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Herausforderung Islam

Joseph Shaw von der Latin Mass Society in England und Wales hat sich in einer dreiteiligen Folge mit der „Herausforderung Islam“ beschäftigt. Besonders nachdenkenswert fanden wir die zugespitzte Argumentation, die er zum Abschluss der kurzen Serie entwickelt. Sein Ausgangspunkt dabei ist die Beobachtung, daß es zum seit Jahrzehnten konstatierten Säkularisierungstrend in den modernen Gesellschaften auch Gegentendenzen gibt: Immer weniger Menschen mögen an den Gott des Christentums glauben – aber immer mehr glauben an Engel und Geister, Tarot und Wiedergeburt, wobei sie sich dann oft auch von der Vernunft, die zum christlichen Glauben gehört, verabschieden. Und so schreibt Shaw:

Es beginnt ein langes ZitatAlso hören wir auf, über die unaufhaltsam fortschreitende Säkularisierung zu klagen, und fragen wir uns lieber, warum die katholische Kirche nicht imstande ist, mehr von den Gegentendenzen zur Säkularisierung zu profitieren. Den Schlüssel dazu bietet die Frage, wie das Christentum sich denn aus der Außenperspektive darstellt – also aus der Sicht der Menschen im mittleren Osten oder auch im Westen, die sich vom radikalen Islam angezogen fühlen, vom Pfingstlertum in Lateinamerika, vom Wiedergeburtsglauben der Hindus und Buddhisten usw. Da gibt es viele kulturelle Unterschiede, aber wir können eine begründete Verallgemeinerung vornehmen: All diese Menschen lehnen die Werte des liberalen Westens ab. Sie mögen seine Konsumartikel schätzen, aber sie haben nicht vor, sich dem sinnentleerten Hedonismus anzuschließen. Sie denken dabei an die  früheren Kolonialmächte oder amerikanische Vorherrschaft. Sie wollen sich von der Banalität und Korruptheit nachgeäffter westlicher Kultur abgrenzen und an etwas glauben, das ihrem Leben wirklich einen Sinn gibt. Sie wollen eine Religion, die eben nicht säkularisiert ist, eine starke Religion, die Anforderungen stellt, die Grundlage für ein Gruppenbewußtsein bilden kann, einen Aufstand gegen „Westliche Werte“ und vielleicht auch gegen westlichen politischen Einfluss.

Wollen sie also etwas in der Art, wie man es in einer durchschnittlichen katholischen Pfarrei in England oder Wales (und wir ergänzen: Deutschland) findet? Nein, das wollen sie nicht.

Wir müssen uns dessen bewußt sein, daß die Leute, die sich jihadistischen Truppen anschließen, die Hindus und Buddhisten, die katholische Kirchen niederbrennen, die Pfingstler, die so viele vom Glauben abbringen, daß sie alle in einigen Punkten durchaus Recht haben. Sie haben völlig recht, wenn sie davon ausgehen, daß die westlichen Regierungen finanzielles und geopolitisches Interesse daran haben, daß die eigenen Kulturen der Entwicklungsländer von der westlichen Konsumideologie zurückgedrängt werden. Sie haben auch völlig recht, wenn sie glauben, daß der moralische und kulturelle Inhalt dieser Konsumideologie korrupt und korrumpierend ist und keinerlei positive Werte besitzt. Sie haben völlig recht, wenn sie sehen, daß ein Teil der darauf zu gebenden Antwort darin besteht, sexuelle Zurückhaltung wieder als Wert zu betrachten und die Religion, die ewige Bestimmung eines jeden, wieder ins Zentrum des Lebens zu rücken. Und sie sehen völlig zu Recht, daß es ein richtiges Fernziel ist, ihren Gesellschaften insgesamt wieder eine wahrhafte moralische und geistige Orientierung zu geben.

Und was sehen nun Leute, die solche Vorstellungen haben, beim Blick auf die katholische Kirche? Sie sehen eine Institution, die eng mit der europäischen Kultur und Geschichte verbunden ist und sich – heute – jede Mühe gibt, die Übel dieser Kultur nicht anzusprechen. Es gibt keine deutlich sichtbare katholische Kritik an der westlichen Dekadenz. Zurückweisung der sexuellen Revolution, Verteidigung der Familie, Katholische Ansätze in Musik und bildender Kunst – all das gibt es zwar, aber gesamtkirchlich sind das nur Minderheitsinteressen, und in der durchschnittlichen Pfarrei, der durchschnittlichen Predigt, der durchschnittlichen katholischen Website und der durchschnittlichen katholischen Schule kommen sie schlicht und einfach nicht vor. Für Leute, die den Konflikt zwischen einem korrupten Westen und den unterschiedlichen Gegenkräften auf der lokalen Ebene erleben – sei das in Bagdad oder in Birmingham – steht die katholische Kirche für alle praktischen Zwecke auf der Seite des korrupten Westen. Wir gehören zum Feind.

Das ist nicht durch Zufall dahin gekommen. Wir alle wissen, daß man sich nach dem zweiten Vatikanischen Konzil bewußt entschieden hat, sich für die säkularen Werte zu öffnen. Das hat zwar bei den Vertretern dieser Werte kein Umdenken bewirkt – aber man kann sich sicher sein, daß es die Gegner dieser Werte abgestoßen hat.

Es stimmt zwar, daß sich die Katholiken des mittleren Ostens in dieser Hinsicht nicht die größten Vorwürfe machen lassen müssen, und natürlich auch nicht die Shiiten oder Hindus, denen überall, wo Sunniten die Macht ergriffen haben, ebenfalls das Schlimmste droht. Aber dennoch ist es nur die Wahrheit, daß wir durch die umfassende Orientierung der katholischen Kirche insgesamt am „Westen“ die Dinge für unsere assyrischen und maronitischen Brüder unendlich viel schlimmer gemacht haben.

Die Polemik gegen den Westen, die Millionen und Abermillionen Menschen in der ganzen Welt anzieht, darunter auch viele, die im Westen selbst leben, ist geradezu ein Selbstläufer geworden. Man muß sich die Dinge einmal von unten her ansehen: Auch wenn Unsereins sich vielleicht noch mit einigen Spuren der Hochkultur trösten kann - für die meisten Menschen, die kleinen Leute, die Einwanderer, die Produkte schlechter Schulen und kaputter Familien, bedeutet „der Westen“ nicht mehr als fast food, langweilige Einkaufszentren und marode und gesetzlose Wohnanlagen aus den 70ern. Die Sitten dieses Ödlands wirken, als ob sie dazu gemacht wären, allen außer vielleicht Kriminellen jede Würde und jeden Lebenssinn vorzuenthalten. Und dem hat sich die katholische Kirche angeglichen. Die Jihadisten finden das zum Speien – und sie haben recht.

Die Probleme, die die Gegenbewegung zur Säkularisierung der Welt stellen, lassen sich nicht über Nacht lösen, aber wir können etwas dafür tun, daß sie nicht noch schlimmer werden. Wir können die katholische Kritik an der Dekadenz der westlichen Kultur , insbesondere an der sexuellen Revolution, bekräftigen. Wenn es überhaupt eine Geste gibt, das denen, die sich zum militanten Islam hingezogen fühlen, zu denken gibt, daß die katholische Kirche vielleicht doch nicht ein Teil des Problems ist, mit dem sie sich herumschlagen, dann wäre das die Wiedereinführung der Kopfbedeckung in der Kirche für katholische Frauen im Westen. Das wäre ein Symbol der Ablehnung dekadenten Sexualverhaltens ebenso wie der Gegenwehr gegen die Einebnung des Unterschiedes zwischen den Geschlechtern.

Bedenkt man, wie unwahrscheinlich eine Entwicklung in dieser Richtung ist, dann bekommt man einen Eindruck davon, wie tief unsere Probleme gehen.“

Soweit also Joseph Shaw, mit dem man gewiß über die Wirkmächtigkeit des Zeichens „Kopfbedeckung in der Kirche“, kaum jedoch über die generelle Tendenz seiner Beobachtungen streiten kann.

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