Liturgie des Triduum und Reform
- Details
- 06. Mai 2019
Peter Kwasniewski hat auf One Peter Five einen bewegenden Bericht von der Liturgie des Triduums veröffentlicht, an der er in diesem Jahr zum ersten Mal in der traditionellen Form teilnehmen konnte, wie sie vor den pianischen Reformen von 1955 üblich war. Ort dieser Feierlichkeiten war das Oratorium der Gottesmutter Maria des Instituts Christus König und Hoher Priester in Wausau, Wisconsin. Hier eine ausführliche Bilderstrecke. Wie einem weiteren Bildbericht auf New-Liturgical Movement zu entnehmen ist, wurde die Karliturgie auch im Old St. Patricks Oratorium des Instituts in Kansas City in diesem Jahr nach dem Missale der Jahre vor 1955 begangen. Es war zwar in früheren Jahren schon öfter die Rede davon gewesen, daß beim ICKSP im Triduum die Liturgie in dieser Form gefeiert werde – das war aber nur gerüchteweise bis nach Europa gedrungen. Die offizielle und durch zahlreiche ins Netz gestellte Aufnahmen dokumentierte Verwendung der traditionellen Form bedeutet unseres Wissens ein Novum für eine der in Einheit mit Rom stehenden Priestergemeinschaften der Tradition.
Kwasniewski ist jedenfalls tief beeindruckt, er fasst seine Eindrücke so zusammen: „Für mich gibt es keinen Zweifel daran, daß die Oster-Vigil von vor 1955 das Kronjuwel des Tridentinischen Ritus darstellt und wir alles tun müssen, um es zurück zu gewinnen. Ich bin, wie schon am Palmsonntag, völlig sprachlos, daß irgendwelche Reformierer es wagen konnten, so etwas abzuschaffen.“
In der Tat belegen sein Bericht und die Bilder eindrücklich, wie schmerzlich der Verlust ist, der der Liturgie mit den radikalen Eingriffen von 1955 zugefügt wurde. Eine ausführliche kritische Beschreibung der Veränderungen von László Dobszay bietet Summorum Pontificum hier. Andererseits macht der aktuelle Bericht Kwasniewskis nachvollziehbar, warum die Reformer sich bemüßigt sahen, gerade an diesen theologisch und liturgisch besonders hervorgehobenen Tagen so massiv einzugreifen: Eine etwa vierstündige Liturgie wie die von der Kerzenweihe bis zum Ende der Auferstehungsvigil, die nicht nur in einer den meisten Teilnehmern unverständlichen Sprache gefeiert wird, sondern diese auch mit wenig vertrauten Formen und Symbolen konfrontiert, erscheint im damals gerade ausgerufenen Zeitalter pastoraler Liturgie schwer vermittelbar bis unerträglich. Es mußte also etwas getan werden – aber mußte es gerade das sein?
Damit gerät eine grundsätzliche Frage ins Blickfeld, die an jeden „reformierenden“ Eingriff in eine gewachsene Liturgie zu richten ist: Müssen Veränderungen, die von möglicherweise berechtigten „pastoralen Erwägungen“ motiviert sind, eigentlich ausnahmslos und für alle Feiern der jeweiligen Liturgie vorgeschrieben werden? Ist es notwendig oder zulässig, eine frühere Form „abzuschaffen“ und damit Gefahr zu laufen, mit der früheren „lex orandi“ auch die frühere „lex credendi“ zu delegitimieren, wie es genau im Verlauf der Liturgiereformen von 1955-1970 geschehen ist? Soweit das mit dem vorgeblichen Bedürfnis zur Wahrung der liturgischen Einheit begründet wird, erscheint das wenig glaubhaft: Die Konstrukteure des Novus Ordo haben unzählige Optionen und Blankovollmachten in ihre Liturgie eingebaut und damit einen Zustand herbeigeführt, in dem sich Liturgie uneinheitlicher darstellt als jemals zuvor in der Kirchengeschichte – und das ganz ohne offenkundige gegen Vorschriften zu verstoßen.
Der Wille zur Wahrung formaler Einheit kann es also kaum gewesen sein, der die Reformer angetrieben hat. Tatsächlich muß man unterstellen, daß zumindest ein Teil von ihnen genau die inzwischen unbestreitbar zu Tage getretenen Veränderungen in den Inhalten des Glaubens angestrebt hat, die aus den „einheitlich und verbindlich“ angeordneten Veränderungen liturgischer Formen und Symbole hervorgegangen sind - oder darin ihren Niederschlag fanden. Die Bewegung geht immer in beiden richtungen.
Solche Überlegungen legen es nahe, im Bereich der Liturgie alle „Reformen“ abzulehnen oder zumindest mit der größten Skepsis zu betrachten, mit denen liturgische Elemente und Texte, die sich organisch entwickelt haben und die von der Kirche jahrhundertelang hingebungsvoll gepflegt wurden, „abgeschafft“ oder gar „delegitimiert“ werden – das kann nur zu Brüchen und Verwerfungen führen.
Die Alternative, die von den Reformern des 20. Jahrhunderts offenbar bewußt nicht in Betracht gezogen wurde, würde dann darin bestehen, einzelne Elemente innerhalb einer verbindlichen Grundstruktur nach Anzahl, Umfang oder Sprache optional zu machen und damit Spielraum für „pastoral“ begründete Anpassungen zu gewähren. Gleichzeitig wäre sicherzustellen gewesen, daß die „Vollformen“ der Liturgien da, wo die entprechenden Voraussetzungen gegeben sind oder geschaffen werden können, weiterhin unverändert oder mit geringfügigen Anpassungen in Gebrauch blieben. Wie das wohl auch schon in früheren Perioden der Kirchengeschichte üblich war, hätten dann in einer ländlichen Gemeindekirche, einer städtischen Bischofskirche und in einer Klosterkirche äußerlich durchaus unterschiedliche, aber im Inhaltlichen erkennbar übereinstimmende Liturgien stattgefunden, an denen die Gläubigen dann entsprechend ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten teilnehmen.
Eine solche Praxis hätte möglicherweise ihre eigenen Probleme mit sich gebracht – einen Hinweis gibt das heute weitgehend beziehungslose Nebeneinander von überlieferter und reformierter Liturgie an den Orten, wo beide angeboten werden – aber ohne die Zuspitzung, die sich aus der von den Reformern gewählten Methode ergeben hat. Erst der Ansatz, frühere und vermeintlich nicht mehr zeitgemäße liturgische Elemente abzuschaffen und zu delegitimieren und damit tiefgehende Traditionsbrüche zu verursachen hat die Liturgie zu einem Kampfplatz werden lassen und ihr die Fähigkeit genommen, die Integrität des Glaubens zu bewahren.