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Ist der Papst im Streik?

Am 15. November stattete Papst Franziskus den römischen Lutheranern einen Besuch ab. Bei dieser Gelegenheit stellte ihm in öffentlichem Rahmen eine Dame lutheranischer Konfession, die mit einem Katholiken verheiratet ist, die Frage: Wie sei zu erreichen, daß sie in Gemeinschaft mit ihrem Mann zum Herrenmahl gehen könne? Der wichtigste Teil der Antwort, der zu Recht weltweit Aufmerksamkeit gefunden hat, war:

Das ist ein Problem, auf das jeder antworten muß. Aber ein Pastorenfreund sagte mir: „Wir glauben, daß der Herr dort gegenwärtig ist. Er ist gegenwärtig. Ihr glaubt, daß der Herr gegenwärtig ist. Und wo ist der Unterschied?" – „Ah, es sind die Erklärungen, die Interpretationen...".

Das Leben ist größer als die Erklärungen und die Interpretationen. Nehmt immer Bezug auf die Taufe: „Ein Glauben, eine Taufe, ein Herr", so sagt es uns Paulus, und daraus zieht die Konsequenzen. Ich werde es nie wagen, die Erlaubnis zu geben, dies zu tun, weil es nicht in meiner Kompetenz ist. Eine Taufe, ein Herr, ein Glauben. Sprecht mit dem Herrn und geht weiter. Ich wage nicht, mehr zu sagen.

Wichtig und gleichzeitig richtig ist darin genau ein Satz: Ich werde es nie wagen, die Erlaubnis zu geben, dies zu tun, weil es nicht in meiner Kompetenz ist. Eine solche Erlaubnis in pauschaler Form zu geben, sei es für fromme Lutheraner, die in ihrer Konfession verharren, sei es für „wiederverheirate Geschiedene“, die sich vom Tisch der Gemeinschaft ausgeschlossen fühlen, übersteigt die Kompetenz auch des Papstes. Das hat er hiermit klargestellt, und das ist gut.

Gar nicht gut ist das Drum und Dran der Aussage, das von jedem denkenden Menschen nur so verstanden werden kann, als wolle der Papst die theologischen Unterschiede und lehrmäßigen Detailfragen nicht nur für die Lebenspraxis irrelevant erklären, sondern deren Beantwortung auch in das Ermessen des Einzelnen stellen: Sprecht mit dem Herrn, und geht weiter. 

Um genau dieses „Mit dem Herrn sprechen“ auch in den Generationen nach Moses zu erleichtern und auf sichere Grundlage zu stellen, hat der Herr vor seinem Weggang dem Petrus die Schlüsselgewalt verliehen. Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen. Zu binden und zu lösen, nach dem Gebot Gotttes zu urteilen - das ist Kernelement der Arbeitsplatzbeschreibung für den Inhaber der Kathedra Petri. Streik und Arbeitsverweigerung sind in dieser Beauftragung nicht vorgesehen. 

So, wie Franziskus hier auftritt und scherzhaft auch noch Angst vor dem gestrengen Glaubenswächter Kasper anklingen lässt, klingt das allzusehr wie die bisher hauptsächlich von deutschen Bischöfen gepflegte Rhetorik: „Wir würden ja gerne alles mögliche - aber wir dürfen nicht.“ Eine unter solchem Aufwand an Selbst-Distanzierung getroffenen Aussage wird zu Recht von niemandem ernst genommen und als augenzwinkernde Aufforderung verstanden: Tut, was Ihr für richtig haltet.

Und weil des so ist, muß hier auch auf die Einlassung des Publizisten Winnemöller eingegangen werden, der in seiner Weißwäsche des Papstauftritts auf Kath.net nicht nur den oder die Kritiker mit den stärksten Worten ('Hatespeech') geißelt, sondern auch noch kraftvoll verfügt, was der Papst hier betreffs einer Gewissensentscheidung von Einzelnen gesagt habe, „geht die Öffentlichkeit einen Scheißdreck an“. Tut mir leid: Beratung zu Gewissensfragen gehört in keinem Fall in die Öffentlichkeit, und wenn der Papst als die öffentliche Figur, die er nun mal ist, öffentlich etwas sagt, was von den meisten nur missverstanden werden kann, muß er sich die entsprechenden Reaktionen auch anrechnen lassen. Sowohl auf Seiten derer, die auf diese „Mißverständnismöglichkeit" nur gewartet haben, um sie begeistert auszubeuten, als auch von Seiten derer, die so etwas befürchtet haben und nun versuchen, dem Dammbruch zu wehren.

Darin hat Franziskus ja Recht: Er ist nicht befugt, an der Lehre etwas zu ändern. Was die Erklärer und Interpreten der Offenbarung in den Dogmen verkündet und im Katechismus (von Trient ebenso wie von 1993) übersichtlich zusammengefasst haben gilt, und bleibt gültig - unabhängig von der emotional-pastoralen Befindlichkeit des jeweiligen Papstes. Gibt ihm das das Recht zur Arbeitsverweigerung, gar zum Streik? 'Dienst nach Vorschrift' ist das, was wir derzeit in Rom erleben, jedenfalls nicht.

Michael Charlier

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