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Lebenswirklichkeit und Katechismus

Die nicht enden wollende Diskussion über die Zulassung „wiederverheirateter Geschiedener“ zur Kommunion offenbart verschiedene Aspekte der desolaten Lage der Kirche in Deutschland. Auf Seiten der Mehrheit der Bischöfe ist an erster Stelle das Bestreben sichtbar, die Kompatibilität der Kirche mit dem Zeitgeist zu bewahren und die Todsünde der Diskriminierung von sich zu weisen. Unterscheidung der Geister – das war gestern.

Auf Seiten der Gemeinden spielen psychologische Aspekte eine große Rolle, und diese stehen in enger Verbindung zu liturgischen Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte. Zwei dieser Entwicklungen, letztlich zwei Seiten eines Zusammenhangs, erscheinen dabei besonders bedeutsam.

Zum ersten: Die Form der Liturgie hat im Novus Ordo fast alles verloren, was an das „mysterium tremendum“ gemahnt – teils im Grundsatz durch vielfältige Veränderung der Rubriken und der Texte, teils in der Praxis durch noch weitergehende Missachtung der wenigen Formalvorgaben, die in der Liturgie übrig geblieben sind. Die Eucharistiefeier, die von der Gemeinde gestaltet wird, erscheint dieser weitgehend als Menschenwerk „von uns für uns“. Die unter der Brotsgestalt anwesende Gottheit entschwindet aus dem Blickfeld. Die beauftragten Lehrer der Kirche haben dem nichts entgegen zu setzen, im Gegenteil: Das „Brot, das wir teilen“, ist für sie nur noch „ein zentrales Symbol des christlichen Glaubens“ (katholisch.de) oder ebenda „der dichteste Ausdruck von Gemeinschaft in der Kirche“ (Lehmann), ein „Erlebnis von Gemeinschaft“ (Marx), und wie die Phrasen alle lauten.

Wenn diese Gemeinschaft vor allem „horizontal“ verstanden wird - und das legt der Novus Ordo in Form und Formeln nahe – muß es den Versammelten als willkürliche Diskriminierung erscheinen, wenn Einzelne von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen sind. Wann hat man denen, die diese Diskriminierung beklagen, zum letzten Mal gesagt, daß es bei der Kommunion nicht in erster Linie um ein Symbol der Gemeinschaft mit den (manchmal) so freundlich dreinschauenden Banknachbarn geht, sondern daß „die Feier des eucharistischen Opfers ganz auf die innige Vereinigung mit Christus durch die Kommunion ausgerichtet“ ist (KKK 1382? Und daß daraus folgt: „Wer sich einer schweren Sünde bewußt ist, muß das Sakrament der Buße empfangen, bevor er die Kommunion empfängt“ (KKK 1385). Bloß dadurch, daß die deutschen Glaubens-Verweser von Sünden, erst recht von schweren, höchst ungern sprechen, werden diese noch nicht „abgeschafft“, so wie man Kniebeugen in der Liturgie abschaffen kann. Hier wird die ganze Dimension der angeblich allein „aus pastoraler Besorgnis verlangten Anpassungen in der Praxis“ sichtbar: Sie leugnen entweder die Präsenz Christi in der Eucharistie oder die Sündhaftigkeit bestimmter in der modernen Gesellschaft zwar weithin praktizierter, nach unveränderbarer Lehre der Kirche aber schwer sündhafter Verhaltensweisen. Und das alles im Anschluss an ein fehlgeleitetes Verständnis der Liturgie!

Der zweite Punkt, in dem die praktizierte Form die Liturgie hier oft in die Irre führt, ist die verbreitete Praxis des „geschlossenen Antretens“ zum Kommunionempfang. Im schreienden Gegensatz zur Lehre des Katechismus, der jeden Einzelnen auffordert, sich vor dem Empfang der Kommunion ernsthaft auf seine Würdigkeit zu prüfen (KKK1385), haben sich in vielen Gemeinden Formen etabliert, die es dem Einzelnen sehr machen, sich der verordneten Einheitlichkeit zu entziehen. Kollektivistische Ideologeme der Liturgiereformer und wichtigtuerische Betriebsamkeit von Laienaktivisten lassen so die vom Katechismus streng verlangte Gewissensprüfung ins Leere laufen. Nicht jeder hat die Entschiedenheit, sich den von diesem Kollektivismus ausgehenden Zwängen zu entziehen – und wo die Warteschlangen vor den Beichtstühlen so kurz wie die Kommunionprozessionen lang sind, muß das ernste Bedenken hervorrufen. Fr. Hunwicke hat die theologischen Voraussetzungen und die den Glauben zersetzenden Folgen dieses Misstandes in einer kleinen Folge von Beiträgen auf seinem Blog etwas näher unter die Lupe genommen. Titel: Kommunion-Prozession in ein neues noch Dunkleres Zeitalter.

Hier zum Abschluss noch ein Blick auf die Pastoral und Lebenswirklichkeit früherer Dunkler Zeitalter. Bekanntlich galt in der Kirche lange ein strenges Nüchternheitsgebot vor dem Kommunionempfang, das dann unter Pius XII. erstmals gelockert und später von Paul VI. faktisch aufgehoben wurde - „eine Stunde vor Empfang des Sakraments“ bedeutet wenig mehr als kein Knabbern von Keksen beim Introitus. Das alte Nüchternheitsgebot gab zugegebenermaßen vielen Skrupulanten Gelegenheit, ihrer Sucht auf extensive Weise zu frönen. Aber es bot anderen, die bei der Gewissenserforschung auf dunkle Flecken gestoßen waren, zahllose Möglichkeiten, sich vom Gang zur Kommunionbank fernzuhalten, ohne gleich die Vermutung zu wecken, den Erbonkel vergiftet oder die Nachbarin verführt zu haben.

In der Messe nicht zu kommunizieren entspricht sicher nicht dem Ideal – aber unwürdig zum Tisch des Herrn zu treten oder jedes Bewußtsein von der erforderlichen Würde zu verlieren, ist eine Katastrophe..

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