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„Amoris Laetitia“ bedarf einer Klarstellung

Weihbischof Athanasius Schneider hat eine ausführliche Untersuchung von Amoris Laetitia im Licht der ständigen Lehre der Kirche veröffentlicht und daraus abgeleitet, in welchen Punkten er eine Klarstellung für erforderlich hält, um zu vermeiden, daß die Gläubigen durch eigenes Fehlurteil oder das Versagen zeitgeist-höriger Hirten in die Irre gehen.

Ausgangspunkt für Schneiders Darlegungen ist die inzwischen offen zu Tage liegende Tatsache, daß das päpstliche Dokument von hohen kirchlichen Autoritäten in unterschiedlicher, ja sogar in widersprüchlicher Weise interpretiert wird. Während die einen betonen, es befinde sich in voller Übereinstimmung mit dem bisherigen Lehramt und enthalte keinen Versuch, die bestehende Lehre zu verändern, behaupten andere, genau eine solche Änderung sei gewollt und eingeleitet und werde zu tiefgreifenden Veränderungen erst in der pastoralen Praxis und schließlich auch in der Lehre des Katechismus führen. Wieder andere betrachten es als eine Absage an jede Regel und Ordnung überhaupt – wie etwa die Bischofskonferenz der Philippinen, die in ihrer Stellungnahme zu AL jubeln: Das ist ein Dokument der Barmherzig, eine Öffnung von Herz und Geist, die kein Gesetz braucht und keiner Richtlinien bedarf.

Dem setzt Bischof Schneider zunächst eine Aufzählung der Abschnitte und Fußnoten entgegen, die sehr wohl einer Klarstellung bedürfen, wenn sie nicht im Widerspruch zur bisherigen Lehre der Kirche interpretiert werden sollen. Dabei erkennt er durchaus an, daß AL viele gute und wichtige Hinweise enthält, die der Lehre der Kirche entsprechen – allerdings in vielen Fällen auch die Möglichkeit zu Mißverständnis und Mißdeutung Um welche Widersprüche es dabei geht, fasst er in einer 10 Punkte umfassenden Liste zusammen, in deren Zentrum eine implizierte partielle Außer-Kraftsetzung des 6. Gebotes, der mehrfach vorgetragenen und bekräftigten Worte Christi und der seit 2000 Jahren unveränderten Lehre der Kirche stehen.

In diesem Zusammenhang drückt sich der Bischof nicht vor klaren Worten: Das Leben in einer ungültigen eheähnlichen Verbindung und der ständige Widerspruch zum Gebot Gottes sowie der Heiligkeit und Unauflöslichkeit der Ehe bedeutet, nicht in der Wahrheit zu leben. Zu behaupten, daß die berwußte, freiwillige und gewohnheitsmäßige Vornahme sexueller Akte in einer ungültigen eheähnlichen Verbindung in einzelnen Fällen keine schwere Sünde sein könne, ist nicht die Wahrheit, sondern eine verhängnisvolle Lüge und wird niemals zu einer wahren „Freude der Liebe“ führen. Dementsprechend wäre es auch eine Täuschung, eine Heuchelei und eine Lüge, solchen Personen zu erlauben, die heilige Kommunion zu empfangen.

In einer Klarheit, wie man sie nur noch selten hört, weist er Auffassungen zurück, diese Lehre sei zu hart und dem heutigen Menschen nicht mehr zumutbar:

Was die Seelsorge für die wiederverheirateten Geschiedenen betrifft, ist heute auch der Geist wiederzubeleben, Christus in der Wahrheit des Kreuzes und der Buße zu folgen, die allein zur beständigen Freude führt und die flüchtigen Freuden zu meiden, die letztlich betrügerisch sind. Folgende Worte des heiligen Papstes Gregors des Großen sind wirklich aktuell und erhellend: „Wir dürfen uns nicht zu sehr an unser irdisches Exil gewöhnen, die Bequemlichkeiten dieses Lebens dürfen uns nicht unsere wahre Heimat vergessen machen, so dass unser Geist nicht schläfrig wird inmitten der Bequemlichkeiten. Aus diesem Grund fügt Gott Seinen Gaben Seine Heimsuchungen oder Strafen hinzu, auf dass alles was uns bezaubert auf dieser Welt für uns bitter wird und sich in der Seele jenes Feuer entfacht, das uns immer von Neuem zum Wunsch nach den himmlischen Dingen drängt und uns vorankommen läßt.

Bischof Schneider vergleicht die gegenwärtige Verirrung, die in der Kirche hinsichtlich der angeblichen „Erfordernisse der Pastoral“ besteht, mit der großen Verwirrung, in die die die Kirche im 4, Jahrhundert durch die fast allumfassende Ausdehnung der arianischen Irrlehren gestürzt wurde:

Bei allen historischen und doktrinellen Unterschieden weist unsere aktuelle Situation einige Ähnlichkeiten und Analogien mit der allgemeinen Verwirrung auf, die im vierten Jahrhundert während der arianischen Krise herrschte. Damals wurde der überlieferte apostolische Glauben an die wahre Gottheit des Sohnes Gottes durch den Begriff „wesensgleich“ (homoousios) garantiert, der vom universalen Lehramt des ersten Konzils von Nicäa dogmatisch verkündet worden war. Die tiefe Glaubenskrise mit einer universalen Verwir-rung wurde vor allem durch die Ablehnung oder die Vermeidung verursacht, das Wort „wesensgleich“ (homoousios) zu gebrauchen. Anstatt diesen Begriff zu gebrauchen, verbreitete sich im Klerus und vor allem im Episkopat der Gebrauch von Alternativformeln, die zweideutig und unpräzise war, wie „wesensähnlich“ (homooiousios) oder einfach nur „ähnlich“ (homoios). Die Formel „homoousios“ des universalen Lehramtes jener Zeit drückte die volle und wahre Gottheit des WORTES auf so klare Weise aus, dass es keinen Spielraum für mißverständliche Interpretationen gab.

Zum Abschluß seiner hier nur in wenigen kurzen Ausschnitten angedeuteten Ausführungen macht Bischof Schneider einen ganz konkreten Vorschlag:

Es ist daher dringend notwendig, dass der Heilige Stuhl die zitierte Formel von Familiaris Consortio, Nr. 84 bekräftigt oder erneut verkündet, eventuell in Form einer authentischen Interpretation von AL. Diese Formel könnte unter bestimmten Aspekten als „homoousios“ unserer Tage angesehen werden. Die fehlende offizielle und ausdrückliche Bekräftigung der Formel von Familiaris Consortio Nr. 84 durch den Apostolischen Stuhl könnte zu einer immer größer werdenden Verwirrung in der sakramentalen Disziplin beitragen mit graduellen und unvermeidlichen Auswirkungen auf doktrineller Ebene. Auf diese Weise würde eine Situation entstehen, auf die man in Zukunft folgende Feststellung anwenden könnte: „Es stöhnte der ganze Erdkreis und wunderte sich, dass er in der Praxis die Scheidung akzeptiert hatte“ (Ingemuit totus orbis, et divortium in praxi se accepisse miratus est).

Eine Verwirrung der sakramentalen Disziplin gegenüber den wiederverheirateten Geschiedenen mit den sich daraus ergebenden doktrinellen Implikationen würde der Natur der katholischen Kirche widersprechen, so wie es vom heiligen Irenäus im zweiten Jahrhundert beschrieben wurde: „Die Kirche, die diese Unterweisung und diesen Glauben empfangen hat. Und obwohl sie über die ganze Welt verstreut ist, bewahrt sie sie mit Sorgfalt, als würde sie einem einzigen Haus wohnen; und auf dieselbe Weise glaubt sie diese Wahrheit, so als hätte sie sie eine einzige Seele; und sie verkündet sie, lehrte sie und gibt sie weiter mit einer Stimme, so als hätte sie nur einen einzigen Mund“.

Die vollständige Fassung der Stellungnahme von Bischof Schneider in deutscher Sprache können Sie hier als PDF herunterladen.

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