Liturgiereform und Kirchenkrise II
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- 23. Januar 2014
Der Artikel von Nicholas Postgate, den wir hier auszugsweise wiedergegeben haben und dessen volle Lektüre wir sehr empfehlen, stellt zwei Hauptfragen:
- Wie weit kann sich die Liturgiereform von 1969 auf das 2. vatikanische Konzil berufen bzw. wieweit reicht ihre Legitimität?
und - diese Frage wird in dem Auszug nur zum Teil aufgegriffen - - was bedeutet es eigentlich, daß jeder sehende Mensch den Niedergang der Kirche in der Nachkonzilszeit mit Händen greifen kann, während hohe und höchste Würdenträger unverdrossen die angeblich so glänzenden Erfolge des Konzils feiern?
Die erste Frage wird gerne - ein aktuelles Beispiel bietet gerade ebenfalls auf NLM ein Artikel von Peter Kwasniewski - in dem Sinne beantwortet, daß die Liturgiereform eine bedauerliche Abweichung vom Willen der Konzilsväter allgemein und vom Wortlaut der Liturgiekonstitution insbesondere gewesen sei. Diese Ansicht ist sicher nicht ganz unbegründet. Aber kann sie erklären, wieso ein Papst diese „Abweichung" promulgierte und warum Tausende von Bischöfen und Hunderttausende von Priestern sie nicht nur widerspruchslos, sondern vielfach begeistert umsetzten - soweit sie sie nicht schon in „vorauseilendem Gehorsam" erfüllt und übererfüllt hatten? Kann eine „Abweichung vom eigentlich Gewollten" die Kraft entwickeln, die überlieferte Liturgie faktisch zu verbieten und selbst nach ihrer Rehabilitierung durch Papst Benedikt vielfach mit unverhohlener Wut zu verfolgen?
Natürlich nicht. Der ungeheure Impetus der Liturgiereform kommt nicht daher, daß sie von etwas eigentlich Gemeinten abweicht, sondern daß sie in vielem Potential aufweist, mit etwas Gemeintem übereinzustimmen: Mit der säkularistischen Grundströmung in den westlichen Industriegesellschaften, die schon vor dem Konzil auf vielfache Weise in der Kirche wirksam geworden ist und der sich auch die Konzilsväter vielfach nicht in der erforderlichen Eindeutigkeit entziehen konnten und wollten. Daraus erklärt sich die Durchschlagskraft, die alle „revolutionär" deutbaren Elemente der Konstitution entwickelten, während die ja ebenfalls vorhandenen im Sinne der Tradition deutbaren Elemente unter allgemeinem Beifall mißachtet wurden.Der Rekurs auf den Unterschied zwischen Texten und Absichten der Konzilsväter einerseits und der Wahrnehmung und Implementierung des Konzils und seiner Dokumente andererseits greift zu kurz – selbst da, wo solche Unterschiede durchaus vorhanden sind. Veränderung war gewollt oder zumindest akzeptiert – weniger in Hinblick auf bestimmte Ziele, sondern als leitendes Prinzip überhaupt.
Damit erschließt sich gleichzeitig auch eine Antwort auf die zweite Frage, nach der schier unglaublichen Resistenz des Bewußtseins zahlloser Kirchenmänner und Theologen gegen die Zurkenntnisnahme der verheerenden Folgen der „Reformen" seit 1950.
Die Grundwelle des Zeitgeistes, der vor einem halben Jahrhundert die Formulierungen und die Umsetzung der Konzilsdokumente beeinflusste, ist ungebrochen. Sie hat sich tatsächlich seitdem noch enorm verstärkt und ist, wie nicht zuletzt Papst Benedikt vielfach betont hat, als „Diktatur des Relativismus" und „Häresie der Formlosigkeit" in den vergangenen Jahrzehnten noch tiefer in die Kirche eingebrochen. Wer sich von dieser Grundwelle treiben lässt, verfügt schlicht und einfach nicht über das Instrumentarium, den seither eingetretenen Verfall als solchen wahrzunehmen.
Im besten Fall entwickelt er, wie kürzlich etwa Erzbischof Müller von der Glaubenskongregation in einer Rede in Würzburg, vermeintlich tröstliche Theorien, daß ohne den Umbau der Liturgie und die anderen „Reformen" alles noch viel schlimmer gekommen wäre. Das kann man sich einreden, belegen kann man es nicht; das „wenn-wäre"-Argument genießt in der seriösen Wissenschaft mit guterm Grund keinen guten Ruf.
Im schlechteren Fall freut er sich wie dieser Tage Kardinal Maradiaga so sehr über die Erfüllung des modernistischen Traums einer Verschmelzung von Religion und Welt , daß er in Messgewand und Mitra in der Kirche zum Samba aufspielt. Was sich aus dem Blick der Tradition als schmerzlicher Zerfall und Kapitulation vor den Ansprüchen des Säkularismus darstellt, erscheint dann als erfolgreiche Durchdringung der Welt mit der Hefe des neuen Aufbruchs.
Wer wollte da noch herzlos nach Inhalten fragen? Wer könnte den nüchternen Zahlen, die die Massenabwendung von Kirche und Priestertum belegen, besondere Bedeutung zumessen, wenn endlich die Welt nicht mehr das Heil von der Kirche, sondern die Kirche den Segen von der Welt erhält?
Wer könnte da noch sagen oder schreiben: „DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“