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„Ein Projekt wahnhafter Arroganz“

Bild: Montage aus dem im Text genannten Artikel auf 1P5Peter Kwasniewski hat seine Besprechung der Bugnini-Biographie von Yves Chiron unter die sehr einleuchtende Frage gestellt: Was hat der große Reformer sich eigentlich gedacht? War er ein böswilliger Verschwörer, dessen Ziel die Zerstörung des Glaubens war? Oder ein fleißiger Bürokrat, der die Anforderungen des Zeitgeistes erkannte und perfekt umsetzte?

Kwasniewski entscheidet sich für eine Kombination beider Varianten: Ja, Bugnini war eine machiavellsitische Persönlichkeit, ein Meister der Intrige und der Machtspiele. Aber zum echten Machiavellisten fehlte ihm die Bosheit: „Bugnini ist diese merkwürdigste aller merkwürdigen Figuren, der anscheinend von den besten Motiven angetriebene Machiavellist, der seine Gegner deshalb erwürgt, weil sie doch offenkundig um Unrecht sind und er ebenso offenkundig Recht hat.“

Ein großes Verdienst der Chiron-Biographie sieht Kwasniewski daher darin, daß Chiron das Hauptmotiv allen Handelns Bugninis sehr deutlich herausgearbeitet habe: Eine einäugige Besessenheit von „aktiver Teilnahme“, worunter er die verstandesmäßige Erfassung von Textinformationen und daraus abgeleitet habe, alle liturgischen Formen restlos zu vereinfachen, um sie dem „modernen Menschen des Westens“ leichter zugänglich zu machen. Dem habe er alles Traditionelle untergeordnet: die lateinische Liturgiesprache, die gebundene und gelegentlich komplizierte hieratische Sprachweise, die formenreichen Zeremonien, den gregorianischen Choral, die hervorgehobene Rolle des Priesters, der zum familiär-freundlichen Vorsteher gemacht wurde. Kwasniewskis hier gerafft wiedergegebene Aufzählung läßt erkennen, wie tief dieser Geist Bugninis in das Denken der Theologen und Oberhirten eingedrungen ist – und wie verfehlt die Annahme, darin den wahrhaften Geist der Liturgie zu sehen.

Für den immer wieder geäußerten Verdacht, Bugnini habe im Auftrag der Freimaurerei agiert, sieht Chiron keinen historischen Beleg, aber auch keine eindeutige Widerlegung. Der Mann war fehlgeleitet in seinen Vorstellungen, aber nicht böwillig in seinen Zielen. Kwasniewski schließt sich diesem Befund an, was sein Urteil freilich in keiner Weise milder ausfallen läßt:

Auf gewisse Weise ist das der deprimierendste Befund überhaupt. Wäre Bugnini nach einem Masterplan vorgegangen, dessen Ziel es war, den katholischen Glauben durch die Zerstörung der Liturgie aller Zeiten und deren Ersetzung durch eine brillante Erfindung zu zerstören, wäre er ein Abtrünniger, ein eingeschleuster Agent gewesen, der das Ziel hatte, das zentrale Nervensystem der Kirche zu sabotieren – dann hätte man dem vielleicht einen widerwilligen Respekt entgegen bringen können. Wir halten Aussschau nach einem die ganze Unterwelt dirigierenden Professor Moriarty – und wir finden einen ernsthaften, hart arbeitenden, etwas kleingeistigen Mann, der der Rhetorik der Liturgischen Bewegung erlegen war, den selbst in den schwachen Stunden der Nacht nie ein Selbstzweifel berührte, völlig blind gegenüber den weltverändernden Auswikungen dessen, was er tat, ein fleißiger Funktionär mit halbgaren Vorstellungen – und mit der Sturheit, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit voranzubringen. Und damit landen wir in der seelenlos grauen Welt von Hannah Arendts „Banalität des Bösen“. Vor unseren Augen haben wir das Gegenstück zu dem SS-Offizier, der die Juden im Konzentrationslager umbrachte, weil er darin die gewissenhafte Erfüllung seiner Pflicht gegenüber dem Staat und die Ausführung legal ergangener Befehle sah.“

Das ist ein schwer erträglicher Vergleich, der nur dann verständlicher wird, wenn man die kosmische Dimension mitbedenkt, die das Verbrechen der Judenvernichtung ebenso wie die Zerstörung begleiten – objektiv und unabhängig von den subjektiven Wünschen und Zielvorstellungen der handelnden Personen.

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In einem der letzten Absätze macht Kwasniewski genau auf diese Dimension des liturgischen Zerstörungswerkes aufmerksam, wenn er ausgehend von der bei Chiron sezierten Reformperiode der 50er und 60er Jahre schreibt:

Wie überholt, wie abgestanden, wie sinnentleert erscheint das alles heute, da es uns eine Erbschaft hinterlassen hat, die ungefähr soviel Begeisterung hervorzurufen vermag wie sentimentaler viktorianischer Kitsch. Bugnini widmete sein Leben dem rastlosen Bemühen, die Kirche „auf die Höhe der Zeit“ zu bringen, sie zu einem ebenbürtigen Partner der Modernie zu machen, um so die weltliche Kultur zu bezwingen. Und jetzt schaue man auf die rauchenden Trümmer, die mit Brettern vernagelten Kirchen, die gleichgültigen und ungebildeten Laien, die kindermörderischen Cuomos und Pelosis, auf die Liturgie, die vor Langeweile zum Heulen ist, auf einen Papst, der unter häretischer Logorrhoe leidet. Nicht die Kirche hat die Moderne eingenommen, nein, die Moderne hat die Kirche kolonisiert und auf Vasallenstatus heruntergedrückt.“

Von daher ist die Rückkehr zur Tradition für Kwasniewski der einzige Weg, der aus der tiefen Krise der Gegenwart nach vorwärts führt. Die letzten Sätze seines Artikels enthalten eine klare Ansage, wie sie in dieser Härte bisher von Katholiken „in Einheit mit Rom“ selten zu hören war:

„Wir begrüßen die nachkonziliaren Liturgiereformen in keiner Weise und wir werden niemals ihr Lob singen. Ihr könnt uns nicht zwingen, sie zu schätzen, ihr könnt uns noch nicht einmal zwingen, sie zu feiern. Wir halten sie für ein Projekt wahnhafter Arroganz, das von verfehlten Grundsätzen ausging und jämmerliche Ergebnisse erbracht hat. Wir mißtrauen den Leuten, die im Consilium tätig waren, Bugnini ganz besonders, und ganz egal, wie viele Prälaten mit vom Zorn geröteten Gesichtern aufspringen und von oben herab erklären: ,Es war der Wille des heiligen Geistes‘ oder ,Das zweite vatikanische Konzil hat es so befohlen‘ oder ,Paul VI. hat es angeordnet‘ : Wir werden immer an der großen liturgischen Tradition festhalten, die sich organisch vom heiligen Petrus, Von St. Damasus, von Gregor dem Großen bis ins 20. Jahrhundert entwickelt hat. Unsere Zahl wird anwachsen – auch wenn Diözesen Pfarreien zusammenlegen, Kirchen verkaufen oder an Strafzahlungen verbluten. Die begeisterten Liturgologen der 60er und 70er Jahre sind die alternden Nostalgiker von heute, da die Kirche sich zunehmend spaltet in solche, die das Dogma, die Tradition und die Liturgie ernst nehmen, und die anderen, die sie bis hin zur Auflösung modernisieren wollen.“

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