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„Wieder mehr vom hl. Messopfer sprechen“

Der Erzbischof am RednerpultErzbischof Alexander Sample von Portland, Oregon, hat auf dem Kolloquium der Vereinigung katholischer Kirchenmusiker der USA im Juni diesen Jahres eine bemerkenswerte Ansprache zu Wesen und Gestalt der Liturgie der hl. Messe gehalten. Wir bringen heute mit starken Kürzungen die Hauptgedanken des Teils seines Vortrags, die den wesentlichen Inhalt der hl. Liturgie darlegen. Die unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers auf dem Altar. Selten zuvor haben wir dieses Kernstück unseres Glaubens so klar, so umfassend und gleichzeitig so verständlich ausgedrückt gefunden. Die Hauptgedanken des zweiten Teils seines Vortrages über Gestalt und Bedeutung der Kirchenmusik werden wir an einem der kommenden Tage präsentieren. Den ganzen Text im englischen Original können Sie auf der Website von Musica Sacra herunterladen. PDF 280 KB.

Es beginnt ein langes ZitatViel zu lange haben wir versucht, die hl. Liturgie zu etwas zu machen, das sie nicht ist. Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns – dabei die ganze lange Tradition der Kirche aufführend – daran erinnert, daß der Zweck des Gottesdienstes in der hl. Liturgie darin besteht, Gott zu ehren und die Gläubigen zu heiligen.

Statt die heilige Liturgie selbst in Wort, Ritual, Schönheit, Kunst, Schmuck und Musik ihre wahre innere Bedeutung zum Ausdruck bringen zu lassen, haben wir ihr viel zu oft von außen eine Bedeutung, einen Zweck, ja vielleicht sogar persönliche Absichten übergestülpt.

Das ist heute meine zentrale These: Wir müssen für die Kirche den wahren „Geist der Liturgie" wieder entdecken – für viele heißt das wohl, ihn überhaupt erst einmal zu entdecken. Wenn wir dann einmal tiefer und gründlicher verstehen, was die Liturgie tatsächlich ist, dann werden wir auch erkennen, wie wir sie feiern sollen. [...]

Solange wir die wahre Bedeutung und den Zweck der heiligen Liturgie nicht kennen, solange wir nicht wirklich verstehen, was wir oder besser gesagt was Christus in der heiligen Liturgie bewirkt, werden unsere Feiern diese Unwissenheit zum Ausdruck bringen. Ohne ihren Antrieb in dieser wesenhaften inneren Wirklichkeit wird sie wie ein Boot auf dem Meer unterschiedlicher Interpretationen hin und her geworfen, die dann oft zu wenig erbaulichen Feiern führen.

Papst Benedikt XVI. hat uns auf diesen zentralen Punkt aufmerksam gemacht. Das Verständnis der wahren inneren Bedeutung und des Zwecks der heiligen Liturgie ist bestimmend für die Art ihrer Feier. (...) Besonders möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf sein überragendes Werk „Der Geist der Liturgie" lenken, das uns einen Einblick in Papst Benedikts (damals noch Kardinal Ratzingers) Sicht des kosmischen Wesens der Liturgie gibt. [...]

Zuvor möchte ich jedoch einen wichtigen Punkt hervorheben. Es ist meine – und nicht nur meine – Überzeugung, daß die Erneuerung und die Reform der heiligen Liturgie das Zentral- und Schlüsselelement für das Vorhaben der Neuevangelisierung darstellt. Ich vertrete schon seit langem die Ansicht, daß die Kirche, wenn sie ihren Auftrag in der modernen Welt erfüllen will, drei Dinge richtig angehen muß. Das eine ist die Katechese und Glaubensvermittlung, für Kinder, für junge Leute und für Erwachsene. Das andere ist die Erneuerung der hl. Liturgie, die sehr viel mit einer tieferen Glaubensvermittlung für unsere Gläubigen zu tun hat. Das dritte ist unser Dienst der Nächstenliebe an den Armen und Ausgegrenzten, in dem wir das Geheimnis, das wir in der Liturgie feiern, ins Leben tragen.

Aber ich fürchte, solange wir die Feier der heiligen Liturgie und aller anderen Gottesdienstformen in der Kirche nicht auf die Reihe bringen, läuft unser Versuch, die Neuevangelisierung in der modernen Welt zu verwirklichen, hochtourig im Leerlauf. Die Kirche lehrt uns, wie auf dem Zweiten Vatikanum bekräftigt, daß die Liturgie Quelle und Gipfel des christlichen Lebens ist. All die anderen Sakramente der Kirche und alle ihre apostolischen Werke und Anstrengungen gehen von der heiligen Liturgie aus und führen uns zu ihr zurück. Und weil das so ist, ist es von allergrößter Bedeutung, die gottesdienstlichen Handlungen auf rechte Weise in Übereinstimmung mit dem Geist und der überlieferten Tradition der Kirche zu begehen. Das liegt für mich klar auf der Hand.

Daher möchte ich auf die Frage zurückkommen: Was ist das denn, das wir in der heiligen Liturgie, insbesondere in der heiligen Messe, feiern? Natürlich ist die hl. Messe eine Feier, aber was wir feiern ist das tiefe Geheimnis unserer Erlösung in Jesus christus. Wir feiern das Pascha-Mysterium. Insbesondere machen wir auf sakramentale und in unblutiger Weise das einmalige Opfer Jesu Christi zur Vergebung der Sünden gegenwärtig, das den Tod besiegte und uns den Weg zum Ewigen Leben geöffnet hat. Früher haben wir immer davon gesprochen, daß wir das heilige Messopfer feiern. Vielleicht sollten wir diesen Ausdruck wieder öfter verwenden.

Eine der typischen Statistikerfragen, die man Katholiken stellt, um ihre Kenntnis der katholischen Glaubenswahrheiten festzustellen, ist die Frage nach ihrem Glauben an die reale Gegenwart Jesu Christi in der heiligen Eucharistie. Dabei stellt man den Gläubigen in der Regel mehrere Antwortmöglichkeiten zur Auswahl, die ein unterschiedliches Verständnis der Wirklichkeit der Realpräsenz zum Ausdruck bringen. Nur eine davon ist richtig. In einer kürzlich veranstalteten Gallup-Umfrage dieser Art erkannte weniger als ein Drittel der befragten Katholiken den richtigen Ausdruck des Glaubens an die reale Gegenwart Christi in der heiligen Eucharistie.

Das ist höchst irritierend, und ich habe die größten Befürchtungen über die Ergebnisse einer solchen Umfrage bezüglich des wesentlichen Inhalts dessen, was in der heiligen Messe gefeiert wird. Wie viele Prozent der Katholiken hätten überhaupt ein Verständnis vom wesentlichen Inhalt der hl. Messe als des Opfers Christi, das in Wirklichkeit auf dem Altar vergegenwärtigt wird? Ich fürchte, sehr wenige. Und genau darin besteht unser Problem: Wenn wir nicht wissen, was wir feiern – wie sollten wir dann jemals wissen, wie wir es feiern sollen?

Und nur damit mich niemand beschuldigt, zu einem Verständnis der Messe zurückzukehren, das einer ganz anderen und vergangenen Zeit gehört: Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns in den stärksten Wendungen an die überlieferte Theologie und Bedeutung der hl. Messe erinnert. Das Konzil lehrt, daß der, der sich einst selbst auf dem Altar des Kreuzes geopfert hat, Jesus Christus, sich nun selbst durch die Hand des Priesters in sakramentaler Weise auf den Altären unserer Kirchen opfert und so sein einmaliges Opfer für alle Zeiten bis zu seiner Wiederkehr in Herrlichkeit verewigt. Die Messe ist überdies ein heiliges Mahl, weil wir aus Christi Opfer der Liebe und Selbstaufopferung wahrhaft seinen Leib, sein Blut, seine Seele und seine Gottheit als Nahrung für unsere Seelen erhalten. [...]

Während jeder Feier der hl. Messe ereignen sich drei Wirklichkeiten zur gleichen Zeit. Wir feiern und vergegenwärtigen das, was bereits geschehen ist und was durch Christi Erlösertod und Auferstehung bewirkt worden ist. Zweitens schauen wir voraus auf das, was noch geschehen wird, Christi glorreiche Wiederkunft am Ende der Zeit um zu richten über die Lebenden und die Toten. Und während wir diese Wirklichkeiten feiern, nehmen wir gleichzeitig an der himmlischen Liturgie teil, die sich unaufhörlich vor dem Angesicht des allmächtigen Gottes vollzieht. [...]

Wie ich erwähnte, machen wir auf unblutige und sakramentale Weise das einmalige Erlösungsopfer wahrhaft gegenwärtig, das Jesus auf dem Altar des Kreuzes dargebracht hat. Wie ist das möglich und wie kann das geschehen? Zunächst müssen wir verstehen, daß der zentrale Erlösungsakt, Christi Opfer am Kreuz, ein Akt des Ewigen Sohnes Gottes ist. Es ist ein Akt der Zweiten Person der Heiligsten Dreifaltigkeit. Es ist ein Akt Gottes selbst. Als Akt des ewigen Gottes, der keinen Anfang und kein Ende hat, übersteigt dieser Akt Raum und Zeit. Er ist nicht an den Zeitpunkt auf dem Calvarienberg gebunden, an dem Jesus seinen letzten Atemzug tat.

Daß das wahr ist, wissen wir durch das Geheimnis und das Dogma der Unbefleckten Empfängnis. Maria, die Mutter unseres Gottes und Herrn Jesus Christus, war vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an frei von jeder Befleckung durch die Erbsünde oder eine persönliche Sünde. Doch das heißt nicht, daß Maria keinen Erlöser gebraucht hätte oder nicht durch Jesus Christus erlöst worden ist. Wir erklären das folgendermaßen: Maria erhielt die sogenannte „zuvorkommende Gnade“. Die Früchte von Christi Opfer, das eines Tages auf dem Altar des Kreuzes zur Erlösung dargebracht werden würde, wurden schon im Voraus seiner hl. Mutter zugewandt, noch bevor Jesus selbst in ihrem Leib Fleisch annahm. In der Perspektive des Todes und der Auferstehung Jesu Christi wurde sie schon im Voraus zur Teilhabe an den Früchten der Erlösung zugelassen.

Die „Zeitlosigkeit“ des Opfers Jusu Christi am Kreuz erkennen wir auch an der Einsetzung der hl. Eucharistie beim letzten Abendmahl – sozusagen der „ersten Messe“. Dort in dem Obergemach an dem Abend, bevor er sich selbst am Altar des Kreuzes zum Opfer brachte, vergegenwärtigte er dieses noch zu erbringende Erlösungsopfer bereits unter den sakramentalen Zeichen: „Dies ist mein Leib, der für euch dahingegeben wird. Dies ist mein Blut des neuen Bundes, das für viele vergossen wird“. Beachten Sie die Gegenwartsform. Nicht „das für euch dahingegeben werden wird“ oder „das für euch vergossen werden wird“, sondern das gegeben und vergossen wird. In diesem Augenblick setzte Jesus die hl. Eucharistie, das geweihte Priestertum und das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes ein.

Auf die gleiche Weise, auf die das Opfer schon vor der Stunde auf dem Kalvarienberg sakramental gegenwärtig sein konnte, so kommt es auch uns über Zeit und Raum hinweg zu und wird für uns in jeder Messe gegenwärtig, so daß wir aufs Neue die gnadenbringenden Früchte unserer Erlösung erhalten können. Es ist das selbe Opfer wie auf dem Kalvarienberg, denn es ist die selbe Opfergabe und der selbe Opferpriester. Jesus Christus, das Opfer des Altares, ist wahrhaft gegenwärtig – unter den Zeichen von Brot und Wein, aber wahrhaft gegenwärtig, Leib und Blut, Seele und Gottheit. Und es ist auch der selbe Priester, denn der Priester, den wir am Altar stehen sehen, handelt „in persona Christi“ selbst, da er ihm in der Weihe sakramental gleichgestaltet worden ist.

Das bringt uns zu einem wichtigen Punkt. Der Handelnde in der Liturgie ist letzten Endes Christus selbst. Wir sind nur seine Werkzeuge. Jede Messe, selbst eine die – was nicht anzustreben ist – ohne Gläubige gefeiert würde, ist ein Akt Christi und der ganzen Kirche. Es ist nicht unser Tun. Es gehört Christus und der ganzen Kirche. Jesus Christus bestimmt Bedeutung und Zweck dessen, was wir in der hl. Liturgie feiern – nicht wir.“

Teil II

Jede hl. Messe feiert und vergegenwärtigt das, was bereits durch Christi lebenspendenden Tod und seine glorreiche Auferstehung bewirkt worden ist. Bei jeder Messe sind wir im Obergemach, am Fuß des Kreuzes und im leeren Grab, da diese Ereignisse auf sakramentale und geheimnisvolle Weise über Zeit und Raum zu uns kommen.

Aber in der heiligen Liturgie nehmen wir auch auf mystische Weise das voraus, was erst noch geschehen wird. In freudiger Erwartung schauen wir voraus auf Christi glorreiche Wiederkehr am Ende der Zeit. Die heilige Liturgie ist so in ihrem Wesen auf die Erfüllung von Gottes ewigem Heilsplan in Christus ausgerichtet, wenn die Welt, die wir kennen, vergehen wird und es neue Himmel und eine neue Erde geben wird, die ivollständig m Glanz Christi erneuert sind.

Deshalb spricht Papst Benedikt von der Orientierung der hl. Liturgie nach Osten. In der biblischen und mystischen Theologie der Kirche wird Christus in der Glorie aus dem Osten, aus der Richtung der aufgehenden Sonne, wieder kommen. Der Sohn Gottes wird auf den Wolken des Himmels daherkommen und in Erwartung seiner Wiederkunft wenden wir uns zeichenhaft nach Osten. Mit den Füßen fest auf der Erde wenden sich unsere Augen und Herzen zum Herrn hin. (...)

Daher wird die Liturgie der Kirche traditionell gen Osten gefeiert, oder zumindest in Richtung des „liturgischen Ostens“, wenn die Architektur des Kirchengebäudes eine tatsächliche Ostorientierung nicht zulässt. Priester und Volk vereinigen sich im Gebet und im Opfer, das Christus ein für alle Mal dem Vater dargebracht hat, und blicken gemeinsam in diesem gottesdienstlichen Tun nach Osten. Es war niemals so, daß der Priester „dem Volk den Rücken zugewandt“ hätte. Stattdessen haben Priester und Volk in der heiligen Liturgie stets gemeinsam nach Osten geschaut und die Wiederkunft des Herrn erwartet. Diese eschatologische Ausrichtung der hl. Liturgie müssen wir auf die eine oder andere Weise wiederentdecken, wenn wir den wahren Geist der Liturgie wiedergewinnen wollen.

Und als letztes: Während wir das feiern, das bereits bewirkt wurde, und uns dem zuwenden, was noch kommen wird, nehmen wir gleichzeitig am ewigen Hochzeitsmahl des Lammes teil, an der Liturgie des Himmels. Wenn wir in die ewigen Mysterien eintreten verbinden sich am Altar Himmel und Erde. Christus, glorreich von den Toten auferstanden und zur rechten Hand des Vaters erhoben, legt für uns Fürsprache ein. Unverwandt hält er dem Vater seine glorreichen Wunden, den Preis unserer Erlösung, vor, und alle Heiligen und die Heerscharen des Himmels verneigen sich und erweisen dem Lamm die Ehre, das geschlachtet wurde und für ewig lebt.

Selbst wenn die hl. Messe in ihrer einfachsten und am wenigsten ausgeschmückten Weise gefeiert wird, erhalten wir einen Vorgeschmack des ewigen Lebens und der verheißenen künftigen Herrlichkeit. Wir reihen uns ein in die Liturgie des Himmels. Das kommt wunderschön im Abschluß jedes Präfationsgebetes zum Ausdruck, wenn wir darangehen, zusammen mit den Engeln im Himmel das „Sanctus“ zu singen. Besonders deutlich ist das, wovon ich gesprochen habe, in der zweiten Präfation für die Heilige Eucharistie zu hören. Wir beten:

In Wahrheit ist es würdig und recht,
dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott,
immer und überall zu danken
durch unseren Herrn Jesus Christus.

Denn er hat beim Letzten Abendmahl
das Gedächtnis des Kreuzesopfers gestiftet
zum Heil der Menschen
bis ans Ende der Zeiten.

Er hat sich dargebracht
als Lamm ohne Makel,
als Gabe, die dir gefällt,
als Opfer des Lobes.

Dieses erhabene Geheimnis
heiligt und stärkt deine Gläubigen,
damit der eine Glaube die Menschen der einen Erde erleuchte,
die eine Liebe sie alle verbinde.

So kommen wir zu deinem Tisch,
empfangen von dir Gnade um Gnade
und werden neu gestaltet nach dem Bild deines Sohnes.
Durch ihn rühmen dich Himmel und Erde,
Engel und Menschen und singen wie aus einem Munde
das Lob deiner Herrlichkeit: Heilig...

Was bedeutet das im Lichte von lex orandi, lex credendi? - Das Gesetz des Betens ist das Gesetz des Glaubens.

Nun – das war jetzt reichlich viel zur Theologie der heiligen Liturgie – vielleicht zuviel, um es so ohne Weiteres aufzunehmen. Tatsächlich werden wir nie imstande sein, die Tiefen der Geheimnisse aufzunehmen, die wir in der heiligen Liturgie feiern. Aber was hat das alles mit dem Ziel unserer Versammlung und der Förderung der geistlichen Musik zu tun?

Damit komme ich zum Hauptpunkt meiner Ausführungen zurück. Erst wenn wir die innere Bedeutung des heiligen Messopfers auf einer möglichst gründlichen Ebene begreifen und zu schätzen gelernt haben, wenn wir verstehen, was die heilige Liturgie bewirkt, wenn wir verstehen , was wir tun, was Christus in der heiligen Liturgie tut – erst dann werden fähig sein, die Bedeutung und den Inhalt der Liturgie auf rechte Weise zu feiern und auszudrücken.

Deshalb muß alles, was wir bei der Feier der heiligen Liturgie tun, die innere Bedeutung und das Wesen der heiligen Liturgie selbst ausführen und widerspiegeln. Alles an der Liturgie, das uns auf der ebene der Sinne berührt, muss die innere Bedeutung der heiligen Geheimnisse, die wir feiern, zum Ausdruck bringen. Alles, was wir sehen, hören und sogar riechen soll uns tiefer in das Geheimnis von Gottes Liebe und Barmherzigkeit hineinziehen, die er uns in seinem Sohn Jesus Christus zeigt.

Deshalb muß alles an der heiligen Liturgie so schön gestaltet sein, wie es uns nur irgend möglich ist. Dabei machen wir uns die Gaben des Volkes Gottes zu eigen, besonders der Künstler im Bereich der kirchlichen Kunst, und dazu gehört natürlich auch die geistliche Musik. Die Architektur des Kirchengebäudes, die Kunstwerke und die Ikonographie zum Schmuck des Gotteshauses, die Ausstattung des Altarraums, die Gewänder der Zelebranten und Altardiener, die heiligen Gefäße und anderen Gegenstände, die bei der heiligen Liturgie gebraucht werden, und die Musik, die mit der liturgischen Handlung einhergeht – all das muß schön sein und die unendliche Schönheit und Güte Gottes widerspiegeln, an den sich unser Gottesdienst richtet.

Aber all diese Dinge dürfen kein Selbstzweck werden – Schönheit um der Schönheit willen – sondern müssen als Mittel zu einem Zweck angesehen werden, um uns hinein zu ziehen und des Geheimnisses, das wir feiern, tiefer bewußt zu machen. Sie müssen – zur Ehre Gottes und zum Heil der Gläubigen – das Geheimnis der heiligen Messe selbst ausdrücken und zum Vorschein bringen.

Ich entschuldige mich dafür, daß ich auf diesem Punkt so herumzureiten scheine, aber das ist von der größten Bedeutung, wenn wir das in der Kirche in Ordnung bringen wollen. Ich denke, die Tatsache, daß wir diesen Punkt nicht richtig verstanden haben, hat uns in die missliche Situation gebracht, in der wir uns befinden und in vielen Fälle zu Liturgien geführt, die alles andere als würdig sind.

Wenn wir diesen Teil der Argumentation nicht recht verstehen, werden wir weiterhin erleben, daß die heilige Liturgie anderen Bedeutungen, Zielen und „Stilen“ untergeordnet wird. Dann werden wir auch weiterhin Polka-Messen, Folk-Messen, Rock-Messen, zeitgemäße Messen und der Tradition verpflichtete Messen usw. haben.

Das zu tun, was die Kirche von uns bei der Feier der hl. Liturgie zu tun verlangt und was einige sicher eher traditionell empfinden würden, bedeutet nicht, die Liturgie einfach einem anderen „Stil“ unterzuordnen, so wie die Stile aus der eben genannten Liste. Das zu tun, was die Kirche von uns verlangt, bedeutet das auszudrücken und auszuführen, was die Messe an sich ist.

Wenn wir das nun auf den Bereich der kirchlichen Musik anwenden, dann sehen wir, daß die Musik bei der Feier der heiligen Liturgie ebenfalls dem volleren Ausdruck der gefeierten Geheimnisse dienen muss. Das gilt ganz besonders hinsichtlich des Gesangs der eigentlichen Messtexte, insbesondere der Antiphonen, und zwar unabhängig davon ob in Latein oder der Landessprache. Es ist darauf hingewiesen worden, daß die Kirche ebenso, wie sie uns die Auswahl der hl. Schrift für einen bestimmten Sonntag, Werk- oder Festtag vorgibt, ebenso, wie sie uns die anderen Texte des Commune oder des Propriums, des Ordinariums oder der Orationen und Präfationen vorgibt, uns auch die Texte der Antiphonen vorgibt, die dem Charakter des jeweiligen Tages entsprechen und ihn weiter vertiefen.

Wie ich in meinem letzten Hirtenbrief zur geistlichen Musik gesagt und dabei nur wiederholt habe, was schon so viele von Ihnen in der Vergangenheit gesagt haben, müssen wir „die Messe singen“ und nicht „in der Messe singen“. Darum geht es, wenn wir die rechte Musik für die heilige Liturgie wiedergewinnen wollen. Das wird uns dazu verhelfen, die innere Bedeutung der heiligen Liturgie, so wie wir das beschrieben haben, auszudrücken und auszuführen.

Abschließend möchte ich kurz darauf eingehen, welche Qualitäten die Musik haben muß, damit sie für die heilige Liturgie geeignet ist. Worum geht es bei der geistlichen Musik?

Die drei wesentlichen Eigenschaften sind Ihnen allen bekannt: Es sind Universalität, künstlerischer Wert (Schönheit) und Sakralität. In der letzten Zeit hat es sich bedauerlicherweise eingebürgert, Musik als „sakral“ und daher für den liturgischen Gebrauch geeignet anzusehen, solange nur im Text irgendwie von Gott oder unserer Beziehung zu Gott die Rede ist. Auf diese Weise lassen wir Musik für den Gebrauch in der Liturgie zu, die dafür nicht geeignet ist und, statt das Wesen der gefeierten Geheimnisse auszudrücken, von diesem Ziel ablenken und die Lturgie anderen Absichten unterwerfen.

In der Tradition der Kirche gibt es einen Unterschied zwischen religiösen Liedern, religiöser Musik und sakraler Musik. Was für ein religiöses Jugendtreffen oder eine charismatische Gebetsveranstaltung angemessen sein mag, muß nicht auch für die Feier des Opfers der heiligen Messe angemessen sein.

Lassen sie uns die wesentlichen Eigenschaften näher betrachten. Zunächst die Sakralität.

Beim heiligen Papst Pius X., der einen starken Einfluss auf die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils in dieser Hinsicht ausgeübt hat, lesen wir:

Die geistliche Musik muss heilig sein und daher nicht nur in sich jede Profanität vermeiden, sondern auch in der Art, wie sie von den Musikern dargeboten wird. (Tra le solecitudini 1.2)

Das Zweite Vatikanum hat dazu folgendes ausgeführt:

So wird denn die geistliche Musik um so heiliger sein, je enger sie mit der liturgischen Handlung verbunden ist, sei es, daß sie das Gebet inniger zum Ausdruck bringt oder die Einmütigkeit fördert, sei es, daß sie die heiligen Riten mit größerer Feierlichkeit umgibt (SC 112)

Zur wesensmäßigen Schönheit (künstlerischen Qualität) der geistlichen Musik:

Da alles, was mit der hl. Messe zu tun hat, schön sein und die unendliche Schönheit und Güte des Gottes, den wir verehren, ausdrücken muß, betrifft das auf ganz besondere Weise die Musik, die ein wesentliches Element unseres Gottesdienstes ist. In den Worten von Papst Benedikt XVI.:

Die Schönheit der Riten wird sicherlich niemals erlesen, gepflegt und durchdacht genug sein können, weil nichts zu schön sein kann für Gott, der die unendliche Schönheit ist. Unsere irdischen Liturgiefeiern können immer nur ein blasser Abglanz jener Liturgie sein, die im himmlischen Jerusalem, dem Ziel unserer irdischen Pilgerreise, gefeiert wird. Mögen unsere Gottesdienste ihr dennoch möglichst nahe kommen und Vorgeschmack auf sie sein! (Papst Benedikt XVI. bei der Vesper mit Klerus und Ordensleuten in Paris am 12. September 2008). 

Papst Pius X. sprach vom künstlerischen Wert der geistlichen Musik, der einen anderen Aspekt ihrer wesentlichen Schönheit darstellt:

Sie muss ferner den Charakter wahrer Kunst besitzen, sonst vermag sie nicht jenen Einfluss auf die Zuhörer auszuüben, den sich die Kirche verspricht, wenn sie die Tonkunst in die Liturgie aufnimmt. (TLS 1.2)

Schließlich müssen wir die dritte Eigenschaft der geistlichen Musik bedenken, ihre Universalität. Diese Eigenschaft verlangt, das jede kirchenmusikalische Komposition – auch eine, die der besonderen Kultur einer bestimmten Gegend entspricht – ohne weiteres in ihrem sakralen Charakter erkennbar ist. In anderen Worten: Die Eigenschaft der Heiligkeit ist ein universelles Prinzip, das die Kulturen transzendiert.

Die einzelnen Völker dürfen wohl in den kirchlichen Weisen gewisse Formen anwenden, die gleichsam die Eigentümlichkeit ihrer Musik bilden; diese Formen müssen aber dem allgemeinen Charakter der geistlichen Musik derart untergeordnet sein, dass kein Angehöriger eines anderen Volkes beim Anhören derselben einen unangenehmen Eindruck empfängt. (TLS 1.2)

Diese Bestimmung der wesentlichen Qualitäten der geistlichen Musik ist erforderlich, weil es oft Verständnismängel oder Verwirrung dahingehend gibt, welche Musik der hl. Messe geeignet und würdig ist, in den Gottesdienst einbezogen zu werden. Wie schon gesagt trifft das nicht auf alle Formen und Stile der Musik zu. Und deshalb ist ein Gloria, das im Polkarythmus oder im Stil der Rockmusik geschrieben ist, keine geistliche Musik. Denn diese Musikstile, so vergnüglich sie auch für einen Tanzsaal oder ein Konzert sein mögen, verfügen nicht über die drei inneren Kennzeichen der Sakralität, der künstlerischen Schönheit und der Universalität, die der geistlichen Musik zukommen. Wir nehmen an der hl. Messe nicht teil, um unterhalten zu werden, sondern um Gott Ehre zu erweisen und durch die heiligen Geheimnisse geheiligt zu werden.

Wenn wir jetzt auf das zurückschauen, was wir oben als die wesentliche Bedeutung und das innere Geheimnis der hl. Messe betrachtet haben, dann erkennen wir, daß diese – und einige andere – Arten von Musik nicht in der Lage sind, das ehrfurchtgebietende Mysterium der heiligen Liturgie auszudrücken und daher für den Gottesdienst nicht geeignet sind. Wenn wir wissen, daß wir bei jeder hl. Messe am Fuß des Kreuzes stehen und das für uns dargebrachte Erlösungsopfer Christi vergegenwärtigen – wie können wir uns dann vor diesem erschütternden Geheimnis eine Polka, ein Schlagzeug oder elektrische Gitarren vorstellen?

Ich fasse zusammen. Wir haben gesehen, daß die ars celebrandi, die Kunst der Feier der heiligen Liturgie, immer das Mysterium ausführen, ausdrücken und darstellen muß. In allem, was wir bei der Feier der heiligen Messe tun, muß der wahre Geist der Liturgie mitgeteilt werden. Das ist konkreter Ausdruck des Funktionsgesetzes der heiligen Liturgie: Lex orandi – lex credendi. Was wir in der heiligen Liturgie beten und tun und wie wir das tun muß immer das ausdrücken, von dem wir glauben, daß Christus es in der Liturgie tut.

Ebenso wichtig ist es, daß was wir beten und wie wir beten auch uns formt und uns über diese Wirklichkeit belehrt. Deshalb müssen wir das alles für die Bildung und Katechese künftiger Generationen bei der Neuevangelisierung richtig in den Griff bekommen.

Den ganzen Text im englischen Original können Sie auf der Website von Musica Sacra herunterladen. PDF 280 KB



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