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Organisches Wachstum und Reformeifer

Bild: Hozen-jiManchmal hilft es, einen weiter entfernten Standpunkt einzunehmen, um einen klareren Blick auf die Nähe zu gewinnen. Wie etwa bei dieser Geschichte, die vor einigen Tagen durch die japanische Presse ging. Im kleinen, aber durchaus gut frequentierten (buddhistischen) Tempel Hozen-ji aus dem Jahr 1637 mitten in Osaka hatte sich gegen Ende des zweiten Weltkriegs der Brauch entwickelt, daß Besucher die dort aufgestellten steinernen Statuen von Schutzgottheiten mit Wasserspenden ehrten – vulgo: Sie mit Wasser besprengten. Das ist kein allgemein üblicher, aber auch kein exzeptioneller Brauch, der von den Mönchen daher akzeptiert wurde.

In der Folge überzogen sich die Statuen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit einer dicken Moosschicht, die alle Einzelheiten der Skulpturen überdeckte, im übrigen aber dem Ruf des Tempels durchaus förderlich war. Kurz vor Weihnachten hat nun ein Mann aus der Nachbarschaft mit fehlgeleitetem Ordnungs- und Reinheits-Sinn – vielleicht wollte er die ursprüngliche Einfachheit und den schlichten Glanz der Figuren wiederherstellen – das Moos von den Köpfen zweier Statuen entfernt - s. Bild oben. Die Gesichtszüge der Figuren waren erstmalig wieder sichtbar – und ihre geheimnisvolle Aura verflogen.

Der Tempel fand das gar nicht gut und erstattete Anzeige, und die Polizei begann umgehend die Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und Enweihung eines gottesdienstlichen Ortes. Nun war der Vorfall im Dezember aber von einer Sicherheitskamera aufgezeichnet worden, und und als der Missetäter Ende Dezember den Tempel ein weiteres Mal besuchte, wurde er er von den Mitarbeitern erkannt, die die Polizei benachrichtigten. Da in Japans Großstädten Polizeistationen nie weiter als wenige Gehminuten entfernt sind, waren die Uniformierten denn auch sogleich zur Stelle und nahmen den Mann ins Gebet.

Der gestellte Verbrecher entschuldigte sich daraufhin bei der Polizei und den Mönchen mit der Erklärung, ein kleiner Teil des Mooses hätte sich von selbst gelöst gehabt und er habe daraufhin beschlossen, die Statuen zu reinigen.

Glaubhaft oder nicht: Der Tempel zog jedenfalls seine Anzeige zurück, und der stellvertretende Vorstand Shinei Kanda entließ den zerknirschten Übeltäter mit der Mahnung: „Wieviele Jahre hat es gebraucht, daß das Moos so anwachsen konnte? Wieviele Menschen haben die Statuen mit Wasser besprengt und für die Erfüllung ihrer Wünsche gebetet? Mache so etwas nie wieder!“

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