Ohne Vergangenheit keine Gegenwart
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- 21. Februar 2016
Der Schritt von Pfarrer Frings, sein Pfarramt aufzugeben und – nun anscheinend doch für längere Zeit – in ein Kloster zu gehen, hat große Resonanz ausgelöst. Frings hat das bisher in weiten Teilen der deutschen Kirche undenkbare gewagt und den hohen Anspruch des „Neuen Aufbruchs nach dem Konzil“ mit einer niederschmetternden Wirklichkeit verglichen: Mögen die Institutionen der Kirche und vor allem auch ihre Finanzen so stark sein wie eh und jeh – der Glaube in den Gemeinden und der ganzen Gesellschaft steht kurz vor dem Erlöschen. Diese über die Jahre gereifte Einsicht muß Frings besonders tief getroffen haben, weil er doch nach eigenem Bekunden zu denen gehört hat, die sich mit aller Kraft für die Verwirklichung dieses Aufbruchs eingesetzt haben.
Diese langjährige Praxis schränkt allerdings seine Fähigkeit ein, in dem radikalen Bruch mit der Vergangenheit, der sich für viele seiner Proponenten mit diesem „Aufbruch“ verbindet, eine der Ursachen der aktuellen Misere zu sehen. Dabei hat er ja insoweit Recht, als es ein Zurück nicht geben kann, nicht in die Zeit vor 30 und nicht in die vor 60 Jahren. Der Blick der Erklärung von Pfarrer Frings auf die Tradition bleibt weitgehend auf die Kirchenstruktur der Vergangenheit beschränkt – und da sieht er, angesichts der aktuellen Situation des Glaubens in der Gesellschaft durchaus zu Recht – wenig Beispielgebendes:
Wir gestalten die Zukunft von Kirche in den Gemeinden immer noch nach dem Modell der Vergangenheit. Auch ich habe dafür nicht die eine Lösung parat. Was erwarten wir von den Männern, die sich in dieser Situation auf den Weg machen, um Priester zu werden. Kann man dafür guten Gewissens noch werben? (…)
Wir bedienen zu viel Tradition und wecken zu wenig Sehnsucht. Ich bin keine Verfechter des ´heiligen Restes´, wohl aber eines mutigen Abschiednehmens vom Gewohnten, auch wenn es Ärger gibt.
Markus Gehling, der den bis jetzt am meisten in die Tiefe gehenden Kommentar zu der Entscheidung von Frings veröffentlicht hat, packt demgegenüber den Stier direkt bei den Hörnern:
Etwas schmunzeln musste ich über einige unentwegte Tradis, die natürlich gleich die richtige Antwort parat hatten: nicht 30 Jahre zurück ist der richtige Schritt, nein es müssen mindestens 60 sein, also zurück zur „Tridentinischen Messe“ und zur alten Kirchenzucht! Aber so einfach kann die Antwort nicht sein, denn dann sähe man durchaus blühende Kircheninseln dort, wo die Vergangenheit konserviert wird. Ja, liebe Tradi's – ich sehe wohl, dass es durchaus muntere altrituelle Gemeinden und Aktivitäten gibt. Aber um den Preis eines Aderlasses der Feld-/Wald- und Wiesengemeinden. Es gibt auch andernorts beachtenswerte Aufbrüche, aber von einem Weg für die ganze Kirche, von einem Aufbruch in diese oder jene Richtung ist noch weit und breit nichts zu sehen. Aber kann dieses „zurück“ zur „guten alten Zeit“ ein Weg in die Zukunft sein, auch wenn er hier und da Erfolge zeitigt?
Hier werden gleich mehrere ernstzunehmende Punkte angesprochen. Die seit Summorum Pontificum vergangenen fast 10 Jahre haben schmerzlich deutlich gemacht, daß es mit einem einfachen „zurück“ nicht funktioniert. Die „blühenden Kircheninseln“ um dem überlieferten Ritus verbundene Gemeinden, von denen mancher damals geträumt haben mag, sind wenigstens in Deutschland nirgendwo entstanden. Und kann es in der Kirche überhaupt Inseln geben? Ist es der richtige Ansatz, wenn die „Tradis“ sich in solchen Inselchenn wohlfühlen und die „Mehrtheitskirche“ und ihre Bischöfe froh sind, die unbequemen Relikte der Vergangenheit dorthin abgeschoben und neutralisiert zu haben? Selbst wenn der Preis dafür ein spürbarer „Aderlass der Feld-/Wald- und Wiesengemeinden“ sein sollte?
Demgegenüber bringt Gehling ein Konzept von Vernetzung zur Sprache, wobei er die Priester als eine Art „spirituelle Knoten“ in diesem Netzwerk betrachtet:
Der Priester sollte (..) derjenige sein, der durch Verkündigung und Sakramentenspendung eine innere Struktur in seine Gemeinde bringt, eine Struktur, die die Gemeinde zusammenhält und ihr ein Rückgrat verleiht. Priester sollten – gemeinsam mit anderen Getauften – ein spirituelles Netzwerk aufbauen, an das sich zahlreiche christliche Initiativen anknüpfen können und das pastorales Handeln durch die Getauften ermöglicht. (…) In dieses Netzwerk eingewoben sollten Klöster und geistliche Gemeinschaften sein, die nicht nur für sich leben und beten, sondern je nach ihrem Charisma auch die Gemeinde aufbauen und die Christen untereinander vernetzen. Dazu tragen auch streng kontemplative Gemeinschaften in bemerkenswertem Maße bei.
In ein solches Netzwerk eingebunden, sollte auch eine Gemeinde der Petrusbruderschaft, eine charismatische Gruppe oder eine Gemeinde des Neokatechumenats als Teil eine Ganzen bereit sein zum selbstlosen Dienst im Auftrag Jesu Christi.
Das steht immer noch unter dem Einfluss des Denkens in Strukturen, das die deutsche Kirche bis in den letzten Winkel durchdrungen und gelähmt hat, fasst aber auch wichtige Schritte zur Öffnung ins Auge. Es muß ja zum Beispiel nicht gleich eine „Gemeinde der Petrusbruderschaft“ sein, die in diesem Netzwerk die Aufgabe übernimmt, die unaufgebbaren Traditionen der Kirche in Liturgie und Lehre stärker zur Geltung zu bringen. Es wäre ja schon viel erreicht, wenn zum gottesdienstlichen „Angebot“ eines „Netzwerks“ auch die überlieferte Liturgie gehörte und wenn Seelsorger, die in Lehre und Predigt an dem festhalten, was im gültigen Katechismus der Kirche steht, nicht länger schikaniert und ausgegrenzt werden.
Das ist leichter zu fordern als zu realisieren, wenn man die unsäglichen Verhältnisse an den Hochschulen bedenkt, an denen zukünftige Priester und Laienseelsorger in der Mehrheit glaubensfernen oder sogar glaubensfeindlichen Professoren ausgeliefert sind. Nachdem das Scheitern der von ihnen propagierten Theorien nun als empirisch belegt gelten kann, sind in diesem Bereich noch weitaus eingreifendere Maßnahmen erforderlich als bei „Pastoralplänen“, die keinen Stein auf dem andern lassen. Die Marginalisierung und Bekämpfung der fast zweitausendjährigen Tradition und Erfahrung der Kirche muß ein Ende haben, wenn die Kirche sich dem Angriff einer immer besinnungsloser um sich selbst kreisenden Gegenwart etwas entgegensetzen soll.
Den Bischöfen kommt hier eine große Verantwortung zu. Eine Verantwortung, der sie bisher unter dem Druck des überwiegend auf die Erhaltung von Strukturen und Alimentierung seiner Angehörigen bedachten Apparates stets ausgewichen sind.