60 Jahre Reform und Reformitis
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- 18. November 2011
Vor 56 Jahren, am 16. November 1955, veröffentlichte die Heilige Ritenkongregation das Dekret zur Reform der Karwoche und der Ostertage. Bereits 1951 war ebenfalls durch Dekret der Ritenkongragation die Feier der Ostervigil wiederhergestellt worden. Wir können - oder besser gesagt, wir müssen - in diesem Jahr also auf 60 Jahre Bemühens um eine Reform der Liturgie zurückschauen. Im Verlauf dieser Reform mußte die Kirche die größte Zahl amtsflüchtiger Priester, den größten Rückgang der Zahl von Gottesdienstbesuchern und den größten Schwund an Glaubensbewußtsein in ihrer Geschichte hinnehmen. Ob das eine die Ursache des anderen ist, kann nicht bewiesen werden. Unwiderlegliche Tatsache ist, daß alle reformerischen Anstrengungen diesen Verlusten jedenfalls nichts entgegensetzen konnten. Die arrogante Halsstarrigkeit, mit der die Reformierer immer noch auf der „Alternativlosigkeit“ ihres Ansatzes beharren, wirkt nur noch lächerlich.
Die beiden eingangs genannten Reformdekrete lasen in gewisser Weise bereits die beiden Pole erkennen, zwischen denen sich die spätere Reformen abspielen sollte: Die Wiederherstellung des Zeitpunkts der Ostervigil war unbestreitbar die Heilung einer Fehlentwicklung. Die Nachwache zur Auferstehung war im Lauf der Jahrhunderte nach Trient immer weiter in den Samstagvormittag verschoben worden. wo sie spätestens seit Beginn der Industriegesellschaft mit ihren strikten Arbeitsplänen praktisch unter Ausschluß des gläubigen Volkes gefeiert wurde. Die Rückkehr in die Osternacht war eine nicht nur berechtigte, sondern geradezu notwendige Reform.
Aber bereits mit dieser echten Reform verbanden sich ungerechtfgertigte Eingriffe in Bestand und Ablauf der Liturgie. Die Liturgie der Ostervigil und der gesamten Heiligen Woche bewahrte in sich wertvolle Zeugnisse aus den ältesten Stadien der Entwicklung der lateinischen Liturgie. Sie fielen der Normierungssucht von Bürokraten zum Opfer, die z.B. bei der Ostervigil darauf bestanden, die Weihe des Taufwassers und die Vornahme der Taufen selbst von ihrem angestammten Platz nach Weihe des Osterfeuers und Entzündung der Osterkerze wegzunehmen und hinter die Verlesung des Evangeliums in die bereits begonnene Messsfeier zu verpflanzen. Bei den Riten der hl. Woche selbst verschiebt sich das Verhältnis von sinnvollen Re-Formationen und Anpassungen zu überflüssigen Neuschöpfungen aus dem Geist kleinmütiger Moderne immer mehr zu letzteren. Kein Wunder, da 1955 bereits Hannibal Bugnini eine wesentliche Rolle in den mit dem Entwurf der Änderungen betrauten Gremien spielte.