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Stand der Dinge I: Rom

Die Mutmaßungen zur unklaren Zukunft der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei, die am 7. Juni auf Rorate Cæli mitgeteilt und am 11. auf katholisches.info weiter vertieft wurden, eröffnen beunruhigende Aussichten. Das nicht nur in der Sache, sondern auch, weil sie aussagekräftig sind für den Stand der Dinge in der Hauptverwaltung der römischen Kirche im Sommer 2014.

Die vergangenen 12 Monate haben dort viel Unruhe und Irritation gebracht. Das begann bereits mit der beispiellosen Goodwill-Aktion, den ohnehin schlecht bezahlten Mitarbeitern die zum Amtsantritt eines neuen Pontifex übliche Sonderzulage zu streichen. Seitdem wurden zwar keine alte Gremien und Strukturen abgebaut, aber z.B. durch ausstehende Bestätigung der Leitungspositionen geschwächt oder handlungsunfähig gemacht. Mehrere neue Gremien mit zum Teil unklaren Aufgaben und Kompetenzen sind dazu gekommen, große internationale Unternehmensberatungen wurden eingeladen, ihre segensreiche Tätigkeit auch hinter dem St.-Annen-Tor zu verüben.

Es ist immer schwerer geworden, herauszufinden, wer überhaupt zu Entscheidungen befugt oder daran zu beteiligen ist. Mancher kuriale Sachbearbeiter kommt morgens an seinen Schreibtisch, um zu erfahren, daß der Vorgang, zu dessen sachgemäßer Entscheidung er seit 14 Tagen Regularien und Präzedenzen zusammengetragen hat, am Vortag von höherer Stelle ohne Abruf seiner Vorarbeiten freihändig entschieden wurde. Manchmal erfährt er es auch nicht und arbeitet 14 Tage weiter. Wo geistgetriebene Spontanität regiert, haben es aber auch hochrangige Mitarbeiter schwer, Termine und Vereinbarungen einzuhalten. Es kommt doch anders. Unter diesen Umständen ist es fast gleichgültig, an welcher Stelle im Organigramm eine untergeordnete Kommission wie Ecclesia Dei eingetragen ist.

Größeren Einfluss auf die weitere Entwicklung der Dinge dürfte andere Faktoren haben: Während in Teilen des kurialen Verwaltungsapparats Frust und Verunsicherung regieren und zu Lähmungserscheinungen führen, ist in anderen Bereichen der Eindruck entstanden, es gehe nun mit frischer Kraft zurück in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Aus ihnen sind noch zahlreiche unvollendete Großprojekte abzuarbeiten, die leider unter dem Regiment der Modernisierungsverzögerer St. Johannes Paul II. und Benedikt ins Stocken geraten waren. Die Modernisierung der aus dem finstersten Mittelalter überkommenden Sexualmoral der Kirche ist eine dieser Baustellen, der Entwurf eines zeitgemäßen Berufsbildes für Seelsorger und Seelsorgerinnen samt diskriminierungsfreier Lebensentwürfe für die dort Beschäftigten eine andere.

Hier ordnet sich auch die Verteidigung und konsequente Fortsetzung der modernen Liturgie nach Bugnini ein. Summorum Pontificum hat einer theologischen Absage an die überlieferte Liturgie zwar einige Hindernisse in den Weg gelegt – aber das bedeutet nicht, auf den Einsatz administrativer Mittel zu verzichten, um auch hier die Neue Ordnung durchzusetzen. Die einfach nicht absterben wollenden Triebe am Baum der überlieferten Liturgie und Lehre – diese Verbindung kann gar nicht stark genug betont werden – stören die 70er-Jahre-Nostalgiker beim Neubau nach ihren Plänen aus den 50er Jahren. Wenn ihnen freie Hand gelassen wird – ob und wieweit ist derzeit nicht prognostizierbar – ist es einigermaßen gleichgültig, unter wessen Zuständigkeit Ecclesia Dei steht und ob es eine solche Einrichtung überhaupt noch geben wird. Das Schicksal der Franziskaner der Immakulata zeigt, daß die Architekten des neuen Frühlings weder Barmherzigkeit noch pastorale Rücksichten kennen, wenn es darum geht, Freiraum für ihre Projekte zu schaffen. Das Alte muss fallen, wo es das Neue behindert. Oder wie Mao Tse-tung schon 1938 wusste: „Ein weißes Blatt Papier ist durch nichts beschwert, auf ihm lassen sich die neuesten und schönsten Schriftzeichen schreiben, die neuesten und schönsten Bilder malen.“

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