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Gibt es eine Messe des Konzils?

Bild: Wikipedia CommonsKomische Frage – natürlich gibt es die. Es ist die Messe, die an allen Konzilstagen von 10 000 teilnehmenden Priestern und Bischöfen zelebriert wurde, und vom römischen Klerus ebenfalls: Die Messe, deren Ordo nach dem Konzil von Trient in dessen Auftrag von einigen Irrtümern der damals modernen Zeit gesäubert und so 1570 von Papst Pius V. promulgiert worden war. Nicht als „neues“ Missale – in vielem eher auf den Stand des 13. Jh. zurückgeführt – und erst recht nicht als neue und ausschließliche Form der lex orandi des römischen Ritus, sondern als die Heilige Messe, wie sie seit unvordenklichen Zeiten (Papst Damasus im 4., Papst Gregor im 6. Jahrhundert) gewesen war und auch künftig immer sein sollte.

Aber wenn diese Messe die „Messe des Konzils“ war, wenn all die Bischöfe und Priester sie täglich andächtig feierten, um das Erlösungsopfer des Herrn auf unblutige Weise gegenwärtig zu setzen, wie könnte dann in der Konzilsaula und später in dessen Dokumenten ein anderer „Geist“ gewaltet haben als eben der, den die Konzilsväter jeden Morgen im „Veni, sanctificator omnipotens“ herabgefleht haben? Was muten uns diese Rochegrillos denn zu, wenn sie ohne vor Scham im Boden zu versinken behaupten, die Konzilsväter hätten morgens einen Geist mit Verfallsdatum angerufen und nachmittags dann dem der Zukunft gelauscht? Ist der heilige Geist denn etwa schizophren? Oder sind es nicht eher die bergoglianischen Meisterdenker, die uns ihre Erfindung der nicht mehr kompatiblen lex orandi verkaufen wollen. Und dabei wollen sie sie ja noch nicht einmal „verkaufen“ oder sonstwie schmackhaft machen. Sie wollen sie uns mit Zwang eintrichtern, unter eklatantem Mißbrauch ihrer Amtsmacht aufzwingen, wie es nie zuvor in der Kirche unternommen worden ist.

Aber: Wenn die so für sakrosankt und alleinseligmachend erklärte Messe des Novus Ordo von 1969/70 nicht die Messe des Konzils ist – was ist sie dann? Das ist nun eine wirklich gute Frage – was man schon daran erkennt, daß sie nicht leicht zu beantworten ist. Um an der Oberfläche anzufangen: Der Novus Ordo ist ein neuer Ritus, der von der 1964 von Paul VI. unter Leitung des umstrittenen Hannibal Bugnini eingesetzten Kommission des „Consilium ad exsequendam Constitutionem de Sacra Liturgia“ entwickelt und dann vom Papst 1969 promulgiert wurde. Es ist ein offizieller Ritus der römischen Kirche - allerdings nicht mehr der römische Ritus, wie er von Gregor dem Großen bis Johannes XXIII. zelebriert wurde. Er wurde 1969 in Kraft gesetzt,  obwohl die Voraussetzungen dafür noch gar nicht geschaffen waren. Es gab noch nicht einmal für Italienisch ein reguläres Messbuch. Die Legalität des Rechtsaktes Pauls VI. kann dennoch schwerlich bestritten werden – ein Papst müßte schon in drastischer Weise gegen jedes geltende Recht verstoßen, um ein solches Urteil zu begründen. Aber es bleiben starke Zweifel an der Legitimität und der Prudentia seines Vorgehens.

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Ein Zweifel an der Legitimität gründet sich darauf, daß das Consilium weit über den ihm – im Übrigen höchst unpräzise gefassten – Auftrag zur „Ausführung der Liturgiekonstitution“ hinausging und daß auch diese Konstitution – wie alle Dokumente des II. Vatikanums – nicht frei von unklaren und widersprüchlichen Aussagen ist. Zweifel an der Prudentia, also an der Klugheit und Angemessenheit der Promulgation, lassen sich nach 60 Jahren aber auch ganz praktisch darin begründen, daß die Reform in ihrem Vollzug buchstäblich nirgendwo auch nur eines der Ziele erreicht hat, mit deren Erreichung sie damals begründet wurde. Als allgemeine Regel hatten die Konzilsväter damals verfügt: „Schließlich sollen keine Neuerungen eingeführt werden, es sei denn, ein wirklicher und sicher zu erhoffender Nutzen der Kirche verlange es. (SC 23)“. Jetzt, wo die Schäden unübersehbar vor aller Augen liegen, wäre es ein Gebot der Ehrlichkeit und Wahrheit, dem Rechnung zu tragen und rückgängig zu machen, was keinen Nutzen gebracht hat.

Allerdings besteht genau in der Frage, was Nutzen und was Schaden ist, längst keine Einigkeit mehr. Was die Anhänger der Tradition als Schäden beklagen, gilt den Propagandisten synodaler Wege geradezu als Bestätigung ihrer Reformideen. Gesunkene Teilnahme am Gottesdienst – entspricht doch nur der allgemeinen gesellschaftlichen Tendenz. Verschwindender Glaube an die Realpräsenz Christi im Sakrament – ist ja ohnehin nur ein vor der modernen Wissenschaft unhaltbar gewordenes Dogma. Einebnung der liturgischen Rolle des Priesters in der Liturgie – so muß es halt sein in der demokratischen Gesellschaft der Freien und Gleichen. Vorbehalt des Wirkens als „alter Christus“ am Altar nur für Männer (und Vorbehalt der Rolle als Gebärerin neuen Lebens nur für Frauen) – das sind doch nun wirklich überlebte Rollenklischees, von denen sich mit der Gesellschaft auch die Kirche schnellstens emanzipieren muß.

Die oft zu hörende Kritik, daß die „Reformer“ von Liturgie (und Lehre) als Mittel gegen die Misere immer nur mehr von der Medizin empfehlen, die doch schon seit Jahrzehnten ihre Wirkungslosigkeit bewiesen hat, beruht auf einem Mißverständnis seitens der Kritiker. Die „Reformer“ sehen keine Misere, und erst recht nicht wollen sie eine „Krankheit“ heilen. „Krankheit“ und Zerfall – das sind in ihren Augen nicht mehr als die Geburtswehen einer neuen und besseren Welt. Sie glauben fest und unverbrüchlich – so, wie ihre Vorfahren an die Erlösung – an eine vom Welt- und Zeitgeist vorgegebene Entwicklung, dern großen Fortschritt, der zu immer größeren Höhen des Menschentums führt. Sich diesem Fortschritt starr zu verweigern, ihn nostalgisch aufzuhalten oder gar indietristisch rückgängig machen zu wollen – das ist die Krankheit, das ist die einzige Sünde, die in einer Welt, die sich von der Sünde befreit hat, noch übriggeblieben und überwunden werden muß. „Vorwärts immer – rückwärts nimmer“ – das war das große Motto des großen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, der sich schon alleine dadurch einen Ehrenplatz unter den Kirchenvätern der Neukirche verdient hat.

Aber warum dann immer von DEM KONZIL sprechen und die angeblich von DEM KONZIL beschlossene Messe DES KONZILS unentwegt in den höchsten Tönen preisen? Hat so eine Versammlung alter Weißer Männer nicht per se etwas Überholtes, ist Ausdruck eines Geistes, dessen Überwindung vom Fortschrittsgebot gebieterisch auf die Tagesordnung gesetzt worden ist?

Das müßt Ihr dialektisch sehen, liebe G’noss’n’n und Genoss’n. Die Heiligsprechung des Konzils ist auf der einen Seite ein hervorragendes Mittel, um das zurückgebliebene katholische Volk bei seinen Instinkten zu packen, der Tradition, den Bischöfen und nicht zuletzt dem Papst treu zu sein – und einen solchen Instinkt zu packen und in sein Gegenteil umzubiegen, ist natürlich jedem Propagandisten der Dialektik ein höllisches Vergnügen. Und dann hat die Sache natürlich auch etwas Wahres – zumindest, wenn man sie aus der richtigen Perspektive betrachtet. Also etwa aus der Perspektive von Karl Rahner SJ und seinen Nachfahren. Für Rahner&Co war das Konzil der Anfang eines Anfangs, das Startsignal für eine stürmisch Entwicklung, ja wohin denn? Nach vorwärts selbstverständlich; und weg von allem, was vorher war. So gesehen ist natürlich jedes Weg von dem, was vor dem Konzil war, nichts anderes als die getreuliche Erfüllung des Konzilsauftrages selbst. Und 2 + 2 = 5, zumindest bei den Jesuiten, und wenn es nach denen geht, für alle.

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