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Wäre die Spaltung vermeidbar gewesen?

Anläßlich eines Pressegespräches, das er am 15. Januar in der spanischen Botschaft in Rom führte, überraschte Kardinal Cañizares die Journalisten mit einer bemerkenswerten Mitteilung: „Damals (eine genauere Präzisierung des Zeitpunktes gab er nicht) war Bischof Fellay, der Kopf der Piusbruderschaft, bei mir zu Besuch und sagte: 'Wir sind gerade in einer Abtei in der Nähe von Florenz gewesen. Wenn Erzbischof Lefebvre gesehen hätte, wie sie dort zelebrieren, hätte er nicht den Schritt getan, den er getan hat.' Die Messe dort,“ fügte der Kardinal dann hinzu, „war die nach dem Missale Papst Pauls VI., allerdings in ihrer strengsten Form. Selbst die Anhänger der Piusbruderschaft räumen also nach der Teilnahme an einer korrekt gefeierten Messe ein, daß das, was geschehen ist und die bestehende Trennung verursacht, nicht hätte geschehen müssen, wenn die Messe so wie dort zelebriert würde.“ (Quelle)

Nun wissen wir natürlich nicht, ob der Journalist den Inhalt des Gespräches korrekt wiedergegeben hat. In jedem Fall bleiben Fragen. Die erste ist die, warum denn eine Messe „in der strengsten Form“ der reformierten Liturgie so selten vorkommt, daß Bischof Fellay sie nur höchst selten und Erzbischof Lefebvre sie anscheinend nie zu Gesicht bekommen hat. Diese Frage richtet sich auch an Kardinal Canizares, der als Präfekt der Gottesdienstkongregation schließlich dafür zuständig ist, daß die Messe korrekt nach den liturgischen Vorschriften zelebriert wird.

Die zweite Frage: Was ist eigentlich die korrekte Form? Die Vorschriften, die in jahrelanger Gremienarbeit formuliert und von bis jetzt drei Päpsten immer wieder bekräftigt worden sind, sind nämlich in vielem so abgefasst, daß sie sich selbst aufzuheben scheinen, mit Formeln wie „oder ein anderes geeignetes Lied“ oder „wenn pastorale Erwägungen nicht anderes nahelegen“. Aber selbst wo die Vorgaben klar erscheinen, wie etwa da, wo die Beibehaltung der lateinischen Sprache gefordert oder die Zelebration zum Volk hin bestenfalls als Kann-Vorschrift niedergelegt ist, werden diese Vorschriften mit der größten Selbstverständlichkeit missachtet. Nicht von einzelnen disziplinlosen Abweichlern, sondern von ganzen Bischofskonferenzen - die dann nachher für ihre Eigenmächtigkeiten den römischen Segen verlangen und erhalten. Und trotz solcher Großzügigkeit muß die vom damaligen Kardinal Ratzinger zusammengestellte und von Papst Johannes Paul II. noch 2004 erlassene Instruktion „Redemptionis Sacramentum“ seitenweise schwere Missstände aufzählen, deren Abstellung verlangen - und nichts geschieht.

Doch selbst diese Misstände sind vielleicht nicht das gravierendste Problem. Wenn „Rom“ sie ertragen kann, kann unsereins das vielleicht auch; zumindest dann, wenn er nicht zur Teilnahme daran gezwungen wird. Und genau da liegt neben dem protestantisierenden Geist einiger Züge der Reform das große Problem dieser bürokratisch konzipierten und autoritär durchgesetzten Revolution: Statt nach einem Gefüge zu suchen, in dem eine vermeintlichen Erfordernissen der Gegenwart besser gerecht werdende „Gemeindemesse“ ihren Platz zwischen behutsam erneuerter „stiller Messe“, „Gesungenem Amt“ und „Levitenamt“ gefunden hätte, schritt man zur Totaloperation.

Die alte Ordnung der Liturgie wurde faktisch verboten, jede äußerliche Ähnlichkeit mit ihr - das Umdrehen der Altäre und die lächerliche Mantelalbe sind ja nur die drastischsten von zahllosen solcher Zeichen des Bruches - fast überall peinlichst vermieden. Mit gleichem Eifer wurden zentrale Elemente der Glaubenslehre, die die früheren Formen hervorgebracht hatte, für „endlich überwunden“ erklärt. Wer weiter an dem festhalten wolltem, was bis gestern noch für das Höchste und Heiligste gegolten hatte, sah sich vielerorts buchstäblich von einem Tag auf den anderen an den Rand und oft genug darüber hinaus gedrängt.

Auch wenn das die faktische Abspaltung des Erzbischofs Lefbvre nicht rechtfertigen, sondern nur erklären kann: Unter solchen Umständen sind Abspaltungen unvermeidlich. Um das zu vermeiden, hätte es schon mehr als einer würdig und „in der strengsten Form“ gefeierten Messe nach den neuen Büchern bedurft: Der allgemeinen Erfahrung, daß die hl. Messe in den erneuerten Formen die gleiche war, die seit jeher gefeiert wurde.

Diese Erfahrung hat, darin scheinen sich Kardinal Cañizares und Bischof Fellay einig zu sein, bis heute Seltenheitswert.

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