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Zurück zur katholischen Weltanschauung

Foto des BuchumschlagsNicola Bux – über den hier schon des öfteren zu lesen war – gehört zu den vatikanischen Prälaten, die Papst Benedikt bei seinem Kurs einer Versöhnung der Kirche mit ihrer Tradition uneingeschränkt unterstützen. Im amerikanischen Verlag „Ignatius Press“ ist jetzt sein Buch „Benedict XVI‛s Reform - The Liturgy Between Innovation and Tradition“ in englischer Sprache erschienen. Das Vorwort dazu schrieb der als Agnostiker aufgewachsene italienische Journalist und Autor Vittorio Messori, weltweit bekannt geworden durch seinen im Jahr 1985 erschienenen „Ratzinger-Report“, den ersten großen Interviewband mit dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation. Wir übersetzen in leicht gestraffter Form wesentliche Passagen dieses Vorworts, die sich unmittelbar auf die Liturgiereform der 60er Jahre und deren Auswirkungen beziehen.

Nur wenige Monate (nachdem ich zur Kirche gefunden hatte) später fand ich die Altäre herumgedreht und sah, daß irgend ein kitschiges Stück Schund aus Aluminium oder Plastik an die Stelle des als „zu triumphalistisch“ entsorgten alten Altars – oft von einem berühmten Bildhauer und mit Gold und Marmor verziert – gesetzt worden war. Schon einige Zeit zuvor hatte ich – in meiner Neubekehrten-Arglosigkeit voller Überraschung – beobachtet, wie Gitarren die Orgel verdrängten und die Jeans des Kaplans unter Gewändern hervorlugten, die nach „Armut“ und „sozialer Verantwortung“, vielleicht verbunden mit einer Diskussion, aussehen sollten. Dazu die Abschaffung von Dingen, die man als „überfromm“ bezeichnete: Sich mit Weihwasser zu bekreuzigen, Kniebänke, Kerzen, Weihrauch. Ich erlebte das gelegentliche Verschwinden der Statuen populärer Heiliger, auch die Beichtstühle wurden entfernt und manchmal wurden sie im Zuge einer neuen Mode zur Hausbar in Designer-Wohnungen umgebaut.

All das wurde von Klerikern gemacht, die unaufhörlich von „Demokratie in der Kirche“ redeten und behaupteten, das werde vom „Volk Gottes“ verlangt – das zu befragen sich freilich niemals jemand die Mühe gemacht hatte. Beim Volk, wir wissen es, liegt alle Macht, ihm gebührt Respekt, sogar Verehrung – aber nur solange, wie es die Ansichten annimmt, die ihm die politisch, gesellschaftlich oder religiös herrschende Klasse vorschreibt. Wenn es nicht mit denen übereinstimmt, die die Macht haben, die Parteilinie zu bestimmen, muß man es entsprechend der gerade herrschenden Ideologie umerziehen. Für mich, der ich gerade an die Tür der Kirche geklopft hatte und froh war über jene stabilitas, die so anziehend und so tröstlich ist für alle die nur die Wankelhaftigkeit der Welt kennen, für mich war diese Zerstörung eines Erbes von Jahrtausenden höchst überraschen und erschien mir keinesfalls modern, sondern höchst unzeitgemäß. (...)

Auf Seiten bestimmter Gruppen von Gläubigen, die sich unter dem aus Frankreich kommenden Motto: „Man will uns unsere Religion verändern“ zusammenfanden, gab es Widerstand, aber diese wurden sofort zum Schweigen gebracht und von der katholischen Presse als unverbesserlich nostalgisch, vielleicht etwas faschistisch angekränkelt, dargestellt. In anderen Worten: Obwohl sie von den Propheten der „Demokratisierung“ vorangetrieben wurde, war die Liturgiereform (ich sehe hier vom Inhalt ab und spreche nur von der Form) alles andere als demokratisch. Niemand hat damals die Gläubigen um ihre Meinung gefragt, und die Gläubigen früherer Zeit wurden verächtlich abgetan. Ist Tradition nicht, wie manchmal gesagt wird, die „Demokratie der Verstorbenen“. Bedeutet Tradition nicht, unsere Brüder, die uns vorausgegangen sind, zu Wort kommen zu lassen?

Als Neuling in katholischen Angelegenheit hatte ich noch einen anderen Grund zur Verwunderung. Da ich früher keine besonderen religiösen Interessen hatte und dem Leben der Kirche fern stand, wußte ich zwar aus den Zeitungsüberschriften, daß das zweite Vatikanische Konzil stattfand, aber machte mir nicht die Mühe, die Artikel selbst zu lesen. Daher wußte ich nichts von der Arbeit und den langen Debatten mit Zusammenstößen verschiedener Denkschulen, die schließlich zu Sacrosanctum Concilium, der Konstitution über die Liturgie führten, die als erstes Ergebnis der Beratungen veröffentlicht wurde. Ich las den Text nachträglich, zusammen mit den anderen Konzilsdokumenten, nachdem der Glaube so plötzlich in meine Leben eingebrochen war. Ich las ihn, und war wie schon gesagt wiederum sehr überrascht: Die Revolution, die ich in der kirchlichen Praxis beobachtete, schien nicht viel mit den bedachten Reformen zu tun zu haben, die von den Konzilsvätern empfohlen worden waren. Dort las ich: „Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht.“ Dort fand ich keine Empfehlung, die Altäre umzudrehen, es gab keine Rechtfertigung für den Bildersturm, den einige Kleriker veranstalteten – und der den Antiquitätengeschäften großen Nutzen brachte – die einen Ausverkauf veranstalteten, bis die Kirchen so nackt und schmucklos dastanden wie Parkhäuser. Sie wurden zum Raum für die teilhabende Versammlung, sozialer Treffpunkt und Diskussionsforum, und nicht länger Ort entfremdeter Gottesdienste oder gar mit Goldglanz und Kunstwerken eine Beleidigung des Elends des Proletariats.

Diese Gegensätze brachte ich nicht zusammen: Die Fanatiker der innerkirchlichen Demokratie waren undemokratisch. Sie zwangen dem Volk Gottes ihre eigenen Ideen auf und scherten sich nicht im Geringsten darum, was das Volk dachte, Oppositionelle wurden isoliert und lächerlich gemacht. Und die Fanatiker der „Treue zum Konzil“ – das waren übrigens meistens die selben Leute – taten nicht, was das Konzil zu tun vorschrieb und taten oft sogar das, was das Konzil nicht zu tun empfahl.

Seitdem sind Jahrzehnte vergangen, und jeder, der das Leben der Kirche verfolgt, weiß, was in der Zwischenzeit geschehen ist. Das irritierte viele und verursachte auch mir großen Kummer, aber es berührte nicht mein Vertrauen in die Kirche überhaupt. Und das deshalb, weil die Mißbräuche, die Mißverständnisse, die Übertreibungen und die pastoralen Fehlgriffe waren, so wie das immer ist, Fehler der Söhne der Kirche und nicht der Kirche selbst. Denn das wahrhafte Lehramt der Kirche ist selbst in den dunkelsten Jahren von Chaos und Verwirrung im wesentlichen niemals vom Leitprinzip des et-et, von Erneuerung und Tradition, von Wandel und Kontinuität, vom Blick aufs Zeitliche und dem Bewußtsein des Ewigen abgewichen. Es blieb sich der Ordnung und des Geheimnisses des Heiligen bewußt, wahrte den Gemeinschaftsgeist und den Blick auf das Individuum, Inkulturation und Katholizität. Und was den höchsten Gipfel betrifft, die Eucharistie, so ist sie sicherlich ein Gemeinschaftsmahl, aber ebenso sicher die Geistliche Vergegenwärtigung von Christi Opfer.

Das konziliare Dokument zur Liturgie – das reale, nicht das mythische, ist eine Mahnung zur Reform, aber es enthält keinen revolutionären Unterton, denn es nimmt seinen Ausgang in der Lehre des großen Papstes Pius XII. Pius XII ist mit mehr als 200 Zitaten die meistzitierte Quelle der Dokumente des Zweiten Vatikanums, welches doch der schwarzen Legende zufolge beabsichtigte, sich gegen eben die Kirche zu wenden, die er repräsentiert hatte. In vielen offiziellen Dokumenten der Nachkonzilszeit ist manchmal eine pastorale Unklugheit anzutreffen, insbesondere in einem Übermaß von Vertrauen in einen Klerus, der dieses missbrauchte, aber es gibt keine Aufgabe von Prinzipien. Die Missbräuche wurden vielfach in der Praxis hingenommen, aber auf der Ebene des Lehramtes – und das ist es , was letzten Ende zählt – verurteilt. Für die schlimmsten Misstände waren keine Veränderungen in der Lehre verantwortlich, sondern „Indulte“, die ausgenutzt wurden. Und aus solchen Überlegungen heraus habe ich und haben sich viele andere in den schlimmsten Augenblicken und Jahren nicht demoralisieren lassen: Es blieb das Vertrauen, daß die pastoralen Missgriffe eines Tages korrigiert würden, daß die kirchlichen Antikörper wie noch immer reagieren und das „Petrinische Prinzip“ am Ende siegreich bleiben würde.

Es war, anders gesagt, das Vertrauen, daß eines Tages wieder eine Zeit kommen würde wie die, die Fr. Nicola Bux in seinem Buch beschreibt – beschreibt mit gebotenem Realismus, aber auch voller Hoffnung. Die vergangene Epoche war, was sie war, es ist großer Schaden entstanden, und einige Nachzügler der alten Ideologien des Progressivismus wiederholen immer noch unverdrossen ihre Parolen – aber nichts ist verloren, denn die Grundsätze stehen noch, sie sind unversehrt geblieben. (…)

Der Autor der folgenden Seiten (also Nicola Bux) erinnert uns daran, daß noch viel zu tun ist, um den irregeführten Gemütern – viele von ihnen wissen noch nicht einmal, daß sie in die Irre geführt worden sind – Hilfe zu bringen. Wir müssen ihnen helfen, das wieder zu gewinnen, was man auf Deutsch „Katholische Weltanschauung“ nennt. Und es ist natürlich kein Zufall, daß ich den deutschen Ausdruck verwende, denn jeder weiß, woher der Hirte kommt, der nicht damit rechnete, daß der Aufstieg zum Papstamt seine Geschichte als geduldiger und „demütiger Gärtner im Weingarten des Herrn abschließen würde."

 


 

Hier der vollständige Text in englischer Sprache.

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