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Die Ottaviani-Intervention

Bild: Wikimedia - gemeinfreiVon Clemens V. Oldendorf

Eigentlich ist es erstaunlich, wie wenig in diesem Jahr an die Liturgiereform Pauls VI., besonders an dessen Novus Ordo Missae, erinnert wird, den er vor fünfzig Jahren promulgierte. Die vereinzelten Beiträge und Initiativen, die daran erinnern, kommen aus der kritisierenden Ecke. Doch es fällt auf, dass der gestrige 25. September soweit wir sehen, völlig unbeachtet vorübergegangen ist. An diesem Datum übermittelten die Kardinäle Ottaviani und Bacci Papst Paul VI. die Kurze kritische Untersuchung des ‚Novus Ordo Missae‘, die zuvor von einer Arbeitsgruppe traditionsorientierter Theologen erstellt und durch die Unterschriften der beiden Purpurträger, die sich diese Kritik zueigen machten, erheblich aufgewertet wurde, zumal Ottaviani damals der oberste Hüter der reinen Glaubenslehre war und weit eher als der Panzerkardinal hätte apostrophiert werden können als ein Joseph Ratzinger, der ihm später in dieser Position nachfolgen sollte.

Wo bleiben Feierstimmung und Synodalität?

Wenn die Befürworter der Liturgiereform und die Vertreter der universitären Liturgiewissenschaft über ihr Jubiläum beinahe stillschweigend hinwegsehen und hinweggehen, dann vielleicht deshalb, weil sie in einer geschichtsvergessenen Zeit nicht unnötig daran erinnern wollen, dass die Liturgie der Kirche überhaupt jemals sichtlich anders gefeiert wurde als es jetzt landläufig üblich und prinzipiell auch so normativ vorgeschrieben ist.

Mit dem Stichwort normativ kommen wir auf die Missa normativa zu sprechen, die auf der Bischofssynode von 1967 gleichsam als Prototyp des Novus Ordo vorgestellt, um nicht zu sagen vorgeführt wurde und auf breiteste Ablehnung der Synodenväter stieß.

Die Voten und Beschlüsse einer Bischofssynode binden eben den Papst in seinen Entscheidungen nicht, und da der Novus Ordo, der zwei Jahre später kam, trotzdem fast 1:1 der Missa normativa entsprach, konnte man schon damals sehen, was Synodalität bedeutet, wenn ihre Tendenz dem Heiligen Vater eigentlich nicht in die Agenda passt.

Abweichen von der Lehre des Konzils von Trient

Doch zurück zur Kurzen kritischen Untersuchung. Sie kritisierte vor allem ein Aufweichen der Lehre von eucharistischer Realpräsenz und Opfercharakter, das aus den Einzelheiten und der Gesamtheit des Ritus, wie Paul VI. ihn vorgelegt hatte, in den liturgischen Texten und Gesten spreche, und die Kardinäle beschworen daher den Pontifex, der Kirche nicht die Möglichkeit zu nehmen, auch gemäß dem bisherigen Missale Romanum das heilige Messopfer darzubringen.

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Wenn man die damalige Konstellation betrachtet, war sie eigentlich viel brisanter und massiver als beispielsweise das, was die Dubia zu Amoris laetitia heute darstellen. Vor allem war der Vorgang beachtlicher als das, was Kardinal Burke und Weihbischof Schneider in regelmäßigen Abständen nachreichen, seit die Dubia unbeantwortet geblieben sind.

Die eingestampfte erste Auflage

Die später auch Ottaviani-Intervention genannte Untersuchung war übrigens nicht folgenschwer, aber doch nicht völlig folgenlos, insofern Paul VI. die gesamte erste Auflage des Novus Ordo Missae einstampfen (!) ließ. Allerdings wurde dann nur die Definition der heiligen Messe, die dieser Ordo enthielt, durch Einschub einer Apposition mehr halbherzig ‚verbessert‘, am Ritus selbst änderte sich nichts mehr.

Was bleibt festzuhalten, und was sollte man vielleicht aus den damaligen Vorgängen für heute lernen?

Die Kritik wandte sich nicht gegen liturgische Missbräuche. Gegenstand der Kritik war ein Novus Ordo in Latein, am Hochaltar, ohne Ministrantinnen und Handkommunion. Schon dieser wich in den Augen der Autoren und Unterzeichner erheblich von der Lehre des Konzils von Trient über das heilige Messopfer ab, und doch würde eine solche Feier heute in Kreisen, die der Idee einer Reform der ‚Reform‘ nahestanden oder immer noch darauf hoffen, sicherlich schon als Ausdruck von Kontinuität der heutigen Liturgie mit ihrer traditionellen Praxis angesehen. Diese Form ist theoretisch wohl auch am ehesten der sogenannte Usus ordinarius, der rein theoretisch Referenzpunkt für liturgische Feiern gemäß Summorum Pontificum sein soll. Mit diesem Motu proprio wurde 2007 immerhin in etwa das ermöglicht, was Ottaviani und Bacci 1969 erbaten und nicht erhielten.

Und um historisch redlich zu bleiben, muss gesagt sein, dass Ottaviani später ausschließlich im Novus Ordo und sogar nur in italienischer Sprache zelebrierte und das, obwohl er ob seiner Stellung und auch schon wegen seiner Blindheit zweifelsohne leicht die Sondergenehmigung hätte erhalten können, am früheren Messbuch festzuhalten, die für alte, behinderte und gebrechliche Priester von Anfang an vorgesehen war, vorausgesetzt, dass sie privat und mit einem Ministranten unter sonstigem Ausschluss von Gläubigen zelebrierten. Ottaviani verlor später auch nie mehr ein Wort der Kritik an dem, was der Liturgiewissenschaftler Klaus Gamber wohl sachlich zutreffend als den neuen päpstlichen Ritus charakterisierte, um den Novus Ordo vom, über Gregor den Großen und Pius V. bis zu Paul VI. überlieferten, Ritus Romanus zu unterscheiden.

Sich an das Schweigen Ottavianis zu erinnern, ist nach einer Fußnote in Amoris laetitia und vor der Amazonas-Synode sicher lehrreich, ob es für Burke und Schneider auch vorbildlich wäre, sich diesem Beispiel anzuschließen, lasse ich offen, aber es wäre gewiss für solche Personenkreise konsequenter, die zumindest noch unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Papalismus grundsätzlich für traditionskonform gehalten haben. Unter Franziskus erleben wir freilich eine jetzt theologisch völlig entkoppelte Papolatrie der Emotionen, wie sie selbst unter Pius IX. ganz und gar undenkbar gewesen wäre.

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S. dazu auch unseren Beitrag vom 6. Juni.

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