Ritus und Stil
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- 11. Juli 2022
Zu Traditionis Custodes und Desiderio Desideravi ist schon viel richtiges gesagt worden – siehe u.a. die Liste mit wichtigen aktuellen Links zu DD bei Pro Missa Tridentina. Wir beteiligen uns an dieser Diskussion inzwischen nur noch mit halbem Herzen, weil wir davon ausgehen, daß diese Erlasse und Ermahnungen – wie fast alles, was Franziskus geschrieben und verordnet hat – schon bald wohlverdienter Vergessenheit anheim fallen werden. Inhaltlich Neues dazu zu zu sagen fällt schwer. Mit Vergnügen hat Summorum Pontificum daher einen Text zur Kenntnis genommen, der nicht den Anspruch erhebt, der Diskussion Neues hinzuzufügen, sondern der das, was zu sagen ist, in einem der Debatte über die römische Liturgie überaus angemesenen Idiom aussagt: In klassischem an der Diktion Ciceros geschultem Latein.
Verfasser des an Papst Franziskus gerichteten Literae responsoriae ad ‚Traditionis Custodes‘ ist der Münsteraner Altphilologe Prof. Christian Pietsch, der uns den Text freundlicherweise zur Verbreitung zur Verfügung gestellt hat. Hier der Link zum Download als PDF, und eine kleine Leseprobe:
… Concilio Tridentino adhortante Pius V papa summa vi omnibus posterioribus temporibus ita servandum tradidit, mandavit, praescripsit ut in perpetuum mutari vel etiam abrogari nequeat. itaque Benedictus papa ille cum missae sacrificium iuxta editionem typicam missalis Romani a B. Ioanne XXIII anno 1962 promulgatam et numquam abrogatam celebrare licere fortissime asseveravit (Summorum pontificum, Art. 1) plane nihil novi docuit sed id tantum confirmavit quod semper valebat, valet, valebit.
his dictis unicuique concludendum est haec missarum sollemnia a patribus tradita inseparabilem esse traditionis apostolicae partem sine qua traditio stare non potest. sine traditione autem ecclesia non est ecclesia sed hominum conventus ecclesiae nomen usurpans.“
Ein solches Schreiben steht für mehr als eine Kuriosität aus Akademia. Eines der auffälligsten Kennzeichen dieses Pontifikats ist seine umfassende Stillosigkeit. Seit Jahren zeigt der Vatikan der Welt ein Erscheinungsbild, das mehr an eine Parteizentrale im Wahlkampf erinnert als an die von Christus eingesetzte Instanz zur Weide und Bewahrung seiner Herde. Natürlich kann der Heilige Stuhl den Presseagenturen zuliebe auch die Originalfassungen seiner Dokumente in italienischer Sprache veröffentlichen – Kenner sagen uns freilich, es wäre schlechtes Bürokraten-Italienisch. Oder wenn doch einmal in Latein, mit so vielen Fehlern, daß nicht nur Professoren für alte Sprachen mit den Augen rollen.
Das zu bemängeln hat nichts mit Formalismus zu tun: Die Häresie der Formlosigkeit (Mosebach) ist nur ein Symptom dafür, daß Häresie sich in allen Bereichen breit macht. Inhalte bestehen nicht unabhängig von Formen – das zu übersehen oder zu bestreiten ist der große Irrtum der Liturgiereform. Eine Wortmeldung in der klassischen Sprache der Kirche (und das ist nicht das Kirchenlatein) ist in diesem durch und durch stillosen Pontifikat eine Erinnerung daran, daß der Ritus nicht zuletzt auch eine Frage des Stils ist. Und daß die Opposition gegen den stilistischen und rituellen Nihilismus der Jesuiten auch ein Bestandteil des Kampfes für die Bewahrung der Tradition in Lehre und Liturgie der Kirche ist.
In diesem Sinne, allen, die sich nicht vor Cicero (der nebenbei bemerkt auch ein fulminanter Wahlkämpfer war) fürchten: Besinnliches Vergnügen bei der Lektüre. Und das wünschen wir natürlich auch dem Papst selbst und seinen sprachenkundigen Beratern.