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Warum eine Zusammenführung der Riten unmöglich ist

Bild: Montage aus eigenen BeständenWarum Kardinal Koch den schon vor Jahren aufgebrachten und seitdem immer wieder abgelehnten Vorschlag einer „Zusammenführung“ der beiden Formen des lateinischen Ritus aus der Mottenkiste geholt hat, ist schwer nachvollziehbar. Die Idee wird von Vertretern beider Riten überwiegend abgelehnt, und das mit – zwar verschiedenen, aber für beide Seiten einleuchtenden – Gründen. Gründen, die viel mehr in der unterschiedlichen Theologie von Gottesdienst und Meßopfer liegen als in pastoralen oder praktischen Erwägungen.

Praktisch wäre vieles machbar, wie man am Missal der ex-anglikanischen Ordinariate sehen kann, das sowohl Zelebrationen ermöglicht, die sehr stark der überlieferten Form der römischen Liturgie ähneln, als auch in Formen des Novus Ordo – und dazu auch noch mit Elementen englischer Sondertraditionen. Freilich wird das bei den Ordinariaten dadurch erleichtert, daß es nur eine Liturgiesprache gibt – Englisch in einer gemäßigt altertümelnden Einfärbung. Schon in der Frage der Liturgiesprache ist ein Kompromiss in der allgemeinen katholischen Welt schwer vorstellbar, wie man daran ablesen kann, daß der lateinisch gefeierte Novus Ordo von vielen Priestern und Gemeinden ebenso erbittert abgelehnt wird wie die überlieferte lateinische Liturgie. Schwerer wiegt noch, daß die Priester und Gemeinden der Ordinariate sich beim Eintritt in die volle Einheit mit der römischen Kirche in feierlicher Form zum Inhalt des Katechismus von 1993 bekannt haben. Damit dokumentieren sie eine Einheit in Lehre und Glauben, von der im aktuellen Chaos der real existierenden römischen Kirche nicht die Rede sein kann.

Denn das liegt auf der Hand: Wo diese Einheit in Lehre und Glauben gegeben ist, lassen sich Unterschiede in Form und Ritus mit gutem Willen durchaus ertragen . Das war auch in der katholischen Tradition so, wo es zum Teil bedeutende Unterschiede zwischen Lokalformen und Ordensgebräuchen des Ritus gab. Wo diese Einheit aber fehlt, wird jeder Unterschied in der Form – je nach Standpunkt – entweder zum „Verdachtsfall“, der das Recht der anderen Seite in Zweifel zieht – oder zum Mittel zum Zweck, um die eigenen Überzeugungen von denen der Gegenseite abzuheben und ihr gegenüber Punkte zu machen. Kampfmittel in einem Nullsummenspiel, in dem die eine Seite verliert, was die andere gewinnt.

Damit ist der Geburtsfehler der Liturgiereform angesprochen. Hier geht es weiter Während sie für einige ihrer Vertreter – man denke an die frühe „Liturgische Bewegung“ in Deutschland – eine Notwendigkeit war, um die Menschen des 20. Jahrhunderts leichter an den alten Glauben der unverändert in Christus ruhenden Kirche heran zu führen, sahen andere darin ein Werkzeug, um entsprechend den (von ihnen alleine begriffenen) Anforderungen des neuen Menschen in einer neuen Welt auch eine neue Kirche zu schaffen – selbst wenn das in vielerlei Hinsicht einen Bruch mit der Vergangenheit bedeutete. Viele davon orientierten sich mehr oder weniger bewußt am Denken des als Liturgiker überhaupt nicht hervorgetretenen Jesuiten Teilhard de Chardin, der eine Synthese zwischen dem Glauben an den Gott der Bibel und das historisch-materialistische Weltbild des Marxismus schaffen wollte.

Wenn heute die metaphysische Ebene der Religion – konkret der Glaube an den Dreieinigen Gott und die von ihm gestiftete sakramentale Kirche – in weiten Bereichen der Kirche vor dem Erlöschen steht und durch eine Säkularreligion im Namen der Menschenrechte, des sozialen Fortschritts und der globalen Einheit des Menschengeschlechtes ersetzt wird, so geht das in vielem auf de Chardins fortdauernden Einfluß zurück. Das gilt auch dann, wenn die modernen Teilhardisten weit unterhalb der Ebene der visionären Höhenflüge ihres Anregers operieren und sich oft gar nicht bewußt sind, wieviel sie ihm für die Entwicklung ihres neuen über Christus hinausgehenden Verständnisses von Welt- und Gottesdienst „verdanken“. Unvereinbarer als die liturgischen Formen von alter und neuer Liturgie sind die unterschiedlichen Theologien, die inzwischen in ihnen ihren Ausdruck gefunden haben.

Es stimmt: Sowohl Paul VI. (etwa in den nach der ‚Ottaviani-Intervention‘ neu formulierten Einleitungssätzen zur Institutio Generalis) als auch seine Nachfolger haben immer darauf bestanden, daß die „Neue Liturgie“ nicht Ausdruck einer neuen Theologie sei und auch nicht sein dürfe. Diese Mahnungen sind weitgehend folgenlos geblieben – nicht zuletzt auch deshalb, weil die Päpste und die Bischöfe wenig unternommen haben, um ihnen Geltung zu verschaffen. Die Verderber des Glaubens auf den Lehrstühlen der Hochschulen konnten ihre Tätigkeit unbehindert weiterführen und haben inzwischen eine Generation von Priestern und Religionslehrern produziert, die zum guten Teil noch nicht einmal mehr wissen, daß das, was sie predigen und tun, im Widerspruch zu dem steht, was die Kirche zweitausend Jahre lang gepredigt und getan hat. Derlei läßt sich nicht durch das „benediktinische Arrangement“ der Kerzen auf dem Altar oder eine barocke „Bassgeige“ als Casel, auch nicht durch die Verwendung der lateinischen Sprache oder Zelebration „ad Dominum“ aus der Welt schaffen. Deshalb konnte auch der Aufruf zu einer „Reform der Reform“ keine in die Breite gehende Wirkung entfalten

Niemand verkörpert den unproduktiven und letztlich zerstörerischen Widerspruch zwischen den beiden oben skizzenhaft angedeuteten Weltbildern und Glaubenswelten so brutal ausgeprägt in einer Person wie der gegenwärtige Papst, der buchstäblich innerhalb ein- und der selben Predigt und Liturgie aus der Rolle des „Künders von Christus, dem Gekreuzigten“ in die Rolle des „Weltpräsidenten für Frieden und sozialen Fortschritt“ (und umgekehrt) zu fallen vermag. Sein damit durchaus in Zusammenhang stehendes völliges Unverständnis für liturgische Formen mag die Kirche allerdings davor bewahren, daß der Vorschlag Kardinal Kochs im Palasthotel von Santa Marta aufgegriffen wird.

Doch selbst wenn: Die Entwicklung wird in jedem Fall getrennt weitergehen. Die Corona-Krise hat gezeigt, daß das Potential der neuen Liturgie in Sachen Entsakramentalisierung und Angleichung an die Welt noch lange nicht ausgeschöpft ist. Und sie hat ebenso gezeigt, daß das Beharrungsvermögen des überlieferten Glaubens und der ihn zum Ausdruck bringenden Liturgie ungebrochen ist. Angesichts der Schwächung der kirchlichen Autorität unter den Päpsten seit Paul VI. und der faktischen Suspendierung des Lehramtes unter dem gegenwärtigen Amtsinhaber kann dieses Beharrungsvermögen auch in Zukunft nicht gebrochen werden. Die „progressive“ Seite, die keines ihrer Versprechen halten und keine der auf sie gesetzten Hoffnungen erfüllen konnte, hat inzwischen alle Kraft und alle Glaubwürdigkeit zur „Gestaltung von Kirche“ im Geist Christi verloren. Sie mag ihren Weiterbestand als NGO von Regierungs Gnaden sichern können, als spiritueller Faktor und als liturgische Kraft geht sie schon heute der Irrelevanz entgegen. Da hilft auch kein amazonischer Ritus mit Pachamama und Kuchen aus Süßkartoffelmehl.

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