Kulturzerstörung durch Liturgiereform
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- 21. April 2017
In einem überaus lesenswerten Beitrag auf New Liturgical Movement lenkt der Liturgiehistoriker Claudio Salvucci den Blick auf die reichen lokalen Traditionen innerhalb des überlieferten Ritus, die mit der Revolutionierung der Liturgie durch Paul VI. ebenso zerstört wurden wie die Basis des Ritus selbst. Der US-Amerikaner Salvucci hat bei diesem Thema nicht die in Europa schon früher untergegangenen Lokalriten von Köln oder Lyon im Auge, sondern im Zuge der Verbreitung des Glaubens in Amerika entstandene Traditionen. Hier einige Auszüge aus dem Beitrag auf NLM.
(Im Verständnis einiger Liturgie-Wissenschaftler) bildet das zweite Vatikanum einen kulturellen Nullpunkt. Der Novus Ordo erhält den erhabenen Rang eines ent-romanisierten ent-europäisierten „neutralen“ Katholizismus, er bildet die einzige Grundlage, von der aus dann die wahre „Inkulturation“ ausgehen soll. Diese Einstellung ist überaus typisch für die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, nach der das klassische Römische Messbuch wenig oder gar nichts zum geistigen und liturgischen Leben des modernen Katholiken beizutragen hat. (…)
Es gibt eine ganz einfache Tatsache hinsichtlich des Novus Ordo Missae, die wir endlich zur Kenntnis nehmen müssen: Der radikale Bruch von 1970 war nicht nur ein einziger Bruch mit dem allgemeinen Erbe der westlichen Kirche. Er bestand aus tausend Brüchen mit lokalen, nationalen und kulturellen Erbschaften, viele von ihnen Hunderte von Jahre alt und nicht-europäischen Ursprungs. In meinem Buch „The Roman Rite in the Algonquian und Iroquoian Missions“ (letztere sind die hierzulande wohlbekannten „Irokesen“ -MC) habe ich dargestellt, wie sich ein derartiger Bruch in den Indianergebieten im Osten Kanadas und der USA ausgewirkt hat. In den 40er Jahren bewunderten Priester, die die Stadt Kahnawake mit der Kirche der hl. Kateri Tekakwitha besuchten, den Reichtum der örtlichen Liturgischen Tradition, den sie dort vorfanden, darunter auch Choräle und Polyphonie in der Sprache der Mohikaner. Diese Tradition wurde mit der Einführung der englischen Messe in Kahnawake abgebrochen. Dort und andernorts fühlten sich viele amerikanische Indianer um das betrogen, was sie selbst als „die indianische Messe“ bezeichneten.
Was immer man über den Novus Ordo sagen mag – eines wird man niemals über ihn sagen können: Daß er die Messe unserer Vorfahren gewesen sei. Das gilt überall ganz unabhängig davon, wer unsere Vorfahren waren. Die hl. Kateri und die Kahnawakeronnon, die ihre Jagdgebiete in den Wäldern von Quebec durchstreiften, kannten ihn nicht. Der Diener Gottes Augustus Tolton und andere ehemalige Sklaven, die gegen rassistische Vorurteile ankämpften, kannten ihn nicht. Die (katholischen) englischen Widerständler, die auf der „Ark“ und der „Dove“ nach Maryland segelten, kannten ihn nicht. Meine Urgroßeltern, die auf den Feldern unter der Sonne Italiens schufteten, kannten ihn nicht. Niemand irgendwo auf der Welt hat ihn jemals gekannt.
Hier geht es nicht nur um Rhetorik – hier geht es um einen schreienden, wenngleich verschwiegenen, Widerspruch im Zentrum unseres liturgischen Lebens: Wie können wir die Unverletzlichkeit nicht-katholischer Sitten und Gebräuche behaupten und ihre Beibehaltung in der Kirche verlangen, während wir gleichzeitig unsere katholischen Gebräuche und unsere katholische Kultur dabei aufgeben?“
Dem ist wenig hinzuzufügen. Inkulturation erfordert das Vorhandensein von Kultur. Der Zeitgeist, der das 2. Vatikanum nicht nur wesentlich bestimmte, sondern auch von ihm zusätzliche zerstörerische Impulse empfing, ist seit Jahrzehnten dabei, jede Kultur auszulöschen und durch billigste Surrogate zu ersetzen. Heute von Inkulturation zu sprechen bedeutet entweder, die Schätze der Tradition wieder zu entdecken und sich neu anzueignen – oder sich dem Zug in die Barbarei an zuschließen.