Ein Bankrotteur spricht
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- 15. November 2015
In einem Interview mit „La Stampa“ hat Kardinal Godfried Daneels sich mit Worten an die afrikanischen Bischöfe gewandt, die in ihrer passiv-aggressiven Tonart die Arroganz seines deutschen Kollegen Kasper noch einmal deutlich übertreffen.
Im Zusammenhang mit einer angeblich an alle gerichteten Mahnung, sich vor „Triumphalismus“ und Selbstgerechtigkeit zu hüten, sagte der ehemalige Erzbischof von Mechelen-Brüssel unter anderem:
Einige Afrikaner sagen uns: Ihr seid Heiden. Ihr habt alles zerstört. Aber ich erinnere mich an ein Belgien voller Berufungen, bis in die 60er Jahre wurdengroße Seminare und Noviziate eingerichtet. Christliche Familien setzten alles daran, ihren Kindern das Bewußtsein zu vermitteln, daß sie zur Kirche gehörten.
Aber dann begannen wir zu beobachten, wie der Glaube in den Jungen und Mädchen von 17, 20 Jahren dahin schwand. Das schmerzte sie und verursachte viel Leiden. Darf man sagen, sie sind schuld und ihre Eltern waren keine guten Christen? Nein, das ist nicht so. Christ zu werden und im Glauben zu verharren – das bleibt ein Geheimnis und ist nicht das Ergebnis irgendeines soziologischen Mechanismus oder von Erziehung. Ich denke, all dieses Reden von „starken“ kirchen, die den übrigen Katholizismus retten sollen, hat nur kirchenpolitische Hintergründe. Es ist erschütternd abstrakt.
Die europäischen Kirchen sind von den Auswirkungen der Säkularisation überrannt worden, die zu einem Aufstieg des Individualismus geführt hat. Doch genau dieser Individualismus könnte auch Afrika früher oder später erreichen, so daß die Menschen sich mehr als Einzelpersönlichkeiten begreifen als als Mitglieder einer Gruppe, einer Gemeinschaft oder einer Masse. Es ist vorstellbar, daß unsere Krise sich auch dorthin ausbreitet, mit all ihren Folgen. Auch die Afrikaner können in eine Lage ähnlich der unseren geraten. Dann rufen sie vielleicht nach uns, um zu sehen, wie wir damit fertig geworden sind und ihnen ein paar nützliche Ratschläge geben können.“
Selten hat man von einem Bankrotteur, der vor den Bergen des unter seiner tätigen Mithilfe entstanden Schutthaufens steht, ein jämmerlicheres Gestammel und größere Unverschämtheiten gehört. Ja, es gab bis in die 60er Jahre hinein eine zumindest dem äußeren Schein nach blühende katholische Gemeinschaft in Belgien, so wie in den Niederlanden und Deutschland auch. Und ja, es gab unter der schönen Fassade bereits Risse und Verwerfungen die ahnen ließen, daß Teile des Gebäudes morsch geworden waren.
Aber die von dem Kardinal als anonyme Macht gezeichnete Säkularisation, die quasi als mysterium iniquitatis über die Kirche hineinbrach, trägt für Belgien und über Belgien hinaus ein Gesicht, mehrere Gesichter, und nicht zuletzt das von Kardinal Daneels selbst. Er, sein Amtsbruder Suenens und sein Theologenkollege Schillebeeckx bilden die Speerspitze der verderblichen Denkrichtung, die auf die Herausforderungen der Säkularisation mit einer kaum verhohlenen Aufforderung zur Kapitulation reagiert haben. Sie brachten – mit tätiger Unterstützung aus Frankreich und Deutschland – diese Denkrichtung auch auf dem II. Vatikanischen Konzil zur Geltung, dessen Dokumente sie mit Zweideutigkeiten und Zweifeln infizierte. Ob und welche Schuld die davongelaufenen Generationen und ihre Eltern trifft, ist nur im Einzelfall zu beurteilen - die Schuld, die die angeblichen Hirten auf sich geladen haben, ist unübersehbar: Sie haben die Gefahren erst nicht gesehen, dann verniedlicht und sich dann opportunistisch ergeben und schließelich aktiv zur Verbreitung der Seuche beigetragen
Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Infektion, die inzwischen von der Kirche Mitteleuropas vielfach nur noch die Fassaden interessengestützter Apparate übrig gelassen hat, auch Afrika ergreift. Noch ist das nicht oder nicht in wesentlichem Umfang geschehen – noch ist Afrika Kontinent der Märtyrer und nicht von Staatsrentnern. Die Führer der Kirchen Afrikas haben sich zu Recht gehütet, Beratung bei Kaspar und Daneels zu suchen. Statt dessen haben sie deren Anpassungstheologie entschiedenen Widerstand entgegen gesetzt und auf der Synode verhindert, die Lehre mit feingesponnenen Theologumena aufzuweichen. Jetzt bleibt den Reformatoren nur noch der Bezug auf die krude Praxis der Regionalisierung.
Damit haben die Afrikaner den Zorn der Bankrotteure auf sich gezogen. Diese wollen nun ihr gescheitertes Lebenswerk mit der Lüge retten, von einer geheimnisvollen Macht überwältigt worden zu sein, gegenüber der auch andere wehrlos bleiben müssten. Das zu widerlegen ist nicht nur Sache der Afrikaner; es liegt in der Hand eines jeden Einzelnen.