Ritus und Rechtgläubigkeit
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- 09. Oktober 2015
Michael Shaw, Vorsitzender der englischen Latin Mass Society, beschäftigte sich gestern auf seinem Blog nicht zum ersten und sicher auch nicht zum Letzten Mal mit der Frage: Kann die Zelebration der alten Liturgie dazu beitragen, die Treue zur überlieferten Lehre zu bewahren? Dabei setzt er sich insbesondere mit dem Einwand auseinander, schließlich seien es doch ausschließlich in der alten Liturgie erzogene Bischöfe und Theologen gewesen, die auf dem 2. Vatikanum die Bollwerke gegen den Modernismus geschleift und anschließend die Bugnini-Reformen umgesetzte hätten. Soll heißen: Soweit sei es mit der Immunisierungskraft der überlieferten Liturgie wohl nicht her.
Als Gegenargument verweist Shaw darauf, daß der Lehrbetrieb an den theologischen Fakultären und auch die Selektionsmechanismen für Bischofsernennungen schon seit Jahrzehnten von „in den Untergegrund gegangenen“ Modernisten beherrscht oder zumindest beeinflusst worden sei - von daher habe der Glaubenszerfall gerade in den führenden Kreisen von Episkopat und Wissenschaft viel früher eingesetzt und sich dann nach der Beseitigung der Sperren gegen den Modernismus mit der Schnelligkeit eines Buschfeuers ausbreiten können.
Da ist, insbesondere was die Universitätstheologie betrifft, sicher etwas dran. Problematischer wird das Argument, wenn man es auch auf die große Mehrheit der Bischöfe anwendet, der man für die damalige Zeit kaum unterstellen kann, sie hätten sich bewußt an der Öffnung zum Modernismus und der Untergrabung der Rechtgläubigkeit beteiligt.
Hier muß man den Blick wohl auch auf ein zweites eher paradoxes Element im Zusammenspiel von Modernimus und Orthodoxie lenken. Gerade eine - in aller Vorsicht gesagte - vormoderne Form von Verwurzelung in der Rechtgläubigkeit konnte bei vielen Priestern und Bischöfen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dazu führen, die Stärke und die Tiefe des modernistischen Angriffs auf die Grundlagen der christlichen Lehre zu übersehen oder nicht ernst genug zu nehmen. Vieles wurde für selbstverständlich oder zutiefst in der menschlichen Natur verwurzelt angesehen, was in Wirklichkeit für die Moderne überhaupt nicht selbstverständlich ist. Als dann in fehlegeleiteten „Verheutigungs“-Versuchen Stützen und Formen, die entbehrlich geworden zu sein schienen, abgeräumt wurden, hatte der auf die Inhalte zielende Geist der Moderne freie Bahn.
Deshalb reicht es in der Tat nicht, alte Formen widerherstellen zu wollen. Der Geist der Verheutigung als solcher muß überall da, wo er sich als Geist der Gottlosigkeit erweist, beim Namen genannt und zurückgewiesen werden.