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Vier Kennzeichen einer wahren Liturgie

Bild: Aus dem genannten Artikel auf New Liturgical MovementIn einem Artikel auf New-Liturgical Movement, der seinerseits die Wiedergabe eines Vortrags vom Vergangenen September ist, gibt Peter Kwasniewski eine beeindruckende Analyse des Standes der Liturgie in der Kirche der Gegenwart, ihrer Stärken und Unzulänglichkeiten – und der Gründe dafür, wie es dahin gekommen ist. Sein Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß die Feier der hl. Messe in der überlieferten Form sich (in den USA!) mehr und mehr ausbreitet – er führt das allgemein auf die kirchlichen Zerfallserscheinungen im aktuellen Pontifikat und dann noch einmal insbesondere auf die Erschütterungen durch die Corona-Krise zurück: Die Menschen suchen einen Halt und eine Seelsorge, Seelsorger, die ihnen keine Modeartikel verkaufen, sondern den Weg zu Wahrheit und Leben zeigen.

Doch es gibt in dieser positiven Tendenz auch Probleme. Vielen Katholiken fehlt es am Grundverständnis für das Wesen der Liturgie:

Es besteht großer Bedarf für sorgfältige, gedankenreiche und wohlfundierte Ausführungen zu allen liturgischen Angelegenheiten, damit wir unser Verständnis der komplexen Fragen, die hier angesprochen werden, vertiefen können, ohne die Geradlinigkeit unseres Glaubens und die Spontaneität unseres geistigen Lebens zu verlieren, während wir uns darum bemühen, die Heiligen zu werden, zu denen uns der Herr berufen hat.“

Als Hauptursache für den mangelnden Tiefgang nennt Kwasniewski den Umstand, daß sich das Nachdenken über die Liturgie hauptsächlich an zwei Fragen abarbeitet: Ist die Liturgie „gültig“ (d.h. bewirkt sie das sakramentale Geschehen) und erfolgt sie „rechtmäßig“ , also im Rahmen der kirchlichen Rechtsordnung? Zu beiden Aspekten bietet der Artikel eine kurze, verständliche und dennoch profunde Interpretation und Begründung. Ohne die Bedeutung dieser beiden Kriterien zu bestreiten, schlägt Kwasniewski jedoch vor, sie durch zwei weitere ebenso wichtige Punkte zu ergänzen: Angemessenheit (fittingness) und Authentizität. Durch ihre Einbeziehung, so der Autor, können die Mängel der aktuellen Diskussion leichter überwunden werden.

Kwasniewskis Beschreibung und Begründung der beiden zusätzlichen Kriterien soll hier kurz referiert werden.

Hier geht es weiterZur Angemessenheit schreibt er zunächst:

Man bedenke folgende Aussage: Das, worauf es bei der Messe ankommt ist doch, daß Jesus gegenwärtig ist – alles andere ist zweitrangig“. Oder noch kürzer: „Die hl. Messe ist die hl. Messe.“ Zweifellos hat es viel zu bedeuten, daß Jesus gegenwärtig ist – andernfalls bekämen wir nur gewöhnliches Brot zu essen. Aber bei der Liturgie geht es um mehr als darum, uns ein Mahl zu bereiten, und auch die Gegenwart des Herrn bedeutet und beinhaltet mehr als die sakramentale Vereinigung. Die hl. Messe ist der feierliche, öffentliche und förmliche Akt der Anbetung, des Dankes und des Bittens, den Christus als Hoherpriester gemeinsam und in Einheit mit seinem mystischen Körper dem Vater darbringt. Sie ist der höchste Vollzug religiöser Tugend, in dem wir Gott ein Lobopfer darbringen, das seiner Ehre angemessen ist. Sie ist der vorzüglichste Ausdruck der theologischen Tugenden von Glaube, Hoffnung und Liebe. Sie ist der Einbruch des himmlischen Königreichs in irdischen Raum und Zeit. Sie ist das Hochzeitsmahl des Königs der Könige. Sie ist die Zusammenfassung des gesamten geschaffenen Universums in seinem Alpha und Omega“.

Diese Beschreibung des Wesens der hl. Messe läßt schlaglichtartig die Unangemessenheit vieler aktuell praktizierter Formen bzw. Formlosigkeiten hervortreten und gibt gleichzeitig einen ungefähren Begriff davon, was als „angemessen“ zu verstehen ist. Und daher hat die Kirche während aller Jahrhunderte keine Anstrengung und keine Kosten gescheut, um die Liturgie in der schönsten, feierlichsten und erhabensten Form zu feiern, die ihr zu Gebote stand. Und das ist keine äußerliche Zutat, sondern gehört untrennbar zum Wesentlichen der wie oben beschrieben verstandenen Messfeier.

Eine Randbemerkung jenseits von Kwasniewskis Gedankengang: Eine so zelebrierte Liturgie erscheint auch geeignet, die angebliche „Liturgieunfähigkeit des modernen Menschen“ aufzubrechen, indem sie ihn unter Ansprache all seiner Sinne aus seiner Alltagswelt herausreißt und in die fremde Gegenwart des Höchsten versetzt. Die von vielen Liturgiereformern geforderte und in der liturgischen Praxis in oft in absurder Weise betriebene Veralltäglichung der Liturgie ist dazu freilich nicht in der Lage. Und ja, gerade der „moderne Mensch“ ist sehr darauf aus, aus seiner Alltagsmoderne auszubrechen, wie jeder Blick auf die Genres der Blockbuster in Mystery-, Fantasy- oder Science-Fiction-Filmen nahelegt. Kein Grund, diese Neigung der Kultur des Todes zu überlassen.

Die Authentizität als zweites neu einzuführendes Kriterium erschließt sich – auch wenn das Wort zum Modewort verkommen ist – dem aktuellen Verständnishorizont gerade deswegen etwas weniger leicht als die Angemessenheit. Wirkliche Authentizität bedeutet eben nicht „Selbstverwirklichung“ und Bindungslosigkeit, sondern in vielem das genaue Gegenteil davon. Kwasniewski schreibt dazu zunächst:

Wir sollten hier das Augenmerk auf die historische Kontinuität und die organische Entwicklung eines Ritus richten, das ist es, was ich unter „Authentizität“ verstehe, auch wenn man hier ebenso von „Legitimität“ im Sinne von „von guter Geburt“ oder „von edler Herkunft“ sprechen könnte.“

Authentizität in diesem Sinne macht Kwasniewski an vier Einsichten oder Wahrheiten fest:

1. Liturgie fällt nicht fix und fertig vom Himmel – ihre Pflege und Kultivierung gehört mit zum Auftrag, den der Herr dem Menschen in der Welt erteilt hat.

2. Doch diese Entwicklung kennt keine Willkür und keine Brüche, sondern sie steht in der Treue zu dem, was der Erlöser seinen Aposteln aufgetragen hat und was deren Nachfolger über die Jahrtausende hin im Leben der Kirche überliefert haben – in der Einheit der Lehre ebenso wie im Reichtum der Formen.

3. Unter Leitung des heiligen Geistes ist der Weg der Liturgie eine stetige Entwicklung zum Höheren und zu einem vollständigeren Begreifen der Wahrheit – von daher kann nichts von dem, was der Kirche in früheren Epochen wahr und heilig war, später verworfen und „abgeschafft“ werden.

4. Im Prozess dieser in der Zeit erfolgenden Vervollkommnung nehmen das Ausmaß und der Umfang gegebenenfalls erfolgender Veränderungen ab, er verläuft wie eine sich abflachende Kurve, die sich einer Horizontalen annähert (ohne sie doch je zu erreichen). Auch dies einerseits ein Argument gegen Sprünge und Brüche, zum anderen gegen Vermischungen und Übernahmen aus anderen Riten mit ihrer anderen  Entwicklungskurve.

Die Folgerung aus alledem liegt für Kwasniewski auf der Hand:

Eine eingreifende und umfängliche Abschaffung von Elementen, die sich während einer langen Periode der Kirchengeschichte entwickelt haben, wäre eine Sünde wider den Heiligen Geist. Ein Versuch, die Liturgie von Grund auf neu zu entwerfen, beruhte auf einer falschen Theologie der Kirche und der Trinität. Damit eine Liturgie authentisch oder legitim ist, muß sie in offensichtlicher und substantieller Kontinuität mit ihrer etablierten und vervollkommneten historischen Form stehen.“

Aus diesen Kriterien und ihrer im einzelnen dargestellten Interdependenz entwickelt Kwasniewski schließlich das am Beginn des Artikels gezeigte und hier zur Speicherung auf dem eigenen Rechner downloadbare Schema zur Erfassung des Ausmaßes, in dem eine Liturgie den mit Fug und Recht an sie zu stellenden Ansprüchen gerecht wird. Es könnte den Anlaß zu interessanten Überlegungen und Diskussionen bieten.

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