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„Lebenswirklichkeit“ in Aktion

Zwei Wochen vor der römischen Familiensynode schießt die Webseite mit dem unzutreffenden Namen katholisch.de aus allen Rohren (ein friedlicherer und dennoch passender Vergleich ist uns leider nicht eingefallen) auf die Restbestände katholischer Lehre und Disziplin, von denen sie sich bei ihrer Propaganda für den Weg zur deutschkatholischen Kirche noch gehemmt sieht. Unter dem schönen Titel „Sehe ich aus wie Maria?“ darf da eine Theologiestudentin langatmig ausbreiten, wie sehr sie sich als aufstiegsorientierte Frau mit Familienwunsch von der Kirche alleingelassen fühlt, daß sie sich darüber ärgert, „wenn manche Christen unreflektiert gegen die ,Gender-Ideologie' pöbeln“ und daß sie sich im Apostolischen Schreiben Johannes Pauls II. Mulieris Dignitatem von 1988 nicht wiederfindet. Viel zu wenig Lebenswirklichkeit von heute. Und viel zu wenig Rücksicht auf ihre Befindlichkeiten.

Geschenkt. Ab nächstes Semester studiert die Frau in Rom - sie wird ihren Weg zux Professorx für Thexlogie schon machen.

Wirklich ärgerlich ist demgegenüber, wie S.E. Kardinal Lehmann, den die Redaktion zum Interview gebeten hat (oder er sie, man weiß nicht so genau), wie also der Kardinal von der ,Erfolgsgeschichte' fabuliert, die die Kirche seit dem historischen Ereignis „des Konzils“ (es kann nur Eines geben) durchlaufen habe, und in der die Kirche „über sich hinausgegangen“ sei. Dabei versäumt es Seine Eminenz nicht, auch wieder die beiden Punkte herauszustellen, in denen sich die Kirche „durch das Konzil“ für den einfachen Kirchenbesucher am meisten verändert habe:

Da fallen zwei Dinge sofort ins Auge: zuerst die Hinwendung zum Volk. Als junger Priester - ich wurde ja während des Konzils geweiht - habe ich noch die Messe gegen die Wand gefeiert, also mit dem Rücken zu den Kirchenbesuchern. Und dann die Feier des Gottesdienstes in der Muttersprache, nicht mehr auf Latein. Das sind schon große Türen, die aufgemacht wurden, aber nicht die einzigen.“

Natürlich weiß Eminentissimus, daß im Konzilsdokument zur Erneuerung der Liturgie nicht ein einziges Wort zur Richtung der Zelebration steht, und daß die Mehheit der Konzilsväter angesichts der Tatsache, daß alle Messen des Konzils „gegen die Wand“ gefeiert wurden, davon ausgingen, das werde auch künftig so sein: Gemeinsam als pilgerndes Gottesvolk auf dem Weg zum Herrn.

Und sicher weiß er auch, daß in der anderen Frage die Liturgiekonstitution tatsächlich etwas gesagt hat, nämlich das Gegenteil. Abschnitt 36:

  •  § 1. Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht.
  • § 2. Da bei der Messe, bei der Sakramentenspendung und in den anderen Bereichen der Liturgie nicht selten der Gebrauch der Muttersprache für das Volk sehr nützlich sein kann, soll es gestattet sein, ihr einen weiteren Raum zuzubilligen, vor allem in den Lesungen und Hinweisen und in einigen Orationen und Gesängen ...

Wir können und wollen dem Kardinal nicht unterstellen, daß er bewußt lügt - obwohl das in Kreisen deutschkatholischer Kardinäle neuerdings in Mode zu kommen scheint. Halten wir ihm also zugute, daß er so sehr von der Propaganda betäubt ist, die sein Apparat seit Jahrzehnten verbreitet, daß er einfach nicht mehr weiß, was Sache ist.

Oder jedwede „Lebenswirklichkeit“ für gottgegeben ansieht.

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