Was von Franziskus bleibt
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- 28. Juni 2022
Andrea Gagliarduccis wöchentlich erscheinenden Lagebericht „Monday Vatican“, der jeden Montag auf Deutsch auch beim Beiboot Petri erscheint, lesen wir immer mit großem Interesse und meistens auch mit viel Zustimmung. In der Ausgabe dieser Woche, in der Gagliarducci sich mit den ins Gerede gekommenen Regularien und Perspektiven des künftigen Konklaves befasst, sind wir an einem Satz hängen geblieben, der uns zu denken gibt. Gagliarducci spricht davon, die Kurienreform von Franziskus habe einiges in Rom „für immer geändert“ – und gegenüber dahingehenden Behauptungen, die auch von anderen vertreten werden, haben wir schon öfter unsere Skepsis markiert.
Es ist sicher richtig, daß Franziskus das Papstamt in seiner Wirkung und Wahrnehmung innerhalb wie außerhalb der Kirche nicht nur „verändert“, sondern schwer beschädigt hat. Das betrifft vor allem seinen Regierungsstil, in dem despotische Elemente neben der bewußten Schaffung oder Zulassung von „Grauzonen“ stehen, die verschiedenen Kräften Raum geben, eigene Konzepte – insbesondere jenseits der Tradition – zu verfolgen – und Franziskus als dem „Letztentscheider“ zusätzliche Optionen eröffnet. Indem er das Papstamt fast völlig aus seiner herkömmlichen Rollenerwartung gelöst hat, hat Franziskus die Handlungsmöglichkeiten seines Nachfolgers enorm erweitert – einschließlich der in der Vergangenheit nur sehr diskret angewandten Möglichkeit, Projekte und (Rechts)Akte eines Vorgänges aufzuheben oder umzukehren. Nichts von dem, was Franziskus angeordnet hat, kann seinen Nachfolger binden.
Gagliarducci macht zu Recht darauf aufmerksam, daß es hier eine nicht unbedeutende Ausnahme gibt, und das sind die Bestimmungen für die Zusammensetzung und die Arbeit des Konklaves, das diesen Nachfolger bestimmen soll. Anscheinend kursieren in Rom derzeit die wildesten Vermutungen dahingehend, wie Franziskus diese Bestimmungen gestalten – um nicht „manipulieren“ zu sagen – könnte, um der von ihm favorisierten „Partei“ das Übergewicht zu sichern. Hier liegt – mehr noch bei anderen Aktionen von Franziskus – hohes Potential zur Verursachung einer Kirchenspaltung: Man stelle sich vor, eine zahlenmäßig relevante Gruppe von Papstwählern würde die erlassene Konklaveordnung als so unzumutbar empfinden, daß sie die Beteiligung an einer darauf beruhenden Wahl ablehnte – die Folge könnte ein gespaltenes oder verdoppeltes Konklave sein: Die eine Gruppe wählt ihren Papst in der Sixtinischen Kapelle – die andere in St. Johannes im Lateran. Selbst wenn es soweit nicht kommt, hätte der Erlaß einer von weiten Teilen der Kirche nicht akzeptierten Wahlordnung das Potential, die Legitimität des aus dieser Wahl hervorgegangenen Nachfolgers in Frage zu stellen. Darüber im Einzelnen nachzudenken, ist freilich müßig, solange man nichts darüber weiß, was eine neue Konklaveordnung enthält – sofern Franziskus das überhaupt vorhat. Die römische Gerüchteküche ist manchmal etwas überhitzt…
Neben dem Regelwerk für die Wahl des Nachfolgers hat ein Papst, so sehr er sich auch über die Tradition hinwegsetzen will, wenig Möglichkeiten, über seinen Tod hinaus zu wirken – und das gilt, wie oben gesagt, nach diesem Pontifikat noch mehr als früher. Der Nachfolger ist – zumindest rechtlich – in der Wahl seiner Mitarbeiter völlig frei, und er kann Gesetze und Verordnungen seines Vorgängers nach Belieben aufheben, ändern, oder – wie es praktisch am einfachsten zu bewerkstelligen ist – durch Nichtbeachtung außer Kraft setzen.
In der Praxis gibt es für diese Freiheit aber diverse Grenzen, wenn der Nachfolger nicht ähnlich rücksichtslos und despotisch vorgehen wollte, wie Franziskus – und mit ähnlich zweifelhaftem „Erfolg“. Er wird auf Jahre hinaus zumindest zum Teil auf das von Franziskus etablierte oder begünstigte Führungspersonal der Kurie zurückgreifen müssen. Der im Vatikan verbreitete Opportunismus würde das freilich erleichtern – wenn auch nur begrenzt, wie am Beispiel Benedikts zu ersehen.
In einigen Bereichen wird auch ein an der Wiederherstellung der Kirche arbeitender Papst Entscheidungen nicht so ohne weiteres zurücknehmen oder umkehren können, wenn diese auch außerkirchliche Folgen gezeitigt haben: Sollten z.B. Staaten und internationale Organisationen die von Franziskus spektakulär mißachtete Souveränität des Malteserordens auch ihrerseits zur Disposition stellen, kann kein künftiger Papst das einseitig ändern. Priesterberufungen, die unter dem von Franziskus herbeigeführten oder geduldeten Chaos verloren gegangen sind, kann kein Nachfolger durch päpstliches Dekret wiederherstellen. Gemeinschaften wie zum Beispiel die Franziskaner der Immakulata, denen die Exekutoren der Ordenskongregation die Luft abgeschnürt haben, werden sich nur schwer wiederbeleben lassen – wenn überhaupt.
Das seit Jahrzehnten sinkende und zuletzt gezielt abgesenkte Glaubensbewußtsein in Klerus und Episkopat wird nich leicht wieder zu heben sein. Der von den manipulierten und orientierungslosen Kardinälen des vergangenen Konklaves ins Amt gehievte Jesuit hat zwar keine Macht über seinen Nachfolger – wer auch immer das sei – aber er überläßt ihm eine Ruinenlandschaft, die nur schwer wieder aufzubauen ist.