TC und Responsa - Stand Ende 2021
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- 23. Dezember 2021
Die verschiedenen juristischen Analysen und Kritiken von TC und den Responsa, die in den letzten Tagen erschienen sind (z.B. Stellungnahme der LMS von England und Wales oder die rechtlichen Überlegungen eines anonym bleibenden Kirchenrechtlers), sagen unsereinem als Nicht-Juristem eher wenig. Freilich fürchten wir, daß sie auch dem Papst und seinen Beamten wenig sagen: Wenn es ihnen um eine juristisch saubere Formulierung ihres Willens gegangen wäre, hätten sie schließlich alle Möglichkeiten gehabt, das sicherzustellen. Doch wie es heißt, gehört der päpstliche Rat für die Gesetzestexte zu den am wenigsten beschäftigten Ämtern der Kurie. Recht und Gesetz sind dem Regime dieses Pontifikats völlig gleichgültig – sie stützen sich ganz allein auf ihre (vermeintliche) Macht, und mit Hinweisen auf Paragraphen wird man sie nicht daran hindern können.
Außerdem sollte man ihren Einfallsreichtum nicht unterschätzen. In Neapel zum Beispiel war der Erzbischof den Gläubigen gegenüber, die für die Feiertage die Sicherstellung der Liturgie im überlieferten Ritus erbaten, erfreulich entgegenkommend und benannte ihnen einen Priester der Diözese, der über entsprechende Qualifikationen verfügte und den er mit dieser Aufgabe betrauen wollte. Doch dieser, ein Seelsorger ganz nach dem Herzen des Papstes der Barmherzigkeit, weigerte sich, die Gläubigen zu einem Gespräch über Termine und Details zu empfangen und wies ihnen die Tür: Ihre Zeit sei abgelaufen, sie sollten hingehen, wo der Pfeffer wächst.
Es liegt auf der Hand, daß die Gläubigen nach der Erfahrung mit dieser Art feinsinniger Gesetzesinterpretation sich auch ihrerseits nicht lange mit rechtlichen Abwägungen aufhalten werden, sondern die Messe dort mitfeiern, wo sie gehalten wird. Im konkreten Fall wahrscheinlich also bei der Piusbruderschaft, sofern nicht ein mutiger Pater einer der ex-ED-Gemeinschaften sich ihrer erbarmt – und eine ebenso mutiger Kirchenrektor ihnen die Türen öffnet.
Die Feinde der überlieferten Liturgie und Lehre haben die Auseinandersetzung auf das Feld der aktuellen Kräfteverhältnisse „vor Ort“ verlagert, und sie sollen sich nicht wundern, wenn die Anhänger von Liturgie ihnen zumindest darin folgen, statt sich der Herrschaft der Gesetzlosigkeit (und letzten Endes wohl auch Gottlosigkeit) zu unterwerfen.
Auf OnePeterFive erinnert der Autor Sean McClinch an die erfolgreiche Besetzung der Kirche St. Nicholas du Chardonnet im Jahr 1977, wo bis auf den heutigen Tag – und natürlich auch noch nach der dritten Verschärfung von TC im Jahr 2023 – im alten Ritus zelebriert und nach der überlieferten Lehre gepredigt wird. Nun herrschen in Frankreich andere (bürgerlich-)rechtliche Voraussetzungen als in USA oder Deutschland - es kommt in jedem Land darauf an, die Formen des Widerstandes ausfindig zu machen und zu praktizieren, die den größten Erfolg zum Wohle der Gläubigen versprechen, während sie der eigentlichen Macht vor Ort – also den staatlichen Polizeiorganen und den Gerichten – die geringsten Eingriffsmöglichkeiten bieten. In Deutschland heißt das – wir haben es schon öfter erwähnt – nach Möglichkeiten zu suchen, eigene Kirchengebäude zu erwerben und bereit zu sein, wegen ihrer Rechtgläubigkeit gemaßregelte Priestern zu ihrem Lebensunterhalt zu unterstützen.
Je weniger solche Aktionen von „schismatisch“ klingenden oder deutbaren Erklärungen begleitet werden, umso besser. Widerspruch und Widerstand gegen den Papst, der ihnen doch ein „Heiliger Vater“ und kein sie „mißbrauchender Stiefvater“ sein sollte, ist gerade für traditionstreue Katholiken keine kleine Sache und kann ernsthafte Gewissensfragen aufwerfen. Von daher ist es hilfreich, die Diskussion zu verfolgen, die aktuell auf OnePeterFive in der Kategorie The SSPX-Debate über die Bindekraft und die Grenzen des dem Papst geschuldeten Gehorsams geführt wird. Dazu wiederholen wir auch den bereits vor einigen Tagen gemachten Hinweis auf eine wichtige Veröffentlichung von Prof. Fiedrowicz, der zusammengetragen hat, welche Antworten große Theologen in der Zeit von Reformation und Gegenreformation auf diese Frage gegeben haben. Sie dürften viele überraschen, die bisher das Dogma der Unfehlbarkeit von 1870 allein durch die Brille des jesuitischen Kadavergehorsams gesehen haben. Der Artikel ist inzwischen auch ins Englische übersetzt wordenund findet insbesondere in den USA breites Interesse.
Die Diskussion über das Verhältnis zwischen dem Gehorsam gegenüber der von Gott gegebenen oder zugelassenen Autorität und der Selbstverantwortlichkeit des Christen ist nur eine der (von Franziskus sicher ganz und gar nicht gewünschten) Folgen des Versuchs, den Traditionsbruch durchzusetzen. Andere Diskussionen über die Bewertung der Liturgiereform und die Umsetzung, aber auch die Texte des II. Vatikanischen Konzils selbst, werden folgen. Franziskus&Co haben acht Jahre lang die Grundlagen von Allem, was katholisch ist, untergraben. Sie sollten sich nicht beschweren, wenn jetzt auch Dinge ins Wanken geraten und Themen kritisch hinterfragt werden, die sie im Interesse ihres Machterhalts lieber unangetastet gesehen hätten.
In dieser sehr stark ins Grundsätzliche vorstoßenden Situation verliert die stärker an Einzelheiten interessierte Auseinandersetzung mit TC und den Responsa etwas an Bedeutung; sie geht aber selbstverständlich weiter und ist weiterer Beachtung wert. Einen ersten Überblick über wichtige Stimmen in englischer Sprache hat Peter Kwasniewski für New Liturgical Movement zusammengestellt. Rorate Caeli behandelt seit der Herausgabe der Responsa fast nur noch diesen Themenbereich und bringt dabei einige sehr wichtige Stimmen (de Mattei, M. Fiedrowicz, J. Shaw, P. Kwasniewski und andere) zu Gehör. Weitere wichtige Beiträge bringt The Remnant - darunter am 23. Juli und am 22. Dezember hoch informative Interviews von Diane Montagne mit Bischof Athanasius Schneider. Eine inzwischen deutlich über unsere Liste vom 18. Dezember hinausgehende Sammlung von Analysen und Kommentaren aus dem deutschsprachigen Bereich gibt es bei Pro Missa Tridentina.
Anders als 1969 bei der mit der Brechstange durchgesetzten Einführung des Neuen Ritus von Paul VI. und 1988 bei der Krise um die Bischofsweihen liegt jetzt alles unter den Blicken der Öffentlichkeit, die freilich in weiten Bereichen wenig Interesse und noch weniger Kenntnisse über die Entwicklungen hat. Aber wer sich informieren will, hat die besten Voraussetzungen dazu, und wer die Entwicklung beeinflussen will, kann diese Möglichkeiten in einer Weise nutzen, wie noch nie zuvor in der Kirchengeschichte.