Bereichsnavigation Themen:

Cardinal Sarah zum überlieferten Ritus

Bild: E.Pentin, aus dem zitierten Artikel des NCRAus Anlaß der Veröffentlichung seines neuesten Buches „The Day is now far spent“ (Deutsch: „Herr bleibe bei uns“, erhältlich bei fe-Medien) hat S.E. Robert Cardinal Sarah dem Rom-Korrespondenten Edward Pentin des National Catholic Reporter ein langes Interview gegeben. Neben lesenswerten Ausführungen zur Kirchenkrise spricht der Kardinal dabei insbesondere über bedenklichen Tendenzen im Arbeitspapier der Amazonas-Synode und die liturgischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Dabei betont Cardinal Sarah, der offiziell immer noch Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst ist, einerseits die seiner Sicht nach positiven Aspekte der Litugiereform, deren unglückliche Ergebnisse in der Praxis er einer „Agitation und Aktivismus“ zuschreibt, die sich von den ursprünglichen Intentionen der Konstitution Sacrosanctum Concilium entfernt hätten.

Andererseits präsentiert er auch Grundzüge einer fundierten theologischen Kritik dieser Erscheinungen und betont insbesondere auch den Stellenwert der überlieferten Liturgie als Gegengewicht zu modernistischen Entstellungen. Dabei macht er zwar deutlich, daß er in der überlieferten Liturgie kein zum Absterben verurteiltes Relikt einer überholten Vergangenheit sieht, versucht aber doch, im Sinne der bereits von Papst Benedikt propagierten Vorstellung von der „gegenseitigen Befruchtung“ beider Riten die Perspektive einer gemeinsamen liturgischen Form in der Zukunft offen zu halten. Wir übersetzen die entsprechende Passage, in der der Kardinal einleitend auf die Frage antwortet, wie er die Tatsache bewertet, daß mehr und mehr junge Leute sich von der überlieferten Liturgie angezogen fühlen.

Es beginnt ein langes ZitatIch sehe das, ich stelle das ebenfalls fest. Immer wieder vertrauen mir junge Leute ihre absolute Präferenz der außerordentlichen Form an, die sie für aufbauender halten, da sie den Primat und die zentrale Stellung Gottes betont und mit ihrem Schweigen die Bedeutung der heiligen und göttlichen Transzendenz hervorhebt.

Hier geht es weiter Doch vor allem: Wie sollen wir das verstehen, wie kann uns das nicht zutiefst erschrecken und verwundern, daß das, was gestern die Norm war, heute verboten ist? Müssen wir nicht vermuten, daß das Verbot oder die Verdächtigung der außergewöhnlichen Form die Einflüsterung eines Dämons ist, der uns ersticken und den spirituellen Tod bringen will?

Wenn die außerordentliche Form im Geist des zweiten vatikanischen Konzils gefeiert wird, zeigt sie ihre volle Fruchtbarkeit. Und wie könnte es uns überraschen, daß eine Liturgie, die so viele Heilige hervorgebracht hat, auch weiterhin junge Seelen, die nach Gott dürsten, anlächelt? Wie Benedikt XVI. hoffe ich ich, daß sich die beiden Formen des Römischen Ritus gegenseitig bereichern. Das setzt voraus, daß wir uns von der Hermeneutik des Bruches lösen. Beide Formen haben den gleichen Glauben und die gleiche Theologie. Es ist ein grundlegender theologischer Irrtum, sie in Gegensatz zueinander zu bringen. Das bedeutet, die Kirche zu zerstören, indem man sie von ihrer Tradition losreißt und vortäuscht, daß das, was der Kirche in der Vergangenheit heilig war, heute falsch und unerträglich sei. Was für ein Verrat und was für eine Beleidigung gegenüber all den Heiligen, die uns vorausgegangen sind! Was für eine Vorstellung von der Kirche!

Wir müssen uns von den dialektischen Gegenüberstellungen lösen. Das Konzil hatte nicht die Absicht mit den liturgischen Formen aus der Vergangenheit zu brechen, sondern wollte im Gegenteil besser in ihnen und mit ihnen feiern.

Die Konstitution des Konzils fordert, „daß neu zu übernehmende Formen auf die eine oder andere Weise organisch aus bereits bestehenden hervorgehen“. Es ist daher falsch, das Konzil gegen die Tradition der Kirche zu stellen. In diesem Sinne ist es erforderlich, daß diejenigen, die die außerordentliche Form feiern, das im Sinne von Sacrosanctum Concilium und nicht in einem Geiste der Opposition tun.

Wir brauchen die außerordentliche Form, damit wir wissen, in welchem Geist die ordentliche Form zu feiern ist. Aber auf der anderen Seite riskiert die Feier der außerordentlichen Form ohne Berücksichtigung der Hinweise von Sacrosanctum Consilium, diese Form zu einer leblosen und zukunftslosen archäologischen Hülle zu reduzieren.

Es wäre wünschenswert, in einen Anhang zu zukünftigen Ausgaben des Missale Romanum (der ordentlichen Form) den Bußritus und das Offertorium der außerordentlichen Form (als Option) mit aufzunehmen, um herauszustellen, daß die beiden liturgischen Formen sich gegenseitig beleuchten, und zwar in Kontinuität und ohne Gegensatz.

Wenn wir in diesem Geiste leben, dann wird die Liturgie nicht länger der Schauplatz für Streit und Kritik sein und uns letzten Endes zu der großen Himmlischen Liturgie hinführen.“

Soweit unsere Übersetzung dieses Teiles des Interviews.

Es ist hier weder der Platz noch die Notwendigkeit zu einer Detailkritik dieses Ansatzes – die Grenzen der Forderung, auf eine Hermeneutik des Bruches zu verzichten, sind allseits bekannt. Die Aussagen des Kardinals müssen jedoch als Hinweis auf die Notwendigkeit dienen, sich intensiver mit Konzepten wie „lebendige Tradition“ oder „zeitgemäße Weiterentwicklung der Lehre“ auseinander zu setzen, die vielfach gerade von denen, die offensichtlich mit der Tradition brechen wollen, herangezogen werden, um diese Absicht zu bemänteln.

Die Feier des „Novus Ordo“ im Geist und in der Theologie der kirchlichen Tradition ist zweifellos möglich. Zu fragen ist jeweils im konkreten Fall, ob das auch der Fall ist und, wenn nicht, was die Gründe dafür sind und welchen Zielen das dient. Mit einer „unordentlichen Form“ als Standard der Liturgie kann die Kirche sich jedenfalls nicht abfinden.

Zusätzliche Informationen