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Die Ketten abschütteln?

Bild: wkimedia, Rabax63, CC-BY-SADas heutige Datum kann einige der Probleme beleuchten, die sich mit der von Kardinal Sarah (beileibe nicht als erstem) ins Gespräch gebrachten Zusammenführung des überlieferten und des reformierten Kalendariums der Kirche verbinden. Im überlieferten Kalender ist der 1. August der Tag von Petri Kettenfeier – also der Tag der Erinnerung an die in der Apostelgeschichte (12, 5-10) mitgeteilte wunderbare Befreiung des hl. Petrus aus dem Gefängnis Herodes‘. Bis 1960 hatte dieses Fest den Rang eines „gebotenen Gedenktages“, der in der Liturgie zumindest durch Kommemoration zu berücksichtigen war, falls er durch ein höherrangiges Fest in die zweite Reihe gedrängt wurde. Im heutigen Kalender der deutschkatholischen Kirche ist es nicht mehr enthalten und wurde durch das gebotene Gedenken an den hl. Alfons von Liguori ersetzt. Wunderberichte wie die von Petri Befreiung aus dem Kerker sind den Heutigen peinlich, und daß in der römischen Kirche San Pietro in Vinculi dem hl. Petrus zugeschriebene Ketten als Reliquien aufbewahrt und bis auf den heutigen Tag verehrt werden, macht die Sache nicht besser.

Mit genau dieser Kirche in Rom hat es allerdings zu tun, daß der 1. August auch als Feiertag der sieben „makkabäischen Brüder“ begangen wurde, von deren durch das Martyrium besiegelten Treue zum Gott Israels im 2. Buch der Makkabäer des alten Testaments berichtet wird. In San Pietri in Vinculi wird seit ältesten Zeiten ein Schrein mit Reliquien aufbewahrt, die Gebeine dieser Märtyrer enthalten sollen, und daher wurde der Weihetag dieser Kirche auch zum Gedenktag dieser alttestamentlichen Gotteszeugen. Allerdings gibt es auch in der Kölner Kirche St. Andreas einen Makkabäerschrein, was freilich bei dem im hohen Mittelalter üblichen Umgang mit den Gebeinen der Heiligen weder gegen die kölner noch gegen die römische Abteilung sprechen muß.

Auch sonst ist die Sache mit den „makkabäischen Brüdern“ nicht wirklich klar – wie so vieles aus dem alten Testament. Schon die Zuweisung der vier Makkabäer-Bücher zum Kanon ist durchaus umstritten. Die römische Kirche betrachtet die Bücher 1 und 2 als kanonisch, die russische Orthodoxie heute nur noch das 4.; die Juden betrachten sie sämtlich als apokryph. Auch über die gemeinten Personen gibt es Unklarheiten: Die Kirche sieht in ihnen die Söhne der in Makk. 2 erwähnten „makkabäischen Mutter“ - die heutigen Juden denken bei „makkabäische Brüder“ an die Träger des Volksaufstandes der Hasmonäer gegen die Syrer, und es ist keinesfalls ausgemacht, daß damit die gleichen gemeint sind. Außerdem gibt es jüdischerseits die üblichen Empfindlichkeiten: Wie kommen die Römer dazu, unsere Leute als ihre Heiligen zu vereinnahmen.

All diesen Problemen kann man auf einfache Weise entgehen, indem man einen Gedenktag wie den von Petri Kettenfeier und den damit verknüpften der Sieben makkabäischen Brüder stillschweigend aus dem Kalender fallen läßt und sich so von den Ketten der Vergangenheit befreit. Freilich hat derartiger Umgang mit Gedenktagen seine Tücken: Der Gedanke, statt deren den hl Alfons v. Liguori zu feiern, mag in den 50er/60er Jahren noch nahegelegen haben – inzwischen ist absehbar, daß der gestrenge Moraltheologe des 18. Jahrhunderts den Neukirchlern bald mindestens ebenso peinlich sein dürfte wie die gesprungenen Ketten des hl. Petrus – von den politisch heiklen Makkabäern ganz zu schweigen.

Immer auf der Höhe der Zeit zu sein erfordert Bereitschaft zu ständiger anpassender Veränderung in jeder Hinsicht, Inhalte nicht ausgenommen. Und genau das steht jeder formalen Zusammenführung mit der überlieferten Lehre und Liturgie entgegen.

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