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Warnschuss aus Rom

Montage unter Verwendung von Aufnahmen des CNS und  Vatican MediaAuf durchaus ungewöhnliche Weise hat Rom die deutschen Bischöfe davor gewarnt, ihren Weg ins synodale Schisma unbeirrbar wie bisher fortsetzen. Der Vatikan veröffentlichte am Donnerstag (24. 11) in mehreren Sprachen die Reden der Dikasteriums-Vorsitzenden Ladaria und Ouellet, mit denen die beiden Kardinäle die in Rom versammelten Bischöfe dazu aufgefordert hatten, ein „Moratorium“ für den Synweg auszurufen – im Klartext: Vor dem Abschluß der Weltsynode (geplant für 2024) dort keine Beschlüsse mehr zu fassen. Die Bischöfe bzw. deren vom Glauben abgefallene Mehrheit hatten zwar eine förmliche Verpflichtung auf ein solches Moratorium abwenden können. Anscheinend waren die Römer jedoch von den in dieser Hinsicht gemachten Zusagen nur begrenzt überzeugt, zumal Bischöfe wie BätzingOverbeck und Gerber schon unmittelbar nach ihrer Rückkehr ihr „Weiter so“ angedeutet hatten.

Nun liegen die römischen Kritikpunkte also auf dem Tisch, und es wird sichtbar: Da sind nicht nur einige gar von traditioneller Seite beeinflußte Hinterbänkler am Werk, sondern das ist die offizielle Linie – soweit man im Pontifikat der Wirrungen von Linie sprechen kann. Insbesondere Kardinal Ouellet hat in seiner Ansprache (hier der Wortlaut) die Kritik am deutschen Sonderweg in einer Klarheit ausgesprochen, wie man sie in den letzten Jahren aus Rom nicht mehr gehört hat. Sogar die Warnung vor einem drohenden Schisma und die Kritik daran, daß nur eine „begrenzte Gruppe von Theologen“ bei den Beratungen zu Wort gekommen ist, hat er sich zu eigen gemacht. Inhaltlich präsentierte Ouellet fünf Punkte, in denen er ein Abrücken von der Lehre der Kirche und Verstöße gegen die Einheit mit der Weltkirche diagnostiziert:

  • Abschaffung des Zölibats und Weihe von Viri Probati
  • Zugang von Frauen zu Weiheämtern (mit ausdrücklichem Verweis auf die Unabänderlichkeit von „Dominus Jesus“
  • Neubewertungen in der Sexualmoral und der Sexualität strukturelle und funktionale Begrenzung des hierarchischen Prinzips
  • Strukturelle und funktionale Begrenzung des hierarchischen Prinzips
  • Vorschläge zur Änderung des Katechismus in wichtigen Punkten.

Der Kardinal schließt diese Aufzählung mit den Worten:

Hier geht es weiter'Was ist passiert?' und 'Wo sind wir gelandet?', fragen sich viele Gläubige und Beobachter erstaunt. Es fällt schwer, sich des Eindrucks zu erwehren, dass die äußerst gravierende Angelegenheit der Missbrauchsfälle ausgenutzt wurde, um andere Ideen durchzusetzen, die nicht unmittelbar damit zusammenhängen.

Wenn man die Vorschläge in ihrer Gesamtheit bewertet, hat man den Eindruck, dass wir es nicht nur mit einer »aufgeschlosseneren« Auslegung der katholischen Disziplin oder Moral zu tun haben, sondern mit einer grundlegenden Änderung, die ernsthafte Bedenken aufwirft, wie der Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre gerade gesagt hat. Es scheint uns, dass wir vor einem Projekt der »Veränderung der Kirche« stehen und nicht nur vor pastoralen Neuerungen im moralischen oder dogmatischen Bereich. Leider muss ich feststellen, dass dieser globale Vorschlag, in Deutschland und anderswo bereits weithin bekannt gemacht, die Gemeinschaft der Kirche verletzt, weil er Zweifel und Verwirrung unter dem Volk Gottes sät. Tagtäglich erreichen uns unmittelbare Zeugnisse, die das Ärgernis beklagen, das dieser unerwartete, einen Bruch mit der katholischen Tradition darstellende Vorschlag bei den Kleinen verursacht.“

Das sind deutliche Worte, denen noch weitere ebenso klare folgen – die Lektüre des ganzen (nicht sehr langen) Textes ist dringend zu empfehlen. Vieles von dem, was da gesagt wird, können auch traditionstreue Katholiken aus ganzem Herzen bejahen, und einige Verbeugungen vor dem Konzilsgeist und dem Genius des gegenwärtig amtierenden Papstes waren wohl unvermeidlich. Stärkere Bedenken ruft es da schon hervor, wenn der Kardinal an einer Stelle von Widersprüchen „zur Lehre (spricht), die von allen Päpsten seit dem Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzil bekräftigt wurde.“ Gerade so, als sei der Widerspruch gegenüber der Lehre „vorkonziliarer“ Päpste nicht der Rede wert.

Im Prinzip markiert auch die (als erste gehaltene) Ansprache des Präfekten für die Glaubenslehre) Kardinal Ladaria (vollständiger Wortlaut) die gleichen Kritikpunkte und Bedenken, wie oben von Kardinal Ouellet referiert. Ladarias Auftritt ist jedoch im Ton weniger offensiv und stärker von Bezügen auf „die Lehre des Heiligen Vaters“ Franziskus durchzogen. Konkreter als Ouellet setzt sich Ladaria mit dem „Mißbrauch des Mißbrauchs“ auseinander, wenn er sagt:

Es versteht sich von selbst, dass alles getan werden muss, um weiteren Missbrauch an Minderjährigen durch Kleriker zu verhindern, aber dies darf nicht bedeuten, das Geheimnis der Kirche auf eine bloße Machtinstitution zu reduzieren oder die Kirche von vornherein als eine strukturell Missbrauch hervorbringende Organisation zu betrachten, die so schnell wie möglich unter die Kontrolle von Oberaufsehern gebracht werden muss.

Auch in Hinsicht auf Sexualität und Sexualmoral geht Ladaria – wie das seinem Amt entspricht – stärker auf die theologische Seite der Diskussionen und Beschlüsse auf dem SynWeg ein. Er schreibt: 

Der allgemeine Eindruck, der sich aus der Lektüre der Texte des Synodalen Wegs in dieser Hinsicht ergeben könnte, ist, dass es auf diesem Gebiet der kirchlichen Lehre fast nichts zu retten gebe. Alles müsse geändert werden. Wie kann man da nicht an den Eindruck denken, den all dies auf so viele Gläubige hat, die auf die Stimme der Kirche hören und sich bemühen, ihre Leitlinien für ihr Leben zu befolgen? Sollen sie vielleicht denken, dass sie bisher alles falsch gemacht haben?

Man sollte nicht zu leichtfertig glauben, dass die menschliche Sexualität etwas ist, das klar und deutlich vor uns steht und frei von der Ambivalenz ist, die jede menschliche Geste mit sich bringt, und noch mehr jede menschliche Geste, die mit der Ausübung der Sexualität zusammenhängt. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Verfasser der Texte und die Vollversammlung des Synodalen Wegs vorsichtiger gewesen wären und mehr Vertrauen in die Vision gehabt hätten, die das Lehramt in den letzten Jahrzehnten in Bezug auf die Sexualität entwickelt hat.

In vergleichbarer Weise äußert sich Ladaria auch zur Frage der Frauenweihe und des Bischofsamtes. Wo Ouellet mehr die rechtlichen Aspekte und den Gesichtspunkt der kirchlichen Einheit hervorhebt, eröffnet er zumindest eine Perspektive auf die theologischen Implikationen. Mehr ist in einem Kurzvortrag nicht zu erwarten, und zusammen genommen geben die Vorträge der beiden Behördenleiter einen recht umfassenden Eindruck von dem, was man in Rom über den aktuellen Stand des „synodalen Weges“ in Deutschland denkt – und welche Änderungen man für die Zukunft erwartet.

Man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß die beiden Amtschefs ihre Reden mit Franziskus abgesprochen haben. Der Papst selbst hat – wie es heißt um den Deutschen seinen Unwillen über deren starre Haltung zu zeigen – an dem Treffen der Bischöfe mit den Dikasterienleitern nicht teilgenommen. Zweifellos hat er auch die Veröffentlichung der beiden Reden autorisiert. Allerdings hat er am gleichen Tag, an dem diese Veröffentlichung erfolgte, in einer Rede vor der Theologenkommission wieder eine seiner berüchtigten Ambivalenzen in die Welt gesetzt, die auch als Relativierung der aufs Theologische zielenden Kritik Kardinal Ladarias am schismatischen Weg verstanden werden kann. „Kreative Treue zur Tradition“ soll er da gefordert haben, verbunden mit einer weiteren Absage an „rückwärtsgewandtes Denken“ und der Ermutigung, dem „Wirken des Geistes“ zu vertrauen.

Nach der „Lebendigen Tradition“ nun also die „kreative Treue zur Tradition“ – wir ahnen, worauf das wieder einmal hinausläuft: Alles hört auf mein Kommando! Wenn es also mit den Synodengeistern aus Deutschland demnächst Spitz auf Knopf stehen sollte, wird allein er, Franziskus, die Entscheidung treffen, ob und wie weit die wahrhaft neuschöpferischen kreativen Geister aus Deutschland im Recht sein sollen, oder die doch irgendwie im Ruch der Rückwärtsgewandtheit stehen Ladarias und Ouellets. Beim Gott der Überraschungen ist alles möglich.

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