreten historischen Epochen. Beispiele dafür sieht  er in den großen Kirchenlehrern und -lehrerinnen, Ordensgründern und Ordensgründerinnen der Vergangenheit. Und er warnt ein weiteres Mal: „Doch niemand kann sich selbst zum Propheten machen. Wer das versucht, kann nur ein falscher Prophet sein.“

Der oben angeführte Beitrag von Kardinal Müller (nachzulesen in kath.net) ist weitaus weniger umfangreich und auf gewisse Weise auch weniger grundsätzlich – dafür ist er kirchenpolitisch noch zupackender. Einmal, indem er – unserer Meinung nach vielleicht etwas voreilig – die Haltung einnimmt, mit seiner Kritik an den Synodalwegler nichts anders auszusprechen als die Position von Papst Franziskus. Wir werden sehen. Zum zweiten, indem er seine Argumentation fast ausschließlich auf Zitate aus den Dokumenten des 2. Vatikanums stützt, also jene Dokumente, deren höchsteigene Interpretation die deutschen Synodalisten und andere Kirchenverderber doch als unüberwindlichen Schutzschild vor sich herzutragen pflegen. Das ist schon für sich ein bemerkenswertes Zeugnis für die diesen Dokumenten inhaerente – nennen wir es einmal – „Flexibilität“. In der Auseinandersetzung mit Konzilsgeistern aber sicher ein zulässiges Mittel.

Müller wiederholt einleitend den von ihm bereits öfter ausgesprochenen Vorwurf, die Mehrheit der Synodalisten und zwei Drittel des deutschen Episkopats bewegten sich direkt ins Schisma, in einen „apostatischen Widerspruch zum Glaubensbekenntnis“ und dem, was „katholisch“ bedeutet. Und weiter:

„Katholisch-Sein“ bedeutet aber nicht, die politischen und finanziellen Ressourcen der deutschen Bistümer zu benutzen, um sich unter Beibehaltung des Etiketts eine Kirche zurechtzubasteln, die mit dem „Geheimnis, das in ihrer Gründung im drei-einigen Gott offenbar wird“ (Lumen gentium 5) nicht mehr das Geringste zu tun hat. Das Katholisch-Sein ist von Gottes universalem Heilswillen her inhaltlich bestimmt. Die Kirche kann also nicht mit politischen, sozio-psychologischen und schon gar nicht mit ideologischen Kategorien in ihrem Wesen und ihrer göttlichen Sendung begriffen oder auf eine weltliche Organisation reduziert werden.

Mit gleicher Schärfe wendet sich Kardinal Müller gegen die zur Synode von einige Staatstheologen aufgestellte These, die gegenwärtige Form der Kirche sei „ein ideologisches Konstrukt des 19. Jahrhunderts“ und könne und solle den Einsichten der Gegenwart angepasst und verändert werden. Ganz im Einklang mit Kasper schreibt er:

Im Unterschied zur altprotestantischen Hermeneutik (,d.h. theologischen Erkenntislehre) mit dem Prinzip „sola scriptura“, dass also das Wort Gottes nur in der Heiligen Schrift enthalten sei und das einzige Kriterium des geoffenbarten und rechtfertigenden Glaubens darstelle, und zur neuprotestantischen Sicht, dass Jesus nur ein moralisches Beispiel und eine Membran unseres Gottesgefühls sei, lehrt die katholische Kirche: „Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes.“ (Dei verbum 10).

In einem weiteren Abschnitt wendet sich Müller dem ins Zentrum der Synodendebatten gerückten Themenbereich der Sexualität zu.

Auffällig ist nur die monothematische Fixierung auf die Sexualität, die – auf bloße Triebbefriedigung reduziert – ein Menschenbild ohne den lebendigen Gott verrät, das man nur als anthropologischen Nihilismus bezeichnen kann, … Wo nicht mehr „die Liebe das Band der Vollkommenheit“ (Kol 3, 14) ist, das alle Glieder des Leibes Christi zusammenhält, bleibt in einer theologisch entkernten Gesellschaft nur noch „der Wille zur Macht“ als Triebfeder zur Sicherung von Einfluss und zur Verfügung über die Finanzmittel.“

Und dann weiter zu der von ihm anscheinend (und durchaus erwägenswerter Weise) nur als Verlängerung des Themas Sexualität angesehenen Diskussion über „Macht“:

Im Gegensatz zu der ungeheuren Anmaßung der „Synodalen“ über die Notwendigkeit des sakramentalen Amtes von Bischöfen, Priestern und Diakonen zu entscheiden, hat das II. Vatikanische Konzil „auf die große Würde des Priesterstandes hingewiesen.“ (Presbyterorum ordinis 1). Diesem Stand kommen demnach „bei der Erneuerung der Kirche Christi höchst bedeutsame und unstreitig immer schwierigere Aufgaben zu.“ Das aus dem Apostolat hervorgegangene dreigliedrige Dienstamt der Bischöfe und Presbyter und Diakone ist keineswegs biblisch unbegründet und nur eine Sonder- oder Fehlform seiner eigenen Entwicklung, sondern die Fortsetzung der Sendung Christi vom Vater (Joh 20, 21) in der Vollmacht des Heiligen Geistes (Apg 20, 28). Es wird durch das Sakrament der Weihe übertragen, in dem Christus als Haupt der Kirche im Heiligen Geist selbst die Bischöfe/Priester als Hirten einsetzt und ihnen die geistliche Vollmacht gibt „an Gottes Stelle der Herde vorzustehen, deren Hirten sie sind, als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult und als Diener in der Leitung.“ (Lumen gentium 20).

Nach weiteren Bemerkungen über den „verbissenen Kampf gegen den Zölibat“ ermahnt der Kardinal die Synodalen abschließend:

Soll die Kirche in Deutschland wieder Anschluss an die Weltkirche gewinnen, deren Teil sie ist und ohne die sie nicht mehr katholisch wäre, dann sollte nicht nur der Brief von Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland gelesen, sondern auch endlich das II. Vatikanum zur Kenntnis genommen werden, besonders mit seiner theologischen Erkenntnislehre in der Dogmatischen Konstitution über die Göttliche Offenbarung „Dei verbum“ und auch die Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium.“

Wir vermuten, der eine oder andere feinschwarze Theologiker wird in diesen Dokumenten Passagen finden, die er als Bestätigung seiner häretischen Ansichten interpretieren und zitieren kann – freilich nur, wenn er gegen die von den Kardinälen Kasper und Müller gemeinsam aufgestellte Grundregel verstößt, die Gestalt und die Lehre der Kirche nicht von gegenwärtigen Interessen, sondern vom Auftrag ihres Stifters und in der Tradition von 2000 Jahren zu sehen. Erst wenn verbindlich klar gemacht und durchgesetzt wird, daß nur diese Perspekte einen korrekten Umgang mit den Papieren des 2. Vatikanums ermöglicht, wird man diese Dokumente wieder „ohne Bauchschmerzen“ heranziehen können.

Das Zentralorgan der der deutsch-reformierten Synodalkirchler hat auf die Intervention der beiden Kardinäle bisher wie man so schön sagt „verhalten“ reagiert. Zu Müller hat es sich, wenn wir da nichts übersehen haben, überhaupt nicht geäußert; zu Kasper zitiert es zunächst einige Sätze, die die ideologisch gut geschulten Leser des Organs leicht als „hoffnungslos aus der Zeit gefallen“ abtun können. Im zweiten Aufschlag läßt es einen Funktionärskollegen aus dem Schweizer Staatskirchensystem mit der Behauptung zu Wort kommen, derart „pointierte Stellungnahmen“ sprächen nicht gegen, sondern für das Vorhaben der Synodalista.

So malt sich jeder seine Welt schön.

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