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Der ganz normale Wahnsinn

'Gewaltlose' Gegendemonstranten verdecken die Schilder von Pro-Life-AktivistenDie Idee, daß Personen gleichen Geschlechts im Standesamt und mittlerweile auch vielen Kirchen eine „Ehe“ eingehen könnten, hätte vor 10 Jahren selbst bei den meisten Menschen, die homosexuelle Neigungen haben und praktizieren, verwundertes Kopfschütteln hervorgerufen. Heute muß im „freien Westen“, wer derlei nicht für eine überaus vortreffliche Einrichtung halten mag, mit umfassender gesellschaftlicher Ausgrenzung und wirtschaftlichem Ruin rechnen. Eine Gesellschaft, die den Glauben an Gott und die Übernatur verloren hat, schafft sich eine Ersatzreligion mit unerhörten Dogmen und zeigt sich entschlossen, diese bis aufs Blut zu verteidigen. 

Zur Erklärung dieses in seiner Schnelligkeit historisch einmaligen Umschwungs kursieren bei denen, die ihn für verderblich halten, unterschiedliche Modelle. Oft sind es eher schlichte Verschwörungstheorien - diese gehen weit am Kern der Sache vorbei. Dem kommen schon die Theorien näher, die auf die Dynamik allumfassender Emanzipationsansprüche verweisen: Dem modernen Geist des Westens ist jede vorgegebene Grenze unakzeptierbar. Nicht nur Einschränkungen, die auf eine Übernatur verweisen, sondern allem, was aus der Natur kommt und so die Willkür einschränkt, gilt auch im vermeintlich „ökologischen“ Zeitalter offener Hass. Die Verklärung der „Homo-Ehe“ zum Freiheits- und Gerechtigkeitssymbol erfährt dadurch mächtigen Auftrieb: „Non serviam“.

Das erklärt aber noch nicht die Geschwindigkeit und die Breite des Paradigmenwechsels, der, wie es scheint, von buchstäblichen allen gesellschaftlichen Kräften nach kurzer Bedenkzeit akzeptiert und zur eigenen Herzenssache gemacht worden ist. Die bisher beste Erklärung dafür fanden wir im Blog von Joseph Shaw, dem hier schon des öfteren zitierten Vorsitzenden der Latin Mass Society von England, der unter der Überschrift The Eich affair: why conservatives are wrong eine bemerkenswerte Abhandlung veröffentlicht hat. Im Zentrum seiner Analyse steht die Überlegung, daß das Freiheits- und Gerechtigkeitspathos der Kampagne tiefster Ausdruck eines „liberalen“ Denkens ist, das den „pursuit of happiness“ zum höchsten und nicht mehr hinterfragbaren Wert erhoben hat. Jedes Streben in dieser Richtung, das nicht unmittelbar und nachweisbar das entsprechende Streben anderer verletzt, ist berechtigt, ja sakrosankt - und jeder Versuch, dem unter Berufung auf andere Werte Grenzen aufzuzeigen oder gar aufzuerlegen, ist dann ein Angriff auf die Grundlage des „Contrat social“, dem mit allen Mitteln zu begegnen ist. Wer sich - wie die von Shaw im Titel seines Essays angesprochenen „Konservativen“ - dem unter Berufung auf Werte wie „Meinungsfreiheit“ widersetzen will, hat schon verloren: Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!

Soweit in 10 Zeilen die Summe dessen, was Shaw ausführlich und mit Beispielen aus dem wirklichen Leben darlegt. Die vollständige Lektüre wird dringend empfohlen - und wenn sich daraus unerwünschte Folgerungen hinsichtlich Leben und Pastoral einer Kirche ergeben, die trotz Benedikts Warnung vor der „Diktatur des Relativismus“ immer noch dazu neigt, die moderne Gesellschaft als im Prinzip wohlgesonnenen Partner ihrer Mission zu betrachten, sollte man jedenfalls nicht den Überbringer der Botschaft haftbar machen.

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