Fusswaschung und Königshof
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- 13. März 2015
Wochenlang klaffte im stets für mehrere Monate im Voraus veröffentlichten päpstlichen Terminkalender für den Gründonnerstag (in diesem Jahr der 2. April) eine auffällige Lücke. Am 11. März nun hat der Vatikan mitgeteilt, daß Franziskus an diesem Tag im Gefängniskomplex von Rebibbia eine Messe feiern und in deren Verlauf 12 Gefangenen und Gefangeneninnen die Füße waschen wird. Zum dritten Mal wird damit der römische Bischof diesen Tag, an dem die Kirche aus dem ganzen Umfang des Heilsgeschehens insbesondere die Einsetzung des Altarssakramentes und des Priestertums hervorhebt, nicht in seiner Bischofskirche und im Kreis der Diözese, und ihres – seines - Klerus feiern. Stattdessen geht er demonstrativ an die von ihm als Sitz des Heils verklärte „Ränder“ der Gesellschaft. Steht zu hoffen, daß sich unter den ihm dort zur Fußwaschung präsentierten Häftlingen keine Mitglieder der Mafia befinden, die er doch schon mehrfach in diesem Jahr unter stärksten Verwünschungen zu aus der Kirche Ausgeschlossenen erklärt hat. Oder meint er gerade diese? Wer weiß schon.
Nun ist es ja nicht so, daß frühere Päpste keine Besuche an den Rändern der Gesellschaft gemacht hätten, auch Rebibbia ist keine Premiere. Papst Benedikt war am 4. Adventssonntag 2011 in der Gefängnisstadt, und auch dessen Vorgänger Johannes Paul hat neben vielen anderen „sozialen Brennpunkten“ Rebibbia besucht, am 27. Dezember 1983, dem Dienstag nach Weihnachten. Den „Menschen am Rande der Gesellschaft“ galt immer, in Worten, in Gesten und in tatkräftiger Unterstützung, die besondere Aufmerksamkeit der Kirche, des Klerus ebenso wie der Gläubigen; die „Gefangenen zu besuchen“ ist eines der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit.
Verstörend, in der dritten Wiederholung nachgerade alarmierend, ist der Umstand, daß Franziskus ausgerechnet den Tag der Einsetzung zweier Sakramente, die unmittelbar auf Christus zurückgehen, anscheinend zum festen Termin des demonstrativen Ganges an die Ränder der christlichen wie der nichtchristlichen, der gläubigen wie der ungläubigen Welt machen will.
Selbstverständlich wendet sich die Kirche seit jeher in ihren Werken der Barmherzigkeit – da gibt es neben die sieben Leiblichen übrigens auch noch sieben Geistige – allen Heilungs- und Erlösungsbedürftigen dieser Welt zu. Aber Eucharistie und Priesterweihe sind zwei zentrale Vollzüge ihres inneren Lebens als Leib Christi, die auf einer ganz anderen ebene stattfinden als diese Zuwendung nach Außen. Die Fußwaschung, zu der Jesus vor seinen Aposteln niederkniete, war nicht allein eine Auszeichnung des Gastgebers für besonders geschätzte Gäste und erst recht kein Symbol für den Dienst an Armen und Ausgestoßenen. Es war auch eine Reinigung und Salbung der Apostel für ihren priesterlichen Dienst, ein sakramentales Zeichen, durch das sie auf ganz besondere Weise Anteil an dem Opferamt erhielten, das Christus beim Abendmahl dieses Tages vorwegnahm und am Kreuz des Karfreitags vollendete.
Die Fußwaschung im Abendmahlssaal zu Jerusalem war, ein Element der „Liturgie“ der ersten Priester- oder Bischofsweihe, und wenn die Kirche dieses Element auch nie in ihren Weiheritus aufgenommen hat, so bewahrte sie doch stets die Erinnerung daran, was diese Fußwaschung bedeutete. Sie hat daher stets darauf geachtet, diese Zeremonie als Element einer Aussendung, einer Beauftragung zum priesterlichen und missionarischen Dienst zu betrachten – daher auch die Bezeichnung „Mandatum“. Erst in der aller neuesten Zeit erfolgt hier unter dem Einfluss demokratistischer und emanzipatorischer Einflüsse eine Umdeutung und Einengung in Richtung einer quasi karnevalistischen Umkehrung der Hierarchien: Der „Obere“ demütigt sich (für fünf Minuten) vor den „Unteren“ - bei denen dann selbstverständlich auch Frauen einen Ehrenplatz erhalten müssen. Auf der Website der reformiert-katholischen Kirche Deutschlands ist das in einem Erklärstück sehr passend zum Ausdruck gebracht:
Jesus (möchte uns) mit der Fußwaschung etwas zu verstehen geben: Wir sollen nie auf die Arbeit anderer Menschen herabschauen. Jede Arbeit ist wichtig. Ein Beispiel: Ohne Müllarbeiter würden unsere Mülleimer überlaufen …
Der Pfarrer liest das Evangelium mit der Geschichte über die Fußwaschung, Und danach wäscht er zwölf Menschen aus der Gemeinde die Füße. Das tut er zum Gedenken an Jesus. Er als Priester hätte es ja auch nicht nötig, dir oder mir die Füße zu waschen. Aber er möchte uns damit ein Zeichen geben: Seid füreinander da. Keiner soll denken, dass er etwas Besseres ist als der andere. Nur wenn wir so denken und auch handeln, haben wir Gemeinschaft."
Franziskus geht darüber nun noch einen weiteren Schritt in Richtung Verweltlichung hinaus. Indem er die Fußwaschung nicht nur auf Frauen ausdehnt – der Vatikan hatte das noch unter Benedikt als unzulässig abgelehnt – sondern demonstrativ auch Anders- und Ungläubige einbezieht, löst er die innere Bindung an die sakramentalen Bezüge zum Priesteramt vollständig auf und verzichtet auch auf das „mandatum“ - den Auftrag zur steten Erneuerung und Verbreitung des eucharistischen Geheimnisses.
Was übrig bleibt, ist bestenfalls eine Fußwaschung, wie sie auch ganz und gar weltliche Fürsten und Könige zum Beispiel in Bayern oder Spanien am Gründonnerstag als Zeichen allerchristlichster Volkszugewandtheit vornahmen – hier eine Schilderung aus dem Jahr 1891.
Zumindest in Bayern, wo man die Zwölf ältesten Männer des Königreichs zu dieser Zeremonie einlud, hielt man es allerdings für angebracht, diese mit speziellen „Apostelmänteln und -hüten“ auszustatten. Außerdem erhielten sie ein Geldgeschenk und eine lebenslänglische Rente. Aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit wurden zu dieser Zweremonie übrigens auch 12 „bedürftige Mädchen“ beigezogen. Ihr Geldgeschenk war kleiner, und aus Gründen der Schicklichkeit verzichtete man bei ihnen ganz auf die Fußwaschung.