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Christus „von unten“

Pantokrator von Cefalu - Bild Wikimedia commonsMit seiner vorgestrigen Ansprache im Haus St. Marta hat Papst Franziskus einen tiefen Einblick in sein Christusbild gewährt und gleichzeitig einen Schlüssel zum Verständnis der liturgischen Entwicklungen unter modernistischen Vorzeichen bereitgestellt. Das zumindest nach den vom Vatikan zur Verfügung gestellten Zusammenfassungen der Predigt und deren Wiedergabe in den Medien – der volle Text und Wortlaut der Morgenansprachen wird seit Beginn dieses Pontifikates nicht veröffentlicht. Die hier gebrachten Zitate entnehmen wir dem Bericht von Armin Schwibach in kath.net.

Thema der Ansprache war danach die vom Papst als „universal“ bezeichnete Vollmacht Christi, die er er eine nur „formale“ Vollmacht der Pharisiäer und Schriftgelehrten gegenüberstellte. Diesen Gegensatz und seine Begründung der Vollmacht Christi entwickelt er in drei Punkten; als ersten nennt er den Dienst an den Menschen:

Jesus diente den Leuten, er erklärte die Dinge, damit die Leute sie gut verstehen: er stand im Dienst der Leute. Er hatte die Haltung eines Dieners, und das verlieh ihm Vollmacht. Diese Gesetzeslehrer dagegen, die die Leute... ja, auf sie hörten die Leute, sie respektierten sie, doch sie spürten nicht, dass sie eine Vollmacht über sie besitzen. Diese hatten die Psychologie von Fürsten: ‚Wir sind die Meister, die Fürsten, und wir lehren euch’. Kein Dienst: ‚Wir befehlen, ihr gehorcht’. Und Jesus hat sich nie so gegeben, als sei er ein Fürst: immer war er der Diener aller, und das ist es, was ihm Vollmacht verlieh“.

Die zweite Charakteristik, die ihm Vollmacht gebe und von den Pharisäern unterscheide, sei die der Nähe zu den Menschen:

Sie (die Pharisäer) waren getrennt von den Leuten, sie waren nicht nah. Jesus stand den Leuten sehr nahe, und das verlieh ihm Vollmacht. Diese da, die den Abstand wahrten, diese Lehrer: sie hatten eine klerikalistische Psychologie. Sie lehrten mit einer klerikalistischen Vollmacht, das ist der Klerikalismus. Es gefällt mir so sehr, wenn ich von der Nähe zu den Menschen lese, die der selige Paul VI. hatte. In Nummer 48 der Enzyklika Evangelii nuntiandi ist das Herz des nahen Hirten zu sehen: dort liegen die Vollmacht und Autorität jenes Papstes, in der Nähe“.

Drittes Element zur Begründung der Vollmacht und ebenfalls Gegensatz zur Haltung der Pharisäer sei die Kohärenz:

Diese Leute waren nicht kohärent und ihre Persönlichkeit war derart gespalten, dass Jesus seinen Jüngern rät: ‚Tut, was sie euch sagen, aber nicht das, was sie tun’. Sie sagten das eine und taten das andere. Mangelnde Kohärenz, Widersprüchlichkeit. Sie waren widersprüchlich. Und das Wort, das Jesus ihnen viele Male sagt, ist ‚Heuchler’. Und man versteht, dass einer, der sich wie ein Fürst fühlt, der eine klerikalistische Haltung hat, der ein Heuchler ist, keine Vollmacht hat! Er mag zwar die Wahrheit sagen, aber ohne Vollmacht. Jesus dagegen, der demütig ist, der im Dienst an den anderen steht, der nahe ist, der die Leute nicht verachtet und der kohärent ist, besitzt Vollmacht. Und das ist die Vollmacht, die das Volk Gottes spürt“.

Das ist, um es zurückhaltend zu sagen, bemerkenswert. Diese drei Punkte, die sich in Wirklichkeit auf eine Behauptung reduzieren lassen, sagen nichts anderes als: Die Vollmacht Jesu geht von seiner Nähe, ja von seiner Übereinstimmung mit „den Leuten“ aus. Er ist der aus dem Volk hervorgegangene und auf das Volk gestützte Führer der Menschen gegen im Namen der Religion angemaßte (klerikalistische) Machtausübung. Er ist bestenfalls ein Messias, wie ihn sich viele Juden als König erhofften, die auf einen Retter in der Not und Anführer gegen die römische Fremdherrschaft warteten – und die Jesus die Gefolgschaft verweigerten, als als seine Botschaft ihnen „zu hart“ erschien und er schließlich am Kreuz alle ihre irdischen Hoffnungen enttäuschte.

Kein Wort davon, daß Jesu Vollmacht nicht „von unten“ kommt, sondern „von oben“, aus der Gottessohnschaft und der Erfüllung des Willens dessen, der ihn gesandt hat und in dessen Namen sich jedes Knie beugen muß im Himmel und auf Erden. Kein Wort auch davon, daß sein Reich „nicht von dieser Welt“ ist und daß sein Wirken allein das Ziel hat, „den Leuten“, die durch die Verirrung des Menschengeschlechts von Gott getrennt in Verirrung, Sünde und Schuld leben, die Rückkehr zu dem zu ermöglichen, der alle Macht besitzt und von dem jede Vollmacht ausgeht.

Andererseits aber eine perfekte Übereinstimmung mit jener in vielen Gemeinden des Novus Ordo praktizierten liturgischen „Nähe“ zu „unserem Bruder und Herrn“ Jesus, dessen Gesicht viele nur noch im Gesicht eines selbst ausgedachten „Nächsten“ (oder Fernsten, je nachdem) erkennen können, als dessen einziges Defizit das betrachtet wird, was am leichtesten zu beheben scheint: Ein Mangel an materiellen Gütern. Was nicht von dieser Welt ist, scheint nicht mehr zu zählen.

Angesichts der bestürzenden Tatsache, daß dieses postkatholische Christusverständnis jetzt in der Spitze der verfassten Kirche angekommen zu sein scheint, erübrigt sich die Frage, ob derlei eher die Ursache oder die Folge des liturgischen Verfalls der letzten Jahrzehnte ist. Nur Widerspruch und Widerstand auf allen erreichbaren Ebenen bietet eine Chance auf Besserung.

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