Und wieder mal: Inkulturation
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- 17. Mai 2022
In einem Interview mit der spanischen Publikation Omnes hat der Vertrauensmann von Franziskus für die Auslöschung der liturgischen Tradition, Arthur Roche, neue Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung dieses Ziels angekündigt. Konkret benannte er u. A. die Veröffentlichung eines Dokuments zur liturgischen Bildung von Priestern und Laien. Wir sind gespannt, im Zusammenhang mit „liturgischer Bildung“ ist uns Roche bisher nicht aufgefallen. Weniger konkret benannte er die – aus seiner Sicht – Notwendigkeit einer stärkeren „Inkulturation“ des römischen Ritus für die Bedürfnisse außereuropäischer Gesellschaften. Bedauerlicherweise sei seit dem Konzil nur ein solcher inkulturierter Usus geschaffen worden – der sog. Ritus von Zaire. Ein halbwegs authentisches Beispiel bietet ein kurzer Youtube-Film hier; erneut und diesmal Franziskisch inkulturiert am Altar des Stuhles Petri in Rom sieht das dann so aus. Den Ordo des Missale in Italienisch und Englisch kann man hier einsehen, proklamiert wurde er in französischer Sprache, und in dieser Sprache wird er wohl auch am meisten gefeiert - wenn überhaupt. In der Praxis scheint wenig Nachfrage zu bestehen.
Zu diesem „Usus“ können wir über die oben genannte Quelle hinaus weiter nichts sagen, als daß er hauptsächlich von Europäern geschaffen wurde – nach ihren Vorstellungen davon, was „dem Afrikaner“ gemäß sei. Und entsprechend dem frühen Entstehungszeitpunkt in den 60er Jahren zeigt er neben romantischem Afrika in vielem noch wesentlich mehr Elemente der überlieferten Liturgie als der aktuelle Sonntagsgottesdienst einer Novus-Ordo-Gemeinde in Deutschland.
Es wäre interessant, einmal die Meinung von Kardinal Sarah zu derlei Veranstaltungen zu hören, aber der gilt ja wohl nicht mehr als richtiger Afrikaner, sondern als europäisch verbildet und kolonialistisch geprägt. Das wahre Wesen Afrikas kennt man nur an einigen amerikanischen und europäischen Universitäten – und natürlich auch in S. Anselmo und im Hause Roche …
Bei Papsttreisen in exotische Länder ist gelegentlich zu besichtigen, wie eine „Inkulturation“ im Geist des Novus Ordo aussieht: Man glaubt sich in eine Werbeveranstaltung des örtlichen Vereins zur Steigerung des Fremdenverkehrs versetzt. Gerüchte wollen wissen, daß die bei solchen Papstmessen so farbenprächtig ins Bild gesetzten „Aborigines“ oder „First-Nations-People“ zumeist „ihre“ Herkunftskultur nur noch aus der Mitgliedschaft in einem Verein zur Pflege des Volkstums kennen. Für ihren Auftritt bei der Papstmesse haben sie sich dann von ihrem Job als Universitätsdozentin oder DV-Fachmann ein paar Tage Urlaub genommen, sind mit Flugzeug und Taxi zum Ort des Events angereist und dort in die mitgebrachten oder zentral vom Veranstalter gestellten Kostüme geschlüpft. Und dann zeigen sie wie auf einer Bühne, was sie gelernt haben. Inkulturation ohne lebendige Kultur, in Szene gesetzt nach den Gesetzen des Fernsehens.
Auf den ersten Blick mag man es bedauern, daß an vielen Orten der Welt unter dem Ansturm von Fremdherrschaften, Welthandel und Internet von den dort ursprünglichen Kulturen nicht viel mehr übriggeblieben ist als Folklore. Auf den zweiten Blick relativiert sich dieses Bedauern: Viele dieser Kulturen enthalten an zentralen Stellen Elemente, deren Überdauern oder gar Wiederherstellung man weder als Christ noch als „fortschrittlicher Europäer in der Tradition der Aufklärung“ seinem ärgsten Feind wünschen würde. Und es gibt ja Weltgegenden, in denen solche „indigenen“ Elemente sich bislang erfolgreich der Überwindung widersetzen: Saudi-Arabien an erster Stelle, aber auch Pakistan und Afghanistan oder Sudan und Nigeria verdienen eine ehrende Erwähnung…
Der Glaube an Jesus Christus als den Erlöser von Ursünde und der Last individueller Schuld verlangt eine tiefgehende Umgestaltung der Menschen als Individuen ebenso wie in ihrer Gesellschaft. Die Missionare früherer Jahrhunderte mögen in ihrem Beharren darauf manchmal keine glückliche Hand bewiesen haben, aber im großen Ganzen gesehen haben sie wohl vieles richtig gemacht. Christliche Umgestaltung von Menschen und Gesellschaft und der Gottesdienst der Kirche verlangen keine Aufgabe der Individualität, weder individuell noch kulturell. Aber sie folgen in ihrer Spiritualität einem deutlich erkennbaren Leitstern: Christus – und darin überwinden sie alles, was die Kulturen von Gott und voneinander trennt.
Die Ausführungen von Erzbischof Roche in seinem Interview lassen nicht erkennen, daß er sich mit dieser grundlegenden Problematik um den Begriff Inkulturation allzusehr befasst hätte. Da sind ein paar wolkige Sätze zur Inkarnation:
Es ist wichtig zu verstehen, was es bedeutet, dass Jesus unsere Natur geteilt hat, und zwar in einem historischen Moment. Wir müssen die Bedeutung der Menschwerdung berücksichtigen und, wenn wir so sagen dürfen, des Wirkens der Gnade, die in anderen Kulturen verkörpert ist, mit verschiedenen Ausdrucksformen, die völlig anders sind als das, was wir in Europa seit so vielen Jahren gesehen und geschätzt haben.
Auffällig ist hier das in der Sache völlig unbegründete und extrem irritierende „völlig anders“ in Bezug auf das Wirken der Gnade. Anders ist doch nicht das Wirken der Gnade, sondern bestenfalls der bildhafte Ausdruck, den bestimmte spirituelle Erscheinungen oder Vermutungen in verschiedenen kulturellen Kontexten haben, und deren Gleichsetzung oder Vermischung keinesfalls dazu beiträgt, das Verständnis für das jeweils Gemeinte zu erleichtern.
Alles deutet darauf hin, daß Roche hier das inzwischen längst als gescheitert und widerlegt anzusehenden Verständnis der späten Liturgiereformer (insbesondere in Frankreich) nachplappert, die meinten, das Verständnis der sakramentalen Vollzüge dadurch erleichtern zu können, daß sie deren überlieferte Formen und Bilder durch solche aus der Alltagswelt der Gegenwart genommene ersetzten. Also z.B. die Erscheinungsform des eucharistischen Brotes auf der goldenen Patene durch einen Laib Graubrot auf dem Tonteller. „Inkulturation“ im Arme-Leute-Milieu und nicht ins Reich Gottes.
Es hat nicht funktioniert – bei den „armen Leuten“ am wenigsten.
Um ein anderes Beispiel anzuführen: Genausowenig würde es funktionieren, Brot und Wein für die Eucharistie in Japan durch Reiskuchen und Reiswein zu „inkulturieren“, wie das immer wieder mal vorgeschlagen wird. Wie jeder Japaner weiß, der in der Schule auch nur ein wenig über die überlieferte Kultur seines Landes erfahren hat, sind Reiskuchen und Reiswein die symbolischen Opfergaben, die der Kaiser in seiner „Hofkirche“ zur Thronbesteigung und anderen bedeutenden Begängnissen seiner Ahnfrau der Sonnengöttin darbietet – nicht irgendwann im finsteren Mittelalter, sondern auch 2019 beim letzten Thronwechsel. Das ist für sich gesehen eine schöne und beeindruckende Tradition – aber was soll das auf dem Altar des Erlösungsopfers Christi? Gerade tief in einer Kultur verwurzelte Formen und Symbole widersetzen sich einer von außen verfügten Umdeutung. Diese Umdeutung wird dann zur Quelle von Mißverständnissen oder zum Motor einer weltumspannenden „ist eh alles dasselbe“ Ideologie.
Tatsächlich muß man befürchten, daß „Inkulturation“ der Liturgie für die Roches und ihre Mitstreiter nur ein Mittel ist, die relativierende Einebnung des Christusglaubens in alle möglichen spirituellen und weniger spirituellen Erscheinungen der Gegenwart weiter voranzutreiben. Ein beunruhigendes Indiz dafür besteht darin, daß Roche auch das Interview mit Omnes dazu nutzt, seine absurde Behauptung zu verbreiten, erst nach zweitausend Jahren des Irrtums sei die Kirche mit dem zweiten vatikanischen Konzil zum wahren Verständnis des eucharistischen Opfers vorgedrungen:
Zum ersten Mal in der Geschichte, seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, haben wir im Lehramt eine Einfügung des Wesens der Kirche, da wir zum ersten Mal nach zweitausend Jahren eine dogmatische Konstitution wie „Lumen Gentium“ haben. „Lumen Gentium“ impliziert, dass nicht nur der Priester die Messe feiert, sondern alle Getauften.
Zwar versucht Roche gleich anschließend eine Relativierung der Relativierung – nicht alle Getauften täten dabei genau das Gleiche wie der geweihte Priester – aber das emphatische und wiederholte „zum ersten Mal in der Geschichte“ unterstreicht nur den Willen zum Bruch mit der überlieferten Lehre in ihrer Gesamtheit. Die Nachfolger Bugninis sind fest entschlossen, sich von der überlieferten Lehre der Kirche zu „emanzipieren“. Die Liturgie und deren vorgebliche „Inkulturation“ sind dabei seit 60 Jahren ihre bevorzugten Instrumente.